Detektivin auf zellulären Signalwegen

Dagmar