Manfred Deix, Feminist im Pups-Pavillon
Vielleicht lauert der wahre Schrecken von Manfred Deix’ Karikaturen dort, wo er sich nicht gleich zu erkennen gibt. Weniger in den durch genmutierten Mensch-Tier-Wesen, in den zum Tumor angeschwollenen Nasen, im halben Finger, den sich ein besoffener Fleischhauer abhackt und seiner Kundschaft verkaufen möchte. Der größere Horror offenbart sich in einem Bild wie der „Firmenfeier“ aus dem Jahr 1999: einem Gruppenporträt scheinbar heiterer Menschen, durch den Titel als Arbeitskolleg*innen bei der Büroparty gekennzeichnet. Doch wie sie ihre Brauen hochziehen, die Augen aufreißen und die Zähne blecken! Das ist Hinterfotzigkeit, Gemeinheit, Bösartigkeit. Die Frage, wie man seinen Kolleg*innen das Hackl ins Kreuz hauen könne, schwebt imaginär über der ganzen aggressiven Fröhlichkeit.

„Deixfigur“
Das Karikaturmuseum Krems gibt in der neuen Ausstellung „I Love Deix. Jubiläumsschau“, gestaltet von dessen künstlerischem Direktor Gottfried Gusenbauer und Kuratorin Anna Steinmair, einen tauglichen Überblick seines ausufernden Oeuvres. Es wirft aber auch einen neuen Blick darauf, indem es ihn mit dem Kärntner Maler Werner Berg koppelt („Manfred Deix trifft Werner Berg. # Exkurs 11“, in Zusammenarbeit mit dem Kurator des Werner Berg Museums, Harald Scheicher).
Krems verdankt Manfred Deix nicht weniger als sein Karikaturmuseum (wo aktuell auch die Schau von Wolfgang Ammer zu sehen ist, ask – art & science krems berichtete). Einst wollte der damalige Landeshauptmann Erwin Pröll den Karikaturisten, 1949 in St. Pölten geboren, in Niederösterreich verankern, und so entstand der Publikumsmagnet. Kein Karikaturist in Österreich ist so populär wie der 2016 Verstorbene, der am 22. Februar 75 Jahre geworden wäre. Längst sind seine Schöpfungen nicht nur in die österreichische Alltagssprache, sondern sogar in den Duden eingegangen: Als „Deixfigur“ werden respektlos ungepflegte Leute bezeichnet, die keinen Genierer haben – und sich eben so geben, wie der Karikaturist sie überzeichnet hat: lächerlich, verzerrt.

Das Innere nach außen gewandt
Im Repertoire des Honorarprofessors und vielfach Ausgezeichneten wimmelt es von überdimensionierten Geschlechtsorganen, langen Zähnen, körperlichen Missbildungen aller Art. Er hole „Hässlichkeit von innen her“, sagte er einmal. „Ich zeichne die Leute nur dann, wie sie meinen, hässlich, wenn ich ihre Eigenschaften ins Gesicht transponiere. Dann werden sie hässlich.“ Wobei er sich selbst auch nicht ausnahm, wie Kuratorin Anna Steinmair betont. „Deix stellte sich selbst auch hässlich dar. Er schreckte vor nichts zurück.“ Sie zeigt auf ein Selbstporträt, das als Reproduktion an der Wand platziert ist: „Hier zeichnete er sich zum Beispiel mit einem Wimmerl am Hintern.“ Manfred Deix’ Freund, der Multikünstler André Heller, meinte einmal: „Wer sich nicht zumindest teilweise in einer seiner Tausenden Karikaturen selbst erkennt, hat keinen Spiegel zuhause.“ Auf die Frage, wo sich den das Kurator*innenduo, bei der Kenntnis so vieler Deix-Werke, gefunden habe, lacht Gusenbauer: „Wo haben wir uns nicht entdeckt?“
Manfred Deix, Humanist und Feminist
Die explizite Bildsprache Deix, die in anderen Ländern wie Frankreich und Spanien Gusenbauer zufolge gar als Pornografie gälte, lässt oft vergessen, dass dahinter eine humanistische und aufklärerische Grundhaltung steckt. Wenn eine Frau ein Kind stillt, das andere am Unterschenkel balanciert, dazwischen noch Geschirr, Telefon und Hund jongliert und ihren Ehemann küsst, dann könnte der Karikaturist gar als Feminist durchgehen. Legendär ist seine Kritik an Kirchenvertretern, mitsamt ihren Kindesmissbrauchs-Skandalen und ihrer Scheinheiligkeit. Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass er seine ersten Comics ausgerechnet in der St. Pöltner Kirchenzeitung publizierte. Das war 1960, noch bevor das junge Talent im Teenager-Alter angekommen war – und nachdem es an einem Zeichenwettbewerb des ORF gescheitert war, Begründung: Keine Erwachsenen oder Profis, sondern Kinder hätten sich zu beteiligen.

Die Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien verließ der Karikaturist ebenso vorzeitig wie die Akademie der bildenden Künste. Was ihn nicht daran hinderte, ein technisch begnadeter Maler und Zeichner zu werden. Magazine wie Profil, News, Spiegel, Die Zeit, Playboy und, was Wunder!, die Satirezeitung Titanic veröffentlichten seine Arbeiten. Es mag erstaunen, dass er jenseits der Grenzen Österreichs nicht breiter rezipiert wurde. „Die Internationalität war ihm nie so wichtig, er war froh, wenn er hier den Leuten den Spiegel vorhalten konnte“, erzählt Gottfried Gusenbauer. Und tatsächlich fokussiert Deix sich vielerorts auf das Geschehen in Österreich. So ist der Ausstellungsbesuch auch eine kleine Reise in die jüngere Vergangenheit des Landes.

Palast der Winde
Dennoch ist ausgerechnet in den USA seit kurzem eine Arbeit von Manfred Deix zugänglich. Einst hatte er an André Hellers Kunst-Jahrmarkt „Luna Luna“, erstmals 1987 in Hamburg gezeigt, mitgearbeitet. Dafür lieferten auch künstlerische Kapazunder wie Jean-Michel Basquiat, Sonia Delaunay, Rebecca Horn und Joseph Beuys Entwürfe. Für den Eingang des „Palastes der Winde“, wo Kunstfurzer auftraten, gestaltete Deix ein klamaukiges Szenario. Im Dezember 2023 erlebte „Luna Luna“ seine Wiederauferstehung in Los Angeles, Pups-Pavillon inklusive.
Um eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Deixfigur man selbst ist, muss man aber nicht so weit reisen. Und um herzlich zu lachen, ebenfalls nicht. Dafür lieber ins Karikaturmuseum.
Nina Schedlmayer
Eine Antwort
Manfred Deix war einer der realistischsten Künstler, die ich jemals kennengelernt habe. Vergleichbar mit Zilles Berliner Milljöh, zeigt er den Menschen, wie er wirklich ist.