Ernährungshorizont erweitern und Mikrobiom stärken

Victor F. Zevallos erforscht den Zusammenhang von Ernährung und Immunologie. Es gibt Hinweise darauf, dass man den Körper auch bei schwerwiegenden Erkrankungen unterstützen kann, indem man bestimmte Lebensmittel weglässt. Für gesunde Menschen empfiehlt er, nicht immer dasselbe zu essen.
By

Auch wenn die Vorstellung nicht allen behagt: Das Mikrobiom ist in aller Munde. Mikrobiom heißt die Gesamtheit aller Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze und andere Mikroben), die in und auf dem menschlichen Körper leben. Auf der Haut ebenso wie im Inneren von Mund, Lunge und Darm. Der menschliche Organismus arbeitet sehr eng und gut mit dem Mikrobiom zusammen, und z.B.die Verdauung und die Versorgung mit bestimmten Nährstoffen wären ohne diese Flora gar nicht möglich.

Eine gesunde Balance aus Abwehr und Pflege

In pandemiegeplagten Zeiten und im Dauerfeuer von Werbungen, die 99,9 Prozent Bazillenfreiheit versprechen, plädiert Ernährungsimmunologe Victor F. Zevallos für eine Doppel-Botschaft: „Wir können nicht keimfrei leben. Im Sinne der öffentlichen Gesundheit müssen wir Pathogene (Anm.:Krankheitserreger) kontrollieren. Im Körper brauchen wir eine Balance, sodass mikrobielle Wohltäterinnen die Bösewichte in Schach halten können.“

Ernährungsimmunologe Victor F. Zevallos, Leiter des Fachbereichs Ernährungswissenschaften an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften.
Ernährungsimmunologe Victor F. Zevallos empfiehlt, generell darauf zu achten, wie ein Lebensmittel erzeugt wurde, wo und wie es gewachsen ist und wie stark es verarbeitet wurde. 

Der Leiter des Fachbereichs Ernährungswissenschaften an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften erforscht den Zusammenhang von Mikrobiom und Immunologie. Das individuelle Mikrobiom verändert sich z.B. durch den Ernährungsstil, Krankheiten, Entzündungsprozesse, Stress und so fort. Für Allergiker*innen ist der Konnex sonnenklar. Wer gegen Erdnüsse allergisch ist, sollte sie nicht essen, da das Immunsystem sonst überreagiert. Ein anderes Beispiel ist Zöliakie. Hier reagiert das Immunsystem auf Gluten, ein Eiweiß, das in Weizen, Roggen, Gerste und verwandten Getreidesorten vorkommt. Dieses kann nicht vollständig aufgespalten werden. Kleine Bruchstücke (Peptide) interagieren mit Immunzellen im Dünndarm, die eine Entzündungsreaktion auslösen, die zu Schleimhautschäden, der schlechteren Aufnahme von Nährstoffen und gastrointestinalen Symptomen führt. Die wirksamste Behandlung besteht im strikten Verzicht auf Gluten in der Nahrung, erklärt Zevallos. Bei anderen Autoimmunerkrankungen sind die Ursachen unbekannt, und es können nur Symptome gelindert werden. In einer Reihe von präklinischen Versuchen hat der Forscher nun jedoch einen starken Hinweis darauf gefunden, dass die richtige Diät auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Multipler Sklerose (MS) einen unterstützenden Effekt haben kann.

Eine passende Diät für neurodegenerative Erkrankungen?

Um das zu simulieren, arbeitete sein Labor mit einem Mausmodell, das die Hauptsymptome der Multiplen Sklerose rekapituliert. Wurden diese Mäuse mit sogenannten Amylase Trypsin Inhibitoren (ATI) gefüttert, typischen Proteinen aus Weizen, entwickelte sich eine Entzündung im Darm, die die Entzündung in den Nervenzellen zusätzlich befeuerte. Es könnte also sein, dass – abgesehen von spezifischen Medikamenten – neurodegenerative Erkrankungen wie MS durch eine weizenfreie Ernährung besser gemanagt werden könnten: „Es ist ein recht neuer Forschungszweig. Die generelle Empfehlung für diese Patient*innen lautet, eine gesunde Diät zu halten, die aber nicht näher definiert wird. Daher planen wir klinische Studien mit Patient*innen, die an Autoimmunerkrankungen leiden. So wollen wir die Rolle einer definierten Ernährung als unterstützende Behandlungsoption besser verstehen.”

