Crowdfunding anno 1891

Das museumkrems wurde nicht von Adeligen oder Kaisern, sondern von Bürger*innen gegründet: eine bemerkenswerte Geschichte.
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Die Liste an Namen beeindruckt. Von A wie Aigner Josef bis Z wie Zumpfe Hans sind 237 Persönlichkeiten angeführt. Neben ihren Namen sind unterschiedliche Berufe notiert. Sie arbeiten als Staatsanwälte, Gymnasialdirektoren und -professoren oder Bürgerspitalsverwalter. Sie handeln mit Hüten, Leder, Papier oder Glas, besitzen Mühlen, Fabriken oder Häuser, bewirten Gäste. Sie sind Privatiers oder „Oberstengattin“. Kurz: Alle sind Vertreter*innen der oberen Einkommensschicht.

Wir schenken uns ein Museum

Die Namen entstammen dem „Verzeichnis der P. T. Gönner des städtischen Museums in Krems“ und tauchen in einem Jahresbericht aus dem Jahr 1894 auf. Er legt Rechenschaft ab über ein bemerkenswertes Stadtmuseum, das nicht – wie so viele andere Museen – von Adeligen gegründet wurde, sondern von der Bevölkerung selbst. In den späten 1880er-Jahren begannen die Kremser*innen, sich selbst und der Stadt ein Museum zu schenken. 1891 wurde eröffnet. Mit einem pandemiebedingten Verspätungsjahr feiert die Stadt Krems nun das 130-jährige Jubiläum des museumkrems, wie die Institution heute heißt.

Der Jahresbericht 1894 ist gedruckt in Frakturschrift, die sich tief in das Papier einkerbt. Er liegt in einem Lesesaal im Kremser Stadtarchiv. Sabine Laz hat ihn mitgebracht, die das museumkrems leitet. „Das Haus zählt zu den zehn ältesten Stadtmuseen Niederösterreichs“, erzählt sie, „und entstand aus dem damals neuen Bürgertum heraus.“ Die treibende Kraft hinter der Museumsgründung war Anton Kerschbaumer, der Stadtpfarrer. Durch ihn „angeeifert“, wie es in einem Bericht zum 50-jährigen Jubiläum 1931 heißt, beschloss die Stadtgemeinde 1881 die Errichtung eines Museums. Die Sammlung rekrutierte sich zu weiten Teilen aus der Kremser Bevölkerung. Und auch ein erheblicher Teil der Mittel für das Museum. Heute würde man es Crowdfunding nennen.

Vor 130 Jahren schenkten die Kremserinnen und Kremser sich selbst und der Stadt ein Museum. Prälat Anton Kerschbaumer war die treibende Kraft hinter dieser Gründung.

Kustodin und Putzfrau

Ohne Prälat Kerschbaumer gäbe es das museumkrems in dieser Form heute ebenso wenig wie ohne eine bemerkenswerte Frau namens Theresia Rotter. Sie war aufgrund ihrer wohlhabenden Herkunft nicht gezwungen, Geld zu verdienen und wurde die erste Kustodin des Museums. „Rotter wuchs in die Aufgabe hinein“, erzählt Laz. Vierzig Jahre lang kümmerte sie sich um das Museum – und erledigte ein breites Spektrum an Aufgaben. Rotter beaufsichtigte die Schätze des Museums und führte prominente Besucher durch, verfasste den ersten Bestandskatalog und putzte. Sie warb, wie heute eine Fundraiserin, Schenkungen ein und trat Schmuck, Möbel, Porzellan und Goldmünzen aus eigenem Besitz ab. Dass ihr, als erster Frau, die Stadt Krems  1922 die Ehrenbürgerschaft verlieh, erscheint also nur recht und billig – ebenso wie das Silberne Ehrenzeichen, das ihr die Republik Österreich 1930 anheftete.

