Fraisenkette, Breverl und Skapulier: Diese exotischen Namen tragen die kleinen Gegenstände in der „geistlichen Hausapotheke“, die derzeit im museumkrems ausgestellt ist. „Wie im Himmel, so auf Erden. Wie auf Erden, so im Himmel?“ heißt die aktuelle Ausstellung. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit und bietet, so der Untertitel, einen „Rundgang durch religiöse Praktiken in 7 Stationen“. Man kann sich kaum sattsehen an den aus heutiger Sicht schrägen Exponaten, die unter dem Aspekt der Magie hier versammelt sind. Die Fraisenkette übrigens ist ein Schutzamulett, das Breverl ein kleines Papierstück, das man mit sich tragen konnte, und das Skapulier ein Überwurf über eine Ordenstracht – in diesem Fall, praktisch zum Mitnehmen, im Miniaturformat.

Wie religiöse Praktiken funktionieren
Bei einem Ausstellungsrundgang mit ask – art & science krems erzählen die Kuratoren, der Literatur- und Theaterwissenschaftler Matthias Däumer sowie der Archäologe Thomas Kühtreiber, von den Hintergründen des Projekts. „Schon vor einigen Jahren fragte uns das museumkrems nach einer Sonderausstellung zum Thema Religionen“, sagt Kühtreiber. „Die Sammlungen des Museums sind katholisch geprägt. Daher stellte sich die Frage, wie wir damit umgehen sollen, dass andere Religionen kaum vorhanden sind. So kamen wir zur Überlegung, anhand der Objekte zu erzählen, wie Religiosität funktioniert – und zwar exemplarisch, aber nicht enzyklopädisch.“ Sein Kollege Däumer ergänzt: „Der nächste Schritt war, ins Abstrakte zu gehen: Kapitel zu finden. Diese gehen von je einem Herzelement aus, von dem aus wir weiterdachten.“
Während der Archäologe Kühtreiber eine „stärkere Dingfixierung“ habe, gehe der Literaturwissenschaftler „mehr vom Begriff“ aus: So jedenfalls schildern sie selbst ihre Zusammenarbeit. Man könne annehmen, aufgrund der Immaterialität der Transzendenz benötigten Religionen gar keine Dinge, so Kühtreiber. Die historische Evidenz jedoch zeige Gegenteiliges: „Tatsächlich sind alle Religionen überladen mit Material aller Art. So erweitert sich die Religiosität ins Profane.“

Bewegende Dingwelten
In sieben Stationen beleuchtet die Ausstellung nun diese Dingwelten: Bei der Station „Bewegung“ können Besucher*innen etwa eine Rolle mit der alttestamentarischen Joseph-Geschichte drehen. Unter „Normen“ steht ein spätgotisches Kalender-Triptychon aus der Zeit um 1480 der Foto-Dokumentation des Sechstagespiels von Hermann Nitsch gegenüber. Ebenso findet sich hier die Super-8-Amateuraufnahme einer Fronleichnamsprozession aus den 1960er-Jahren: Der Pfarrer im prachtvollen Ornat schreitet voran, dahinter, streng voneinander getrennt, Männer und Frauen, Buben und Mädchen, wobei die weiblichen Personen stets hinter den männlichen gehen. Bei „Corpus. Schönheit formen“ stehen Heiligenstatuen – Sebastian und Georg – einer Plastik der Bildhauerin Karin Frank gegenüber: Auch zeitgenössische Kunst fand Eingang.

Mathematische Logik
Wie gelang es überhaupt, die passenden Exponate für die jeweiligen religiösen Praktiken zu finden? Bei der zeitgenössischen Kunst unterstützte Kulturamtsleiter Gregor Kremser die beiden Kuratoren, in den anderen Bereichen Sammlungsleiterin Sabine Laz. „Wir haben mit viel Spaß gearbeitet. Gemeinsam mit Sabine Laz entdeckten wir immer neue und überraschende Gegenstände und bemerkten, wie ergiebig unser Thema ist“, so Matthias Däumer. Zu entdecken gibt es vieles: nervenzerfetzende Passionsbilder, bei denen Zungen durchbohrt werden. Eine Amateuraufnahme von Sternsinger*innen, die Matthias Däumer mit einer Aufnahme von Karlheinz Stockhausens „Gesang der Jünglinge im Feuerofen“ kombinierte. Eine Weinberggeiß, ein Verlöbnisbild der Stadt Stein, einen Amor – sowie Alben mit Fußballerfotos, die eine quasireligiöse Sammelwut belegen. „In den religiösen Praktiken spielt Serialität eine wichtige Rolle“, erklärt Thomas Kühtreiber. „Je mehr ich bete, desto mehr Sünden werden vergeben. Die Wiederholung ist ein meditatives Eintauchen, aber auch ein Ablass. Dahinter steckt eine mathematische Logik, die sich in einer Offenheit für Multiples äußert.“

Die Ausstellung überfordert nicht, sondern schickt ihr Publikum auf eine Spürjagd nach religiösen Praktiken. „Es ist ein sehr aktives Publikum gefragt, denn überall sind kleine Bezüge, auch zwischen den Stationen, zu entdecken“, meint Däumer. „Darin kann jede und jeder eine eigene Erzählung finden. Nur Leute, die beschult werden wollen, könnten enttäuscht sein.“ Diese Erwartungshaltung dürfte sich aber ohnehin in Grenzen halten.
Nina Schedlmayer