Ein Kernkraftwerk, in dem Kaugummis als Dichtungen und Plutoniumstangen als Briefbeschwerer dienen? Vermeintliche Notausgänge, die bloß Trompe-l’oeuils sind? Das AKW Springfield ist sicherheitstechnisch in suboptimalem Zustand. Verantwortlich dafür sind: sein gieriger Besitzer Charles Montgomery Burns und dessen mittelmäßig motivierter Sicherheitsbeauftragter Homer Simpson aus der TV-Kultserie „The Simpsons“. Ausgehend von der Ausstellung „Hier kommt Bart!“ über die amerikanische Cartoonfamilie zeigt das Karikaturmuseum Krems einen „Exkurs“ über ein historisch einzigartiges AKW: Zwentendorf.
Demokratiepolitische Prozesse
Das AKW Zwentendorf ist bis heute Mahnmal für fehlgeleitete Technologie-Euphorie und ignorantes Regieren – aber auch Erinnerung an die Kraft demokratiepolitischer Prozesse. Die Ausstellung „Gezeichnete Geschichte. Das AKW Zwentendorf in der Karikatur“ im Karikaturmuseum, gestaltet vom künstlerischen Direktor Gottfried Gusenbauer und Kuratorin Anna Steinmair, ruft die Ereignisse der späten 1970er-Jahre durch Karikaturen von Erich Sokol, Pietro R. Hausn, Dieter Zehentmayr, Manfred Deix, Hellmuth Macheck und anderen ins Bewusstsein. Die Chronologie des AKW Zwentendorf geht in etwa so: 1971 fasste die österreichische Bundesregierung unter Kanzler Bruno Kreisky den Beschluss, ein AKW in Zwentendorf, im niederösterreichischen Tullnerfeld, zu errichten. Ab 1975 regte sich zivilgesellschaftlicher Widerstand. Politik und Industrie hielten daran fest, der Protest intensivierte sich.
Kernspaltung
Das Thema Kernkraft spaltete Parteien und Familien. Kreisky setzte 1978 eine Volksbefragung an und kündigte seinen Rücktritt im Fall einer Niederlage an. Schließlich sprachen sich 50,47 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen die Inbetriebnahme aus. „Zum ersten Mal in der Geschichte hatte ein Volk, das zum großen Teil von der Industrie lebt, in demokratischer Abstimmung beschlossen, was Industriellen, Technokraten und Fortschrittsgläubigen ein Rückfall in vorindustrielle Maschinenstürmerei dünkt“, schrieb der deutsche „Spiegel“ und sprach von einem „Atom-Museum, glitzernd, aber mausetot“.
Zivilgesellschaftliche Wirkmacht
Dass zivilgesellschaftlicher Protest etwas bewegen kann: Diese Erfahrung machte Österreich in jenen Jahren. Bis 1985 kostete das AKW Zwentendorf umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro. Gänzlich hinausgeschmissenes Geld? Nicht ganz. Mittlerweile sah die Atomruine Hunderttausende Besucher*innen – Festivals wie das Nuke oder das Shutdown laden seit 1999 zum Musikhören und Tanzen, 2022 führte das Globart-Festival ein Theaterstück mit Zeitzeug*innen dort auf. Zudem dient es als Ausbildungsstätte für Angestellte anderer AKWs, glamouröse Location für Firmenevents, Drehort. Und aktuell ist es eine Außenstelle des Karikaturmuseum Krems mit der Schau „Homers Radioactive Tour“. So mausetot, wie der „Spiegel“ damals schrieb, ist das AKW Zwentendorf also nicht.
Wohin damit?
Jahrelang war das AKW Zwentendorf Thema Nummer eins der Berichterstattung in Österreich. Eine der strittigen Fragen, über die auch die Pro-Stimmen nicht einig waren, betraf die Endlagerung des Atommülls. Wer will schon einen Haufen radioaktiven Abfalls vor der Haustür? In einer Arbeit des Zeichners Pietro R. Hausn bietet Kreisky per Bauchladen einen Kübel Atommüll feil, umringt von den Bundesländern, die ihn damit nicht rauslassen. Manfred Deix machte sich über die mediale und politische Darstellung von AKW-Gegnern lustig: „Leute, denen Arbeitsplätze egal sind“ – ein betrunkener Sandler – und „linksradikale Lausbuben“ – zwei Bärtige, die einen biederen Herrn mit der Steinschleuder attackieren.
Deformation durch Radioaktivität
Hellmuth Macheck brachte die möglichen Folgen der radioaktiven Strahlung auf den Punkt. Seine Karikatur zeigt eine Pressekonferenz und trägt den Titel: „Und nun zum Thema: Was brachte uns der Bau von Kernkraftwerken im vorigen Jahrhundert?“. Diese Frage beantwortet ein Wesen mit deformiertem menschlichen Kopf und einem riesigen Vogelfuß. Die Gegenseite nimmt Erich Sokol in einem seiner Cartoons ein Er lässt einen Mann beim Garen eines Mammuts per Streichholz verzweifeln: „Zurück in die Steinzeit – Wozu braucht Österreich ein Atomkraftwerk? In den Höhlen hat man die Jagdbeute seinerzeit schließlich auch ohne Strom zubereitet“.
Nina Schedlmayer