Orte der Lebensrettung

Sehenswürdig sind die sieben Defibrillatoren auf dem Campus Krems nicht, aber merkenswert. Wer im Fall eines Kreislauf-Stillstands beherzt eingreift, kann ein Leben retten. Wie das geht, wird im Schulungsprojekt „Fit4Reanimation“ von klein auf vermittelt. * 5 Minuten Lesezeit
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Jedes Gebäude auf dem Campus Krems verfügt über einen eigenen Defi, kurz für Defibrillator. Das markante weiß/grüne Logo mit Blitz im Herz und Kreuz ist das eigentliche „must see“. Es weist den Weg zu den sieben vollautomatischen Geräten. In einem kleinen Köfferchen, wie es Kinder zum Doktor*in spielen geschenkt bekommen, steckt die Möglichkeit Leben zu retten. Im Projekt „Fit4Reanimation“ wird in Niederösterreich bereits in der Schule vermittelt: Leben retten ist kinderleicht. Schon Zehnjährige können die Rettungskette – rufen, drücken, schocken – in Gang setzen.

Jedes Gebäude auf dem Campus Krems verfügt über einen eigenen Defi, kurz für Defibrillator. Das markante weiß/grüne Logo mit Blitz im Herz und Kreuz ist das eigentliche „must see“.
Jedes Gebäude auf dem Campus Krems verfügt über einen eigenen Defi, kurz für Defibrillator. Das markante weiß/grüne Logo mit Blitz im Herz und Kreuz ist das eigentliche „must see“.

Der plötzliche Kreislauf-Stillstand ist in Österreich Todesursache Nummer eins. Rund zehntausend Menschen im Jahr fallen plötzlich „wie tot“ um und bleiben bewusstlos liegen. Rund 10 Prozent von ihnen überleben, weil jemand beherzt eingeschritten ist, erklärt Manfred Wieser, Kardiologe und Vizerektor der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. Im September 2024 ist das Schulungsprojekt „Fit4Reanimation“ angelaufen – für ihn ein echtes „Herzensprojekt“. Durch die Schulung von Lehrkräften wird künftig von klein auf für Reanimation sensibilisiert. Denn Lai*innen können Entscheidendes tun, bis Profis eintreffen. „Die ersten Minuten sind wichtig, um Hirnschäden abzuwenden“, so Wieser. Aber was ist zu tun? Hingehen, die Person ansprechen, schütteln und die Reaktion abwarten. Wenn die Person bewusstlos ist, Hilfe bzw. Rettung rufen und die Atmung checken. Bei Bewusstlosigkeit und fehlender Atmung ist von einem Kreislaufstillstand auszugehen. Das kann bei Menschen jeden Alters passieren, aber die Wahrscheinlichkeit steigt ab 50 Jahren.

Die Rettungskette step by step

Im Notfall ist bei Bewusstlosigkeit der nächste Schritt immer, die Rettung zu RUFEN (144). Dann die bewusstlose Person auf den Rücken drehen, den Kopf überstecken und bei fehlender Atmung mit der Herzdruckmassage beginnen. Wer es noch anders gelernt hat: Eine zusätzliche Beatmung ist bei der Reanimation durch Lai*innen nicht (mehr) vorgesehen, weil die Herzdruckmassage allein ausreichend Sauerstoff ins Gehirn befördert. Dafür auf Brusthöhe hinknien, die Arme durchstrecken und mit den Handflächen in der Mitte des Brustkorbs regelmäßig hinein DRÜCKEN. „Disco can save lives“, sagt Ken Yeong im einprägsamen Video. Um den Takt von rund 100 Kompressionen pro Minute einzuhalten, gibt es bewährte Ohrwürmer, die wir im Kopf abspielen können. Klassiker der Lebensrettung mit 100 bpm sind der Radetzkymarsch, „Staying Alive“ von den Bee Gees, „Dancing Queen“ von ABBA, „I will survive“ von Gloria Gaynor oder „Wake me up“ von AVICII.

Wenn weitere Personen in der Nähe sind, diese auf jeden Fall aktiv ansprechen und Aufgaben verteilen z.B. Rettung rufen, Defi suchen oder bei der Herzdruckmassage ablösen, bis die Rettungskräfte eintreffen. 

