„Unsere Aufgabe ist es, Fakten und fundierte Analysen zu liefern, und diese verständlich und nachvollziehbar zu kommunizieren“, beschreibt er die Ausrichtung des von ihm geleiteten „Department für Migration und Globalisierung“. Dafür ist es entscheidend, die richtigen Fragen zu stellen sowie das Forschungsdesign und Erhebungsregionen sorgfältig zu wählen.
Mathias Czaika ist Ökonom und Leiter des Department für Migration und Globalisierung und betont: „Wer zu Migration forscht, braucht eine interdisziplinäre und methodische Offenheit, auch um die Forschung von anderen nachvollziehen und ihre Qualität einschätzen zu können.“
Denn Migration in und nach Europa kann nicht allein aus einer europäischen Perspektive erforscht werden, will man ein umfassendes Verständnis über die Ursachen und relevanten Faktoren entwickeln. Des Weiteren ist es zentral, dass sich ein breites Spektrum an Disziplinen mit diesem Querschnittsthema auseinanderzusetzt und entsprechend ergänzt. Czaika selbst ist Ökonom und betont: „Wer zu Migration forscht, braucht eine interdisziplinäre und methodische Offenheit, auch um die Forschung von anderen nachvollziehen und ihre Qualität einschätzen zu können.“ So setzt sich das „Department für Migration und Globalisierung“ in Krems aus Absolvent*innen unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen, von Soziologie und Politikwissenschaft über Geschichte bis hin zur Mathematik. Um ein umfassendes Bild der Migration zu zeichnen, müssen unterschiedliche Datenquellen und methodische Ansätze genutzt werden, da viele Faktoren in die Migrationsentscheidungen und -verläufe einfließen. So werden etwa vermehrt auch Mobilfunkdaten analysiert und Bewegungsprofile erstellt, um zu ermitteln, woher Flüchtende Informationen erhalten und welche Routen und unterstützende Akteur*innen sie kennen. Es werden Zensusdaten und Statistiken ausgewertet, Befragungen in Registrierungszentren und Flüchtlingslagern durchgeführt oder auch ländervergleichende Policy-Analysen erstellt. Die Methodenvielfalt überrascht nicht angesichts des Themenspektrums, das in den Projekten des Departments abgedeckt wird: Neben den Ursachen und Verläufen von Wanderungsbewegungen werden etwa die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die Migration und Integration erforscht.
Als ein Beispiel für unbeabsichtigte Folgen nennt Czaika die Maßnahmen zur Eindämmung der Einwanderung in den 1970er-Jahren. In den beiden Jahrzehnten zuvor wurden durch bilaterale Abkommen und Gastarbeiter-Programmen Arbeitskräfte in großer Zahl angeworben, die durchschnittlich ein paar wenige Jahre im Land blieben. Als im Zuge der ersten Ölkrise der Zuzug fast völlig eingeschränkt wurde, entschieden sich viele Migranten dazu, dauerhaft hier zu bleiben. Dieses historische Beispiel zeigt, dass politische Entscheidungsträger*innen reguläre Zugangswege schaffen müssen, die Anreize zur Rückkehr und Zirkulation bieten, wenn sie wollen, dass Menschen sich nicht langfristig ansiedeln, sondern nur als temporäre Arbeitskräfte kommen.
Mit vereinten Kräften
Ein Großteil der jährlichen Projektkosten werden durch Drittmittel finanziert, wovon wiederum ein beträchtlicher Anteil aus nationalen Projektförderungen und erfolgreichen Einreichungen auf EU-Ebene stammt. Ein aktuelles Projekt, „Measuring Irregular Migration“, wird derzeit unter Leitung des Kremser Departments für Migration und Globalisierung gemeinsam mit 17 europäischen Forschungseinrichtungen durchgeführt, um zuverlässigere Methoden zur Messung der irregulären Migration zu entwickeln. Dabei ist es auch wichtig, die Vergleichbarkeit der nationalen Datenbestände einer Prüfung zu unterziehen, da sich die jeweiligen Rechtsgrundlagen zur irregulären Einwanderung von Land zu Land unterscheiden.
Czaika betont die Notwendigkeit, auch außereuropäische Perspektiven und Erfahrungen in die Forschung zu integrieren. Ein Beispiel dafür ist das aktuelle EU-Projekt „Aligning Migration Management and the Migration-Development Nexus“, an dem 20 internationale Partnerorganisationen in Europa, Afrika und Asien beteiligt sind. In diesem Rahmen werden Haushaltsbefragungen in zehn afrikanischen und asiatischen Ländern zu Themen wie Lebensqualität, Neigung zur Abwanderung und Rückkehrprozessen durchgeführt.
Das sind Themen, die sich auch im Lehrangebot der Universität Krems widerspiegeln, das laufend an den Bedarf angepasst wird und sich an unterschiedliche Zielgruppen richtet. So wurde dieses Frühjahr erstmals das kompakte Weiterbildungsprogramm „Onboarding und Recruiting internationaler Arbeitskräfte“ in Zusammenarbeit mit der „Austrian Business Agency“ abgehalten. Gemeinsam mit deutschen Forschungsinstituten wiederum wird das aus EU-Mitteln finanzierte Certificate Program „Circular and Return Migration“ entwickelt, das sich der komplexen Thematik der Rückkehr von Migrant*innen und Geflüchteten in deren Herkunftsländer widmet.
Damit Migrationsforschung auch abseits akademischer Zirkeln und Hörsälen Verbreitung findet, organisiert das Department regelmäßig Online-Vorträge mit internationalen Gastvortragenden. Und speziell für die Zielgruppe der Schüler*innen wurden im Rahmen eines kürzlich abgeschlossenen Projekts multi-mediale Unterrichtsmodule gestaltet, die wissenschaftliche Erkenntnisse zu Migration ins Klassenzimmer bringen. Das im Dialog mit Lehrer*innen, Schüler*innen und Migrant*innen entwickelte Material beleuchtet unterschiedliche Aspekte von Migration und steht nun in sechs Sprachen kostenlos zur Verfügung. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, von diesem und den derzeit 18 laufenden Projekten des Departments, schaut am besten auf der Department-Website vorbei oder abonniert den quartalsweise erscheinenden Newsletter.
Astrid Kuffner