Im Herzen der städtischen Sammlungen von Krems lebt eine zurückgezogene Gemeinschaft: Eine Frau, gekleidet in wallenden Gewändern, fasst sich mit ihrer Linken ans Herz. Mit der Rechten zeigt sie auf einen wackeren Herrn, der kniend betet. Auch ein Speerträger steht ihm zur Seite. Leidend windet sich ein Halbnackter in einer Ecke. Die hölzernen Skulpturen, die hier in den Regalen stehen – eine Madonna, ein Ritter, die Heiligen Georg und Sebastian – beginnen mit ein wenig Fantasie fast zu leben.
Viel Kurioses in den Städtischen Sammlungen
Sabine Laz, die Leiterin der städtischen Sammlungen, führt an einem Nachmittag im Dezember durch das Depot. Dieses betritt sie durch eine Tür in der galeriekrems, die Teil des museumkrems und – wie die Stadtbücherei und ein Ausstellungsraum der Kunsthalle Krems – in dem großen Komplex des einstigen Dominikanerklosters untergebracht ist. Viele Schätze, viel Kurioses apert hervor. „Ich habe versucht, die Sammlungen zu ordnen“, sagt Sabine Laz. Die Geschichte des Museums beginnt 1881. Damals zeigte der Stadtpfarrer Anton Kerschbaumer die noch bescheidene Sammlung im Rathaus, danach in einem temporär eingezogenen Zwischengeschoß der Dominikanerkirche. Und später hier, wo heute das Depot ist, gleich neben der Kirche. Aus diesem Grund ist es mit Parkettböden ausgestattet. Auch dass hier einst sogenannte Stilzimmer waren, lässt sich erkennen: Von den Decken baumeln verschnörkelte Luster.
Besen fürs Puppenhaus
In einem Buch, das schon fast zerfällt, hat eine von Sabine Laz’ Vorgängerinnen, die Museumskustodin Theresia Rotter, 1882 ein erstes Verzeichnis der Museumsobjekte angelegt. In säuberlicher, gestochen scharfer Kurrentschrift sind unterschiedliche Kategorien alphabetisch geordnet verzeichnet: „Alte Trachten“, „Ausgrabungen“, „Bilder“, „Porträt“, „Urkunden“, „Zünfte“ beispielsweise. Schon früh forderte man Bürger*innen auf, Objekte beizusteuern, beispielsweise Reiseerinnerungen. So kam es wohl zu jener Ansammlung an „Seltsamkeiten aus fremden Ländern“ – so die uralte Aufschrift auf einer Schachtel. Laz zeigt eine chinesische Zahnbürste, die sich in jedem Puppenhaus gut als Besen machen würde, eine kleine asiatische Papierlaterne, ein Gebilde aus Perlen, an dem die Aufschrift „croatische Brosche“ baumelt.
Vieles, was den städtischen Sammlungen gehört, ist ein Stockwerk weiter unten im museumkrems zu besichtigen – zum Beispiel die Werke des Barockmalers Kremser Schmidt, für den die Stadt bekannt ist. „Von Anfang an lag ein Schwerpunkt auf Kunst“, erzählt Sabine Laz. „Natürlich war der Kremser Schmidt hier immer wichtig.“ Bekannt sind die städtischen Sammlungen auch für ihre große grafische Sammlung, die ein neuer Wettbewerb erweitert. In grauen Schachteln, häufig in Passepartouts, lagern Zeichnungen des Kremser Schmidt, aber auch von dem Wachaumaler Max Suppantschitsch sowie Zeitgenossen und Zeitgenossinnen. So manches ist auch unterwegs: Beispielsweise einige großformatige Gemälde aus einer Serie des bekannten Kremsers Leo Zogmayer, die im Büro des Bürgermeisters, am Standesamt und in der Musikschule hängen. Anderes wird aktiv im Sammlungsdepot eingesetzt, etwa schöne alte Kästen aus verschiedenen Epochen: In manchen von ihnen lagern Textilien.
Auf den Grund gehen
Sabine Laz geht gerne den Dingen in den städtischen Sammlungen auf den Grund. So fand sie beispielsweise heraus, dass Matthäus Loder, einem Schmied, neben seinem Porträt nicht nur ein Trinkglas, sondern auch ein Kachelofen zuzuordnen ist. „Das finde ich toll, wenn sich Biografien mit Objekten verknüpfen“, sagt sie. Und was ist die Mona Lisa der städtischen Sammlungen? Laz zieht eine Schublade auf und zeigt ein Porträt der Apothekerin Magdalena Kappler, datiert auf 1530. Es wurde vielleicht von Jörg Breu gemalt, jedenfalls von jemand aus der berühmten Donauschule. Erst kürzlich kam es von der Schallaburg zurück, wo es zu den Highlights der Renaissance-Ausstellung zählte. Auch im Wiener Belvedere gastierte Magdalena Kappler bereits.
In den Magazinräumlichkeiten stolpert man irgendwann über eine Schachtel voller Schlüssel, viele davon mit Schildern. Auf einem steht „Lag im Abstellraum im Keller – ??“ Um sie richtig zuzuordnen, dafür müsste jemand sämtliche Schlüssel durchprobieren in den Schlössern des Dominikanerklosters – oder überhaupt sämtlicher öffentliche Gebäude der Stadt Krems? Noch hat Sabine Laz einiges aufzuarbeiten.
Nina Schedlmayer