Sie sind selten geworden: Jene Orte, an denen man, ein Dach über dem Kopf hat und ohne Konsumzwang sowie bei freiem Eintritt verweilen kann. Jene Orte, an denen man nichts tun muss, an denen die geschäftige Hektik des Alltags pausiert. Jene Orte, an denen Kinder nicht in erster Linie Problem, sondern willkommen sind. Und doch stellt jede Stadt, jede Gemeinde, die etwas auf sich hält, ihren Bewohner*innen und Besucher*innen einen solchen Raum zur Verfügung: die örtliche Bibliothek.
Unmittelbare Entschleunigung
Erklimmt man an der Adresse Körnermarkt 14 in der Kremser Altstadt die hölzernen, etwas ausgetretenen Stiegen bis in den ersten Stock, so taucht man ein in die Stadtbücherei Krems – und ein wenig in eine andere Welt. Schon beim Betreten tritt unmittelbare Entschleunigung ein. Zwischen den Bücherregalen tun sich Inseln mit Tischen und bequemen Sitzgelegenheiten auf, bestens geeignet zum Schmökern, Nachdenken und Sinnieren. Sogar einen Kaffeeautomaten gibt es hier zwischen den Büchern. Eine echte Ausnahme! Üblicherweise ist man in Bibliotheken eher besorgt um das Wohlergehen der Objekte, die aufbewahrt werden als um die Erfrischung schläfriger Benutzer*innen.
Mittelalterliche Wandmalereien
Das wirklich Besondere an der Stadtbücherei Krems fällt jedoch gleich am Eingang ins Auge: Trotz ihrer modernen Ausstattung kann sie nämlich mit mittelalterlichen Wandmalereien aufwarten, die ins späte 13. Jahrhundert datieren. Hinter dem Schalter grüßt ein Engel die Muttergottes – eine Verkündigungsszene. Auffälliger noch sind Zeilen mit Inschriften sowie ein Fragment, das ziemlich eindeutig ein Bücherregal darstellen. Wie Gregor Kremser, Leiter des Kulturamts, erzählt, geben die Beschriftungen höchstwahrscheinlich Auskunft über ein bibliothekarisches Ordnungssystem. An einer Wand links oben ranken sich rätselhafte, geschnörkelte Ornamente in den gemalten Regalen – was sie darstellen könnten, blieb bisher verborgen und muss erst erforscht werden. Erst 2009, als die Bibliothek an diesem Standort eröffnete, entdeckte man diese Wandmalereien. Einem reinen Zufall sei es zu verdanken, dass man die Malereien in der Stadtbücherei Krems fand, so Gregor Kremser. Sie wurden al secco, also auf den getrockneten Putz, aufgetragen, wie die Historikerin Helga Schönfellner-Lechner herausfand.

Älteste Bettelordenskirchen
Wie kommt die mittelalterliche Bibliotheksbemalung in eine Stadtbücherei des 21. Jahrhunderts? Ganz einfach: Schon im 13. Jahrhundert war hier ein Ort selbiger Funktion untergebracht. Einst war der gesamte Komplex, in dem neben der Stadtbücherei Krems und dem museum krems auch eine Infostelle der Stadt sowie ihr Kulturamt und Archiv untergebracht sind, ein weitläufiger Klosterkomplex der Dominikaner aus dem 13. Jahrhundert – ihre Kirche gehört, wie die Minoritenkirche in Stein, zu den ältesten Bettelordenskirchen im deutschen Sprachraum.

Die Klosterbibliothek war gewölbt – eine Holzdecke wäre für die vielen Bücher aufgrund der Brandgefahr ungeeignet gewesen, wie Schönfellner-Lechner schreibt. Direkt unter der Bibliothek lag ganz früher, bevor umgebaut wurde, die Klosterpforte; und die Mauern, die bis heute die zauber- wie rätselhaften Wandmalereien tragen, waren ursprünglich die Außenwände, die später überformt wurden.
A wie Mario Adorf
Wenn heute die Kinder auf der „Magischen Treppe“ – flachen Stiegen, auf denen Kuscheltiere sitzen – einer Geschichtenerzählung zuhören, sich von Robotereule Luka beim Lesen-Lernen helfen lassen oder an einem der Tischchen zeichnen, wenn Besucher*innen Lesungen prominenter Autor*innen wie Doris Knecht oder demnächst Thomas Sautner und Dirk Sterman lauschen oder andere in den Biografien von A wie Mario Adorf bis Z wie Leonid Zypkin stöbern: Dann können sie sich an einem ganz besonderen Ort wissen.
Nina Schedlmayer
Eine Antwort
Über den Bericht zur Bücherei fand ich noch weitere Infos und Erklärungen zu div. Sehenswürdigkeiten. Toll,wie interessant hier Geschichte für jedermann präsentiert wird.
Würde mir noch viele weitere Geschichten wünschen.