Eine Geige, eine Ukulele, Schneebesen, Messer, Gabel, Kochtöpfe, Backformen, Spieluhren, Stimmgabeln und Vogelpfeifen: Die Arbeitsutensilien von Veronika Großberger sind enorm vielfältig. Wenn sie sich auf den Weg zu einem ihrer Workshops macht, verstaut sie dieses Sammelsurium in Kisten, die sie mit sich trägt.
„Kunst ist Klasse“
Veronika Großberger studierte Musik- und Theaterwissenschaft in Wien sowie Kulturmanagement in London, schloss einen Chorleiterlehrgang ab und arbeitet seit 2013 als selbstständige Musikvermittlerin. Und zwar in unterschiedlichen Institutionen, wie im Klangraum Krems Minoritenkirche und im Salon Krenek. In Kooperation mit ihnen bietet sie Workshops für Schulen an. Zuletzt führte sie beispielsweise, finanziert vom ehemaligen BMKÖS, ein Programm in der Allgemeinen Sonderschule Krems durch unter dem Titel „Kunst ist Klasse“.
Die Musikvermittlung ist nicht ganz so traditionsreich wie beispielsweise die Kunstvermittlung. Wenn Veronika Großberger ihre Berufsbezeichnung nennt, hält man sie bisweilen für eine Musikagentin, die Auftritte vermittelt. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Disziplin enorm weiterentwickelt.

Der Sound der Flasche
Veronika Großberger spricht in ihren Workshops nicht nur den Hörsinn an: Da breiten sich Schallwellen im Wasser aus, sodass man sie sehen kann, erfassen Vibrationen den Körper, sodass man den Klang spüren kann. „Das Hören und Spüren liegen näher beieinander als wir vermuten“, schreibt Großberger in einem Text. „Denn hinter unserem Ohr liegt das Gleichgewichtsorgan, das uns wissen lässt, wo im wahrsten Sinne des Wortes oben und unten ist.“
Wie die Akustik eines Raums klingt oder klingen soll, damit wir uns wohlfühlen: Das ist, findet Großberger, ein unterbelichteter Aspekt. „Es gibt nur wenige Architekt*innen, die sich mit Raumakustik beschäftigen.“ So möchte sie Akustik bewusst machen. Sie selbst habe „ein Faible für Alltagsgeräusche“ und kann sich begeistern für den Klang, den eine Flasche von sich gibt, wenn sie geöffnet wird. Sounds wie diese fließen häufig in Kompositionen Neuer Musik ein. „Hier kann man sich viele Anregungen holen“, schwärmt Veronika Großberger.

Steinerne Klänge
Das Bewusstsein über das Hören vermittelt sich auch in einer anderen Übung, die vom US-amerikanischen Komponisten Christian Wolff inspiriert ist. Dabei bekommen die Teilnehmer*innen je zwei Steine, mit denen sie Klänge produzieren dürfen. Zunächst dürfen sie das ausprobieren. „Da spielen viele zunächst für sich.“ Danach fordert Großberger sie auf, die Hälfte der Energie auf das Zuhören zu verwenden. „Da treten die Menschen viel mehr miteinander in Kommunikation, und es entsteht eine Spannung, ein Rhythmus.“
Häufig arbeitet sie mit Künstler*innen zusammen – beim Projekt „Kunst ist Klasse“ etwa mit der Choreografin Katharina Weinhuber: „Musik und Bewegung greifen ineinander: So kann der Körper Klänge durch Tanz produzieren, etwa, wenn man die Füße am Boden schleifen lässt“, erzählt sie. Für jedes Projekt lässt sie sich auf eine ihr zuvor völlig unbekannte Klasse ein – was ihr zu gefallen scheint. „Da gibt es immer ein Moment des Nichtwissens, weil die Stimmung von so vielem abhängig ist: Gab es gerade eine Schularbeit oder Streitereien? Sind es die Kinder gewohnt, miteinander zu musizieren?“ Zwar entwickle sie zuvor ein Konzept, doch letztlich wisse sie nie, wohin genau der Weg führt. Bei der Kremser Schule entdeckte sie, dass eine der Klassen eine Begabung für das Rhythmische hat und verlegte sich aufs Beatboxen – also das Imitieren von Instrumenten mit Mund und Rachenraum.

Wenn Rollen aufbrechen
Eine weitere Bereicherung bieten Künstler*innen aus den Kremser Artist-in-Residence-Studios, etwa die schwedische Sängerin Lena Willemark, die in der Sonderschule von ihrer Kindheit erzählte, aber auch die spektakulären Herdenrufe vorführte, die in ihrer Musik eine wichtige Rolle spielen. Wobei: Die Musikvermittlung vermag noch viel mehr als Bewusstsein über das Hören zu vermitteln. Denn, so beobachtete Veronika Großberger, oft brechen die Rollen auf, die Kinder in ihrer jeweiligen Klasse spielen oder zugewiesen bekamen. Dann gehen Schüchterne plötzlich aus sich heraus, werden Klassenclowns ernsthaft.
Mit viel Begeisterung und Charisma erzählt Veronika Großberger über ihre Arbeit. Und schon nach einem Gespräch mit ihr lauscht man bewusster auf die Umgebung: das Klappern der Gläser im Wirtshaus, das entfernte Brummen der Autos, das zarte Sirren von Fahrradrädern auf dem Asphalt – die Einladung zum genaueren Hinhören lässt sich jedenfalls immer und überall annehmen.
Nina Schedlmayer