Ein bisschen überraschend kam der große Erfolg dann vielleicht doch. Als die Stadt Krems im Anfang dieses Jahres einen neuen Kunstpreis ausschrieb – sein korrekter Name lautet: paper unlimited. Erich Grabner Preis für künstlerische Grafik der Stadt Krems – war kaum absehbar, wie viele Einreichungen letztlich eintrudeln würden. Am Ende waren es rund 450 Portfolios, mit denen sich Künstler*innen dafür bewarben – ein Zeichen dafür, dass die Ausschreibung die richtigen Kanäle erreicht hatte.
Einzigartiger Überblick
Eine erste Auswahl, 70 Positionen, kann das Publikum seit kurzem im museumkrems besichtigen. „Wir haben hier einen einzigartigen Überblick über die grafischen Künste der Gegenwart in Österreich“, sagt Gregor Kremser, der als Leiter des Kulturamts der Stadt Krems für den Wettbewerb zuständig ist. Tatsächlich offenbart sich hier die ganze Bandbreite dieses Mediums: Naturansichten, Landschaften, Darstellungen von Mensch und Körper, Abstraktes, Technologisches, alles ist hier zu finden. Auch etablierte und jüngere Positionen sind in der Ausstellung vereint – Iris Andraschek, Alfredo Barsuglia, Michael Höpfner, Klaus Mosettig und Andreas Werner begegnen weniger bekannten Namen wie Manuel Tozzi, Eva Yurková und Wiebke Kapitzky. Eine Collage von Michaela Hoffmann-Göttlicher, eine installative Arbeit von Julia Hohenwarter, surreale Darstellungen von Lebewesen von Stefan Zsaitsits, die jenen von Christoph Luser gegenüberstehen: Die Ausstellung zeigt, welche unterschiedlichen Facetten Künstler*innen dem Papier abgewinnen. Was die Hängung betrifft, so gab es zunächst auch andere Überlegungen, wie Gregor Kremser erzählt. Die ursprüngliche Idee, die Werke nach Datum ihres Eintreffens zu arrangieren, verwarfen wir bald wieder – und entschieden uns für eine andere Vorgehensweise: „Wir – Anna Mustapic, Doris Krammer und ich – haben versucht, assoziativ zu arbeiten, die Werke in einen Dialog zu bringen oder zu verdichten, zu schauen, wie passen sie zueinander.“
Hochkarätige Jury
Insgesamt 14.500 Euro, aufgeteilt auf fünf Preise, werden vergeben – gestiftet nicht nur von der Stadt Krems, sondern auch vom Land Niederösterreich, dem Rotary Club Krems-Wachau, den Freunden der Familie Grabner und dem Stift Göttweig. Wer welchen Preis erhält, darüber entscheidet eine hochkarätige Jury. An dem Wettbewerb konnten alle Künstler*innen teilnehmen, die aktuell in Österreich wohnen, mit Werken, die ab 2022 entstanden sind und eine Größe von ein mal ein Meter nicht überschreiten. Zunächst wählte die Jury online 70 Positionen aus, mit Hilfe eines eigenen Tools. Diese Arbeiten sind nun in der Ausstellung zu sehen. Das Expert*innengremium wählte daraus bereits vier Preisträger*innen aus – um welche Künstler*innen es sich dabei handelt, wird noch nicht verraten. Nur so viel: „Es ist gut, dass die Jury ihre Endauswahl vor den Originalen trifft. Online wirken Arbeiten oft anders als im Original.“
Publikumsvoting
Über einen Preis muss jedoch erst entschieden werden. Das ist eine Besonderheit des Erich Grabner Preises: der Publikumspreis. Alle Besucher*innen sind eingeladen, mitzustimmen – mittels Abstimmungsbögen, die beim Eingang aufliegen, explizit nicht online: Schließlich sollen, analog zur Jury, alle, die abstimmen, die Originale gesehen haben. Der oder die Gewinner*in des Publikumspreises erhält neben dem Betrag von 2.500 Euro einen vierwöchigen Artist-in-Residence-Aufenthalt in Krems – und jenen, die mitstimmen, winken Preise, etwa eine Übernachtung im beliebten Steigenberger Hotel.
Diesen Preis stiften Freunde der Familie des Namensgebers, Erich Grabner. Der 2022 verstorbene ehemalige Bürgermeister von Krems hat bis heute einen exzellenten Ruf. „Erich Grabner war ein großer Kunstliebhaber und -förderer, auch ein Gründungsvater der Kunsthalle. Er konnte Menschen für die Kunst begeistern“, erinnert sich Gregor Kremser. „Oft werden Straßen oder Plätze nach ehemaligen Bürgermeistern benannt; wir fanden es aber schön, dass Erich Grabner in einem Förderpreis weiterlebt.“ Der Gemeinderat schloss sich dieser Ansicht an und stimmte einstimmig für den Grafikpreis, der biennal vergeben werden soll. Der Preis, den die Stadt Krems stiftet, ist übrigens nicht nur mit einem Ankauf verbunden, sondern auch mit einer Einzelausstellung 2025 in der galeriekrems – ask – art & science krems wird berichten.
Sammlungstradition
Die Grafik hat eine gewisse Tradition in den Sammlungen der Stadt. Diese verfügt über einen großen Bestand an Zeichnungen und Skizzen des Barockmalers Martin Johann Schmidt, dem sogenannten Kremser Schmidt – die der Künstler Thomas Wagensommerer im Vorjahr mit KI kreuzte –, auch vieles von Wachaumalern aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ein anderer Schwerpunkt der Grafiksammlung liegt auf den 1970er-Jahren: Damals hielt die Stadt, wie heute, bereits Grafikwettbewerbe ab. Einen Einblick in die stadteigenen Werke auf Papier bot vor kurzem die Ausstellung „offline_online. Arbeiten mit und ohne Papier“ – in denselben Räumen, in denen jetzt „paper unlimited“ zeigt, wie Künstler*innen in Österreich dem traditionsbehafteten Medium neue Facetten abgewinnen.
Nina Schedlmayer