Es kommt aufs „Was“ und „Wie“ an

Der Ernährungsimmunologe empfiehlt generell darauf zu achten, wie ein Lebensmittel erzeugt wurde, wo und wie es gewachsen ist und wie stark es verarbeitet wurde. Überspitzt formuliert: Wenn wir beim Kauf von Lebensmitteln schlechter Qualität Geld sparen, kann es sein, dass wir es an anderer Stelle wieder für unsere Gesundheit ausgeben müssen. „In der gesunden Bevölkerung vertragen die meisten ihre Ernährung gut. Aber es gibt sehr wohl Unterschiede, wem was besonders guttut“. Die Ernährungspyramide ist jedenfalls ein guter Orientierungspunkt.

Die aktuelle Österreichische Ernährungspyramide mit Fisch und Fleisch. Eine vegetarische Variante ist ebenfalls auf der Seite des Ministeriums abrufbar. Foto: BMSGPK, Quelle: Bundesministerium, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Was der Forscher zudem empfiehlt, ist Vielfalt. „Es ist gar nicht so leicht sich abwechslungsreich und vielfältig zu ernähren, weil wir Gewohnheitstiere sind. Nur weil man immer das gleiche isst, bedeutet das nicht, dass es auch das richtige und wohltuende ist. Wir haben so viel Auswahl und tun gut daran, sie zu erforschen.“

Quinoa am Feld
Da nicht klar ist, wie nachhaltig uns Grundnahrungsmittel künftig zur Verfügung stehen, bringt Zevallos das trockenheitsresistente Getreide Quinoa als Beispiel für eine mögliche Erweiterung ins Spiel.

Das gilt auch in Hinblick auf die Ernährungssicherheit. Denn wir sind im Wesentlichen abhängig von wenigen Grundnahrungsmitteln, von denen nicht klar ist, wie nachhaltig sie künftig zur Verfügung stehen. Als Beispiel für eine mögliche Erweiterung bringt er das trockenheitsresistente Getreide Quinoa ins Spiel. Befragt nach seinem eigenen Lieblingsessen verrät der Ernährungsspezialist ask – art & science krems weder Treats noch Cheats: „Was auch immer Sie essen: Es ist nicht die Mechanik, die Wohlbefinden und Freude auslöst. Es ist die Zeit und Leidenschaft, die in die Zubereitung fließen, wieviel Zeit wir uns zum Genießen nehmen und in welcher Gesellschaft wir dabei sind.“

Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Den Menschen gesamthaft begreifen

Den Menschen gesamthaft begreifen

Im Studium an der Danube Private University liegt der Fokus…
Fraisenkette, Breverl und Skapulier

Fraisenkette, Breverl und Skapulier

Das museumkrems zeigt eine kleine, feine Ausstellung über religiöse Praktiken.…
Aus dem Konzern in die Ausbildung

Aus dem Konzern in die Ausbildung

Deepak Dhungana leitet das Institut für Digitalisierung und hat vor…

Tags

Victor F. Zevallos forscht zu den Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Immunsystem und dem menschlichen Mikrobiom. Er promovierte am King’s College London, sammelte umfangreiche Erfahrungen an verschiedenen Forschungsinstituten in Europa und Nordamerika. Neben seiner akademischen Laufbahn ist er Absolvent und aktives Mitglied der Nutrition Society in England und des European Nutrition Leadership Platform (ENLP) Netzwerks. Seit Oktober 2024 hat er an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften eine Stiftungsprofessur für Ernährungswissenschaften unter besonderer Berücksichtigung des Mikrobioms inne (unterstützt durch das Medical Health Resort MAYRLIFE).

Gratis-Abo
ONLINE-MAGAZIN PER MAIL

Art and Science Krems 2 mal im Monat