Am 31. März 1995 meldete die Handelskette Konsum den Ausgleich an, erließ das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine Verordnung zur Förderung von Frauen und landete ein Song des Electro-Pioniers Vangelis auf Platz 1 der deutschen Charts. Für Krems, das damals sein 1000-jähriges Jubiläum feierte, war das Datum jedoch nicht aus diesen Gründen bedeutsam. Denn damals eröffnete hier ein neues Ausstellungshaus: die Kunsthalle Krems, damals noch Kunst.Halle.Krems betitelt. Dementsprechend feiert man heuer 30 Jahre Kunsthalle Krems.

Bauen im Bestand
Erst später sollten Ausstellungshäuser in anderen Bundesländern – das Kunsthaus Bregenz, das Lentos Kunstmuseum Linz, das Kunsthaus Graz – folgen. Im Gegensatz zu diesen Kunstinstitutionen allerdings entschieden sich die Kremser Verantwortlichen nicht für einen Neubau, sondern für die Adaption eines bestehenden Gebäudes, einer Tabakfabrik: ein frühes Beispiel für das, was heute unter dem Begriff „Bauen im Bestand“ als Zukunftshoffnung für grüne Architektur gilt.
Helmut Kandl (Schäffer) war seit 1991 Geschäftsführer der – damals noch in Planung befindlichen – Kunsthalle Krems Ges. m. b. H. Er erinnert sich, dass das Justizministerium zunächst das ehemalige Tabakwerk erworben hatte und das daneben liegende Gefängnis erweitern wollte. Doch es wurde unter Denkmalschutz gestellt – was diesen Plan vereitelte. So konnte das Land Niederösterreich, das die Kunsthalle zu weiten Teilen finanziert, die Immobilie erwerben.

Fisch und Fleisch
Bereits vor der Eröffnung 1995 zeigten ambitionierte Ausstellungsmacher dort Kunst, etwa die von Kandl kokuratierte Schau „Fisch und Fleisch. Photografie aus Österreich 1945 – 1995“. Womit die Kunsthalle „ihre Qualitäten als Ausstellungsbau mit temporären Ausstellungen bereits unter Beweis gestellt hatte“, wie Gründungsdirektor und Ideengeber Wolfgang Denk (1947-2023) in einem Buch anlässlich des 20-jährigen Jubiläums sagte.
Die Schienen für den Standort Krems waren freilich schon länger gelegt. Als St. Pölten 1986 niederösterreichische Landeshauptstadt wurde, entschieden die politisch Verantwortlichen auch die Weiterentwicklung von Krems als Kulturstadt. So erzählt es Joachim Rössl, der lange Jahre die Kulturabteilung des Landes Niederösterreich leitete. Dafür ließ man sich eine seinerzeit neue, heute übliche Konstruktion einfallen: Die Kunsthalle Krems war als Gesellschaft mit längerfristigem Fördervertrag durch das Land aufgesetzt. Auch der damalige – bekannt kunstinteressierte – Kremser Bürgermeister Erich Grabner unterstützte das Vorhaben substanziell.

Verhinderte Preisverleihung
Zu den Anfängen der Kunsthalle befragt, erinnert sich Rössl an eine aus seiner Sicht entscheidende Wegmarke: Einst sollte Hermann Nitsch auf Empfehlung einer Jury den Kulturpreis Niederösterreich erhalten. „Das hat aber nicht stattgefunden“, so Rössl. Offenbar war die Zeit damals noch nicht reif dafür. Doch immerhin war diese verhinderte Preisverleihung „ein innovativer Anstoß, in der Minoritenkirche eine Nitsch-Ausstellung auszurichten.“ Während sich die FPÖ darüber ereiferte, stellten sich die anderen Parteien geschlossen hinter die Ausstellung, so Rössl. „Das war kulturpolitisch und atmosphärisch wichtig.“
Den Architekturwettbewerb zum Umbau der Tabakfabrik gewann Adolf Krischanitz. Er erntete mit allerorten Lob. Es sei „ein spannungsgeladenes Gebäude gelungen, dessen Dynamik sich durch die Konvergenz zwischen Alt und Neu erschließt“, schrieb die Neue Zürcher Zeitung. „Die Architektur drängt sich der Kunst nicht auf. Es ist eine avancierte, selbstbewusste Form von Understatement, die hier mitschwingt.“ Das deutsche Branchenmagazin „Kunstforum international“ war begeistert von der Erschließung des bis dahin „eher vernachlässigten Kremser Stadtteils Stein“ und notierte: „Die mittelalterliche städtische ‚Landschaft‘ und das Donauufer wurden als Bezugsfelder von Kunst und als identitätsbildend für die Kunsthalle definiert.“ In den vergangenen 30 Jahren erhielt die Kunsthalle Zuwachs und formierte sich mit Karikaturmuseum Krems, Landesgalerie Niederösterreich, Forum Frohner und der ehemaligen Eybl-Fabrik, in der sich heute u. a. die Artothek Niederösterreich, Atelierräume für die Kunstvermittlung und Künstler*innenwohnungen des internationalen Austauschprogramms AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich befinden, zur Kunstmeile Krems.

Wasser und Wein
Die erste Ausstellung in der neuen Kunsthalle hieß „Wasser und Wein. Zwei Dinge des Lebens. Aus der Sicht der Kunst von der Antike bis heute“. Kuratiert hatte sie der frühere Gründer des Museum moderner Kunst in Wien, Werner Hofmann. „Die Kunsthallenkonzeption“, schrieb er damals im Katalog, „setzt trotz analytischer Basis auf Synthese, auf Interaktion und Zusammenhänge, nicht auf Konstrukte und Theorien, sondern auf das mit den Sinnen Erfahrbare“. Mit Blick auf die Ausstellungen in der Kunsthalle Krems scheint dies heute, nach 30 Jahren Kunsthalle Krems, weiterhin gültig zu sein.
Nina Schedlmayer
2 Antworten
Ich erinnere mich an all das noch sehr gut, Wolfgang Denk war gut vernetzt und auf seine Weise genial. Die Nitsch Ausstellung in der Kirche, Wasser und Wein … alles sehr schön. Auch die weitere Entwicklung der Kunsthalle/Kunstmeile, alles sehr schön …
Liebe Grüße an Dr. Rössl!
Sehr geehrte Frau Grühbaum,
vielen Dank für Ihren Kommentar, dem ich nur zustimmen kann. Die Grüße an Dr. Rössl richte ich gerne bei Gelegenheit aus.
Herzliche Grüße,
Nina Schedlmayer