Im Rahmen der Fachkonferenz CACE über die akademische Weiterbildung empfahl die britische KI-Expertin Philippa Hardman 2023 den beteiligten Institutionen in Hinblick auf Künstliche Intelligenz (KI) sinngemäß ein beherztes Vorgehen – mit einem integrativen Ansatz für KI in der Lehre, statt besorgtem Stirnrunzeln.
Die Universität für Weiterbildung Krems hat 2024 ihren Transformationsprozess zur Bologna-Struktur und das Reformpaket zur hochschulischen Weiterbildung abgeschlossen. Darin wurden auch Weichen dafür gestellt, dass und wie Studierende künftig von KI unterstützt werden „Wir haben in unseren Programmen die bewährten Lehrinhalte in Modulform gestaltet, sodass sie künftig in unterschiedlichen Programmen eingesetzt werden können. Das ist eine Grundvoraussetzung, damit Module und kürzere Studienprogramme künftig im Sinne von individualisierten Studienprogrammen durch KI-Systeme unterstützt bzw. vorgeschlagen werden können“, erklärt Peter Parycek, Vizerektor für Lehre, wissenschaftliche Weiterbildung und digitale Transformation (CDO).
Im Wintersemester 2024 wird es noch nicht so weit sein, aber Weiterbildungsanbieter und Lernplattformen tüfteln auf der ganzen Welt bereits intensiv an Learning Analytics Tools und an individualisierten Studien. Peter Parycek skizziert absehbare Möglichkeiten: „Was KI gut kann, sind datenbasierte Auswertungen von individuellen Leistungen, die in ein persönliches Stärken- und Schwächen-Profil münden. Abhängig vom eigenen Lernziel, wie das Aufbauen neuer Kompetenzen oder Stärken zu stärken, sucht dann ein digitaler Lernberatungs-Avatar passende Inhalte im reichhaltigen Angebot aus. Denn auch diese Fülle kann KI besser überblicken als ein Mensch.“
Das Kuratieren von Inhalten ist sicher eine Zukunftsaufgabe, man denke nur an das täglich wachsende digitale Lehrangebot von Coursera bis YouTube, die inzwischen vielleicht größte Lernplattform. Der Vizerektor betont, dass die Universität für Weiterbildung Krems sicher nicht zur anonymen Fern-Uni wird, sondern ihre Stärken auch mit individualisierter Lernumgebung im gut abgestimmten Zusammenspiel von menschlichen Studienberater*innen und maschineller Vorsortierung, Präsenzphasen und Distanzlernen ausspielen will.
Das mächtige Werkzeug im Auge behalten
Generative KI, die seit 2023 breit verfügbar ist, bleibt ein Expert*innensystem und Peter Parycek plädiert für einen realistischen Blick auf das mächtige Werkzeug für Wissensarbeiter*innen: „Die Situation momentan ist trügerisch: ChatGPT und Co. müssen letztlich Fachleute bedienen, die etwas von der Materie verstehen. Nur sie können daher Antworten auch bewerten, ob ein Ergebnis korrekt oder von der Maschine erfunden ist. Momentan reden wir von 70 Prozent Faktizitätsrate – das ist nicht nichts, aber nicht für jeden Bereich genug.“
Beim Benutzen, Bedienen und Beurteilen können wir uns also nicht zurücklehnen. Die generative Texterstellung ist wie der Taschenrechner für Mathematik ein nicht verzichtbares Werkzeug für Recherche, Textverfassung und -verbesserung. Die Lernenden in Krems sollen dabei unterstützt werden, einen bewertenden, hinterfragenden und verantwortungsvollen Umgang mit diesem Werkzeug zu entwickeln.
Fähigkeiten für die Zukunft
KI in der Weiterbildung zu integrieren, bedeutet auch vermehrt auf prozess- und projektorientierte Arbeiten zu setzen. Die Studierenden sollen zukunftsgerichtete Fähigkeiten mit hoher Praxisrelevanz entwickeln. Dazu zählt der Chief Digital Officer der Universität für Weiterbildung Krems die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und in verschiedene Disziplinen reinzuschauen: „Das ist wichtig für die Art, wie wir heute arbeiten. In den meisten Positionen und bei der Analyse komplexer Problemstellungen müssen wir viele Perspektiven einnehmen und miteinander darüber kommunizieren, um letztlich zu einer Lösung zu kommen.“
Wie stellt nun die Universität sicher, dass jede*r Studierende letztlich die für ihn/sie wichtigen Fähigkeiten und Einsatzgebiete für KI überblickt? „Wir sind in der glücklichen Lage, jede Lehrveranstaltung zu evaluieren. Unsere Studierenden stehen mitten im Leben mit Praxisüberblick. Wenn da etwas nicht zusammenpassen würde, nähmen wir das unmittelbar im Dialog mit unseren Studierenden wahr“, so Parycek. Für die internen und externen Lehrbeauftragten wird laufend KI-Weiterbildung angeboten. Auch hier ist der Vizerektor unbesorgt: „Ich bin zutiefst überzeugt, dass unsere praxisnahen Vortragenden sehen, wie KI ihr eigenes Arbeitsumfeld verändert und sie ständig darüber nachdenken, wie sie das in die Lehre einbringen können.“
Was kommt und was bleibt
Bei der zeitnahen Umsetzung der Möglichkeiten für Learning Analytics vertraut die Universität auf integrierte Entwicklungen ausgewählter Lernplattform, mit der bereits jetzt Distance- und Blended Learning umgesetzt werden. Bei aller Unterstützung und Individualisierung bleibt dennoch jede akademische Weiterbildung neben dem Berufsalltag herausfordernd. Mit einem kleinen Augenzwinkern gibt Peter Parycek künftigen Studierenden folgenden Gedanken mit: „Im Bachelor wird man nicht daran vorbeikommen die Basis für künftiges Expert*innenwissen zu legen, sich Inhalte anzueignen, zu lernen – auch ohne technische Hilfsmittel –, um etwas zu verinnerlichen und den passenden Orientierungsraster aufzubauen. Im Master geht es um die Anwendung auch mit technischer Unterstützung. Auch hier wird ein Lösungskonzept vermutlich nicht en bloc aus ChatGPT kommen, sondern im klugen Zusammenspiel von Mensch mit Maschine.“
Astrid Kuffner