Art & Science Krems

Telefonjoker

Zwischen Amtswegen und Improvisation: der Alltag von Klaus Krobath, Leiter von AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich
Klaus Krobath

Üblicherweise nutzen Jobneulinge die ersten Wochen und Monate im neuen Arbeitsumfeld dazu, sich einzuarbeiten, Strukturen zu verstehen und Kolleg*innen kennenzulernen. Bei Klaus Krobath war das anders: Als er am 1. Februar seinen neuen Job antrat, blieb ihm für diese Phase nicht viel Zeit. Denn mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine drei Wochen später stand er plötzlich vor neuen Herausforderungen und Aufgaben.

Schnellstart

Klaus Krobath leitet das internationale Stipendienprogramm AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich. AIR wurde 2000 von der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich zur Förderung des internationalen Kulturaustauschs initiiert und auf der Kunstmeile Krems angesiedelt. Jedes Jahr leben und arbeiten rund 50 Künstler*innen aus Architektur, bildender Kunst, Literatur und Musik hier. Für ihren ein- bis dreimonatigen Gastaufenthalt in Krems stehen fünf Atelierwohnungen und ein großer Arbeits- und Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Ausgewählt werden die Künstler*innen gemeinsam mit den Projektpartner*innen (Land Niederösterreich – Abteilung Kunst und KulturGalerie Stadtpark KremsKunsthalle KremsKarikaturmuseum KremsNÖ Festival und Kino GmbHORTE – Architekturnetzwerk NÖUnabhängiges Literaturhaus NÖ).

Klaus Krobath
Ursprünglich absolvierte Krobath eine Lehre als Goldschmied. Später begann er dann, als Künstler zu arbeiten.

Als im Februar der Krieg begann, ging es hier ganz schnell: Innerhalb kürzester Zeit wurden Wohn- und Arbeitsräume für ukrainische Künstler*innen bereitgestellt. Im Laufe der nächsten Wochen gelangten dann vier von ihnen nach Krems, darunter Kateryna Berlova und Natalka Diachenko. Klaus Krobath, der ask – art & science krems im gerade leerstehenden Musikatelier zum Gespräch bittet, sagt: „Wir haben die Künstlerinnen und Künstler teilweise am Telefon zu uns gelotst.“ Das Gemeinschaftsatelier – eigentlich gedacht zur Nutzung für alle Residents – funktionierte er zu einer Wohnung um, in dem die Künstler*innen für einige Monate bleiben konnten; schließlich waren die Einzelstudios schon besetzt. „Da mussten wir improvisieren; ich versuchte, dort für alle eine private Atmosphäre zu schaffen.“ Die psychische Belastung seiner Gäste bekam er hautnah mit. „Sie kämpften sehr mit sich selbst, weil sie selbst in einer sicheren Umgebung sind, aber ihre Verwandten und Freunde zurückgelassen haben.“ Mittlerweile sind die vier an andere Orte im europäischen Ausland weitergezogen.

Amtswege, saubere Studios, Newsletter

Der Arbeitstag beginnt für Krobath bereits um fünf Uhr: Dann nämlich steht er auf, steigt in seiner Heimatstadt Linz in den Zug und fährt nach Krems. An der Donau entlang spaziert er in sein Büro – für ihn ein besonderer Genuss: „Andere machen Urlaub in Krems, ich darf hier arbeiten“. Nach dem Bearbeiten von E-Mails und Anfragen besucht er, zumindest jeden zweiten Tag, die Gäste, fragt nach, ob sie etwas brauchen, wie es ihnen geht. Einen Gutteil des Tages nimmt Organisation ein: „Der administrative Anteil meiner Arbeit ist überraschend hoch“, sagt er: Stipendien auszahlen, für die Sauberkeit der Studios sorgen, Künstler*innen beim Amt an- und abmelden, den Newsletter pflegen, Termine mit den Kurator*innen und Zuständigen der Institutionen koordinieren – all das beansprucht Zeit. Am Telefon hängt Krobath häufig.

Klaus Krobath
Ein Arbeitstag beginnt für Krobath bereits um fünf Uhr. Dann steigt er in seiner Heimatstadt Linz in den Zug und fährt nach Krems.

Krobath selbst schloss einst eine Lehre als Goldschmied ab und begann später, als Künstler zu arbeiten. Dann betreute und kuratierte er Kunstprojekte im Wiener Museumsquartier. Neben seiner Tätigkeit bei AIR produziert er nach wie vor seine eigene Kunst. Vor diesem Hintergrund kann er viele Nöte von Künstler*innen besser nachvollziehen als beispielsweise ein Kulturmanager. „Die prekäre Situation von Kunstschaffenden nimmt jemand anderer vielleicht weniger wahr“, sagt er nachdenklich und blickt aus dem Fenster. „Man kann sich kaum vorstellen, wie schwierig es ist, als Künstler zu überleben.“

Künstlerische Kollaborationen

Die Nähe zu Künstler*innen: Das ist es, was ihm „unheimlich taugt“ – besonders, wenn die Gäste gemeinsam etwas künstlerisch umsetzen. Dazu trägt nebst gemeinsamen Unternehmungen, und sei es nur ein Heurigenbesuch, auch das Gemeinschaftsatelier bei: Dort können alle Teilnehmer*innen des internationalen Austauschprogramms arbeiten. Es gibt eine Staffelei ebenso wie Schreibtische. Im Frühjahr fanden etwa die Hamburger Illustratorin Larissa Bertonasco und der peruanische Musiker Sergio Díaz de Rojas im Musikstudio zu einer Kollaboration vor Publikum zusammen: Während dieser am Klavier spielte, schuf die Zeichnerin mit Hilfe von Zeichnungen auf einem Overheadprojektor ein visuell eindrückliches Environment.

Etwas Besseres als solche Begegnungen kann sich der Leiter eines Residence-Programms eigentlich gar nicht wünschen.

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