In dem von ihr verfassten Inventar reihen sich freilich auch Kuriositäten aneinander. So findet sich darin ein Schuh des Papstes, seinerzeit von Prälat Kerschbaumer bei einer Audienz beim Kirchenoberhaupt akquiriert. Andere Bestände gelangten durch Aufrufe in der Kremser Zeitung ans Haus, wie Museumsleiterin Laz erzählt. Schon früh bildete sich ein Schwerpunkt auf Kunst aus, etwa mit den Werken des berühmten Barockmalers Martin Johann Schmidt, auch bekannt als Kremser Schmidt.

Theresia Rotter engagierte sich 40 Jahre lang als Kustodin und wurde als Ehrenbürgerin der Stadt Krems ausgezeichnet.

Actenstücke, Correspondenzen

Bisher wurde die Geschichte des Museums noch wenig beforscht. Eines der zentralen Dokumente, das Aufschluss darüber gibt, ist ein großes Buch mit säuberlich notierten, chronologisch fortlaufenden Einträgen. „Registratur über Actenstücke, Correspondenzen betreffend das Städtische Museum zu Krems“ steht darauf. Man kann den Zeilen einen „Ankauf der 2 Apothekerbilder (1530), Kremser Schmidt, Kästen“ 1889 entnehmen, ebenso die Tatsache, dass ein Schriftsteller namens „I. Seitz“ im selben Jahr dem Museum Theaterzettel aus den Jahren 1868 und 1869 widmete. 1890 spendete ein Baron Gudenus prähistorische Funde, dazu kam ein „Legat Pichlmaier 2 Kremser Schmidt“. 1894 überließ ein Herr Baier dem Museum „einen alten Ofen vom alten Hufschmiedhause“. So kam mit der Zeit eine respektable Sammlung zusammen. Ihr Sukkus wird heute im museumkrems ausgestellt, das im Erdgeschoss des früheren Dominikanerklosters untergebracht ist.

Der Schuh des Papstes, eine der Kuriositäten des museumkrems, ist derzeit in der Sonderausstellung zum 130-Jahr-Jubiläum zu sehen.

Dort, wo das Museum ursprünglich untergebracht war, ist heute übrigens: Luft. In der Kirche des Dominikanerklosters war damals nämlich eine Decke eingezogen. So war ein Stockwerk entstanden. Dort – und in daneben liegenden Räumlichkeiten – präsentierte man die Sammlungen. Ein Teil davon ist bis heute erhalten. Wer das Glück hat, diese Räume – heute Depot – betreten zu dürfen, taucht ein in einen erstaunlichen Kosmos unterschiedlicher Gegenstände: Wachaugemälde auf ausziehbaren Wänden, Reliquienschreine in Vitrinen, Bauernmöbel, die sich aneinander drängen, Lampen aller Art, die von der Decke baumeln, Reste einer Mineraliensammlung, ein barocker Kachelofen. In einem Zimmer ist sogar eine Bürgerstube nachgebaut. Eine Stofftapete ist unter einer dicken Schicht weißer Farbe nur noch zu erahnen, eine eingezogene Holzdecke und ein geschnitzter Türstock geben ein Gefühl von Heimeligkeit – ein „Period Room“, wie es die Museumswissenschaft nennen würde.

Mitten in der Kremser Altstadt im historischen Dominikanerkloster lädt das museumkrems Besucherinnen und Besucher ein, in die bewegte Geschichte der Stadt einzutauchen.

Zu erforschen gibt es noch eine ganze Menge. 2019 regte Laz die Gründung eines Freiwilligenteams an, das nun viele Seiten Quellenmaterial aus schwer lesbarer Kurrentschrift in Exceltabellen transkribiert. Eine Herkulesaufgabe! Einst spendierten die Kremser*innen Geld und Objekte. Heute tun sie das mit ihrer Arbeit.

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Museumsbesuch in Zeiten von Covid 19/Corona
(Stand: März 2021)
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Gruppen ab 15 Personen gegen Voranmeldung: € 6,00 / Person
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Fotos: Stadt Krems / Barbara Elser; museumkrems
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