Gesponnen ist die Vielfalt unserer Ökosysteme an Land und im Wasser aus einem Netz verschiedener Organismen, die aufeinander angewiesen sind und wir auf sie. Darunter pflanzliche Organismen in allen Größen, niedliche, flauschige Vierbeiner, Vögel, Fische, Pilze, Weichtiere aber auch unscheinbare bis „furchteinflößende“ Sechs- und Achtbeiner. Die alarmierenden Meldungen nehmen zu: Lebensraumverlust, Verschmutzung, Übernutzung, Klimawandel und invasive Arten sind auf dem Vormarsch, die Rote Liste bedrohter Arten wird immer länger – die aktuelle Situation wird bereits als 6. Massensterben in der Erdgeschichte bezeichnet. Daran könnten und sollten wir öfter denken, wenn ein Supermarkt samt Parkplatz auf fruchtbares Ackerland betoniert wird, noch mehr Straßen Lebensräume durchschneiden, wenn wir Laubhaufen wegsaugen, Tümpel trockenlegen, Heckenstreifen umnieten und die Nacht künstlich erhellen. Der WWF Living Planet Report 2024 hält fest, dass die weltweit untersuchten Bestände von Wirbeltieren seit 1970 im Schnitt um 73 % gesunken sind. Immer öfter ist von kostenlosen Ökosystemleistungen die Rede, die vielleicht nicht mehr erbracht werden können. Dazu gehören etwa Bestäubung und Ernährung, fruchtbare Böden, sauberes Trinkwasser, aber auch Lawinenschutz und Wasserregulierung. Beim Erhalt EU-weit geschützter Arten belegt Österreich den traurigen vorletzten Platz. Und gleich 80 % der EU-weit geschützten Arten und Lebensräume befinden sich aktuell in einem unzureichenden Zustand.
Krems als Biodiversitäts-Hub
Im Gleichschritt mit der zunehmend kritischen Lage hat sich auch die Fachwelt stärker vernetzt und koordiniert. Die Schnittstelle der Wissenschaft zu Politik und Gesellschaft wurde interdisziplinär vernetzt und professionalisiert. 2017 wurde der Biodiversitäts-Hub Österreich (Gesamtkoordinatorin: Yvona Asbäck) an der Universität für Weiterbildung Krems eingerichtet. Dort ist etwa das Netzwerk Biodiversität Österreich verankert, eine offene Gemeinschaft mit Teilnehmer:innen aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, NGOs und Zivilgesellschaft. Gemeinsames Ziel ist die Stärkung der Biodiversität und deren Ökosystemleistungen in Österreich. Auch der Österreichische Biodiversitätsrat wird in Krems fachlich und inhaltlich koordiniert. Christian Lettner ist Teil jenes Teams, das die Erforschung der Biodiversität in Österreich sichtbarer machen – und gleichzeitig rasch wirksame Maßnahmen kommunizieren – will. Wichtig ist ihm dabei, dass ein divers zusammengesetztes Gremium wie der Biodiversitätsrat mit einer verständlichen Stimme spricht.
Basierend auf den Kernforderungen zum Schutz der Biodiversität wird vom Biodiversitätsrat jährlich auch ein Barometer der Biodiversitätspolitik in Österreich als Expert:inneneinschätzung erstellt. Dieses wird bei den Tagen der Biodiversität im Februar 2025 präsentiert. Ebenfalls in Krems wird der Biodiversitäts-Atlas Österreich technisch weiterentwickelt (Programmierung: Georg Neubauer), in den 19 Partnerinstitutionen ihre Daten einspeisen. Jeder und jede kann kann darin beispielsweise Daten in der Umgebung einsehen. Wie ist es um die Biodiversität in meiner Nachbarschaft bestellt? Welche artenreichen Lebensräume sind in Reichweite? Welche sind besonders schützenswert? Aber da geht noch mehr. Durch die Beteiligung an Projekten, kann jede*r von uns Biodiversität fördern oder verteidigen. Klingt pathetisch, ist aber ganz praxisnah. Es geht ums Schwarmwissen, um Datenerhebung und praktischen Naturschutz. Der Winter ist in Österreich eine Ruhephase der Natur, doch sobald die Nächte frostfrei sind und die Sonne länger scheint, fangen Amphibien zu wandern an und wärmen sich Reptilien in der Sonne.
Refugien und Datensammlung
Ziel des laufenden Projekts „BIOM-Garten“ ist die wissenschaftliche Erfassung von Privatgärten, die als wichtige Refugien für diese bedrohten Tiergruppen wirksam werden. Einfach Bilder von interessanten Begegnungen im Garten auf der Meldeplattform https://artenzaehlen.at/ hochladen und den Artenschutz in Österreich unterstützen. Von 25. bis 28. April 2025 findet in der Region Krems-Wachau-Melk die weltweite City Nature Challenge 2025 statt. An vier Tagen können sich Morgenmenschen und Nachtschwärmer einbringen, also möglichst naturschonend ausschwärmen und bildliche oder akustische Eindrücke auf der iNaturalist-App hochladen. Im Mai werden die Einsendungen von einer Fachcommunity ausgewertet und als wichtige Datenquelle eingespeist. Das ist doch besser als den Kopf zu schütteln und in den Sand zu stecken.
Astrid Kuffner
Eine Antwort
Dass die Biodiversitätsforschung in Krems koordiniert wird, ist sehr erfreulich.
Die Forschungsgemeinschaft „Lanius“ fördert in der Wachau und im Mostviertel Biodiversität, z.B. durch konkrete, meist halbtägige Pflegeeinsätze. Jede:r kann mitmachen. https://lanius.at/Wordpress/veranstaltungsprogramm/ – zu finden unter „Biotopeinsätze“.