Der Defibrillator ist der dritte Schritt in der Rettungskette. Die Defi-Geräte geben akustische Anweisungen, sobald sie eingeschaltet werden. Das richtige Anbringen der Elektroden ist zusätzlich auf Zeichnungen dargestellt. Wenn die Pads platziert sind, misst das Gerät eigenständig und prüft, ob das SCHOCKEN angezeigt ist. Dann heißt es: Hände weg und das Gerät löst den Stromstoß aus. Bei halbautomatischen Geräten der ersten Generation muss dafür noch auf einen Knopf gedrückt werden.

Kinder beim Lernen der Reanimation
Klassiker der Lebensrettung mit 100 bpm sind der Radetzkymarsch, „Staying Alive“ von den Bee Gees, „Dancing Queen“ von ABBA, „I will survive“ von Gloria Gaynor oder „Wake me up“ von AVICII.

Kann es schaden?

„Die Herzdruckmassage ist bei Kreislaufstillstand immer notwendig. Der Defi kann im Idealfall das Problem beheben, wenn Rhythmusstörungen die Ursache sind. Durch die Verwendung des Defis kann der Person kein Schaden zugefügt werden, man kann nur helfen“, erklärt der Kardiologe. Um all das in einer Stresssituation parat zu haben, empfiehlt die Gesellschaft für Notfallmedizin die breite Schulung der Bevölkerung – nur so kann der Ersthilfe der Schrecken genommen werden.

Bei „Fit4Reanimation“ passiert genau das: Pädagog*innen in ganz Niederösterreich werden geschult und geben die erworbenen Reanimations-Skills ihren Schüler*innen in der 3. Klasse Volksschule weiter. Denn schon Zehnjährige haben meist ein Handy und genug Kraft, um auf den Brustkorb zu drücken. Sie können erkennen, ob es jemandem schlecht geht. Die Volksschulkinder tragen das Thema nach Hause und motivieren so vielleicht den einen oder anderen Elternteil, die Kenntnisse von der Führerscheinprüfung aufzufrischen. Ab kommendem Herbst wird das Pilotprojekt von der 3. auf die 6. Schulstufe für 12- bis 13-Jährige ausgeweitet. Die zwölf Fit4Reanimation-Ausbildner*innen stellt die Studierendeninitiative „emerKREMSy“ der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. Die Notfallmedizin am Uniklinikum Krems kümmert sich um den Theorieinput. Das Jugendrotkreuz Niederösterreich verteilt und wartet die 60 Schulungssets über seine Logistikzentren, die Bildungsdirektion kommuniziert mit den Schulen, und die Pädagogische Hochschule NÖ organisiert als Schulungsorganisation für Lehrende diese Kurse.

Kardiologe Manfred Wieser mit Kollegin
Durch die Verwendung des Defis kann der Person kein Schaden zugefügt werden, man kann nur helfen“, erklärt der Kardiologe Manfred Wieser im Gespräch mit art & science krems.

Die schlimmste Erfahrung ist wohl, im Notfall nicht zu wissen, was man tun kann. „Aus internationalen Studien wissen wir, dass die Wahrscheinlichkeit für den plötzlichen Herztod nicht sinkt, aber die Überlebenswahrscheinlichkeit steigt, wenn schnell die Initiative ergriffen wird. Unser langfristiges Ziel ist, dass Maßnahmen für Gesundheit und Erste Hilfe im Lehrplan der Schulen fix verankert werden“, betont Manfred Wieser, dessen Tochter den Kurs bereits absolviert hat. Seither weist die kleine Ersthelferin ihn auf jeden Defi-Standort im öffentlichen Raum hin.

Die sieben Defis am Campus Krems wurden strategisch platziert: an gut erreichbaren Punkten, hinter stets zu öffnenden Türen, nahe am Eingang, an viel begangenen Strecken. An der Karl Landsteiner Privatuniversität ist das Gerät neben dem Ärzte- und Ärztinnenzimmer angebracht, wo man für weitere Unterstützung in der Not auch an die Tür klopfen könnte.

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© KL/ M. Parak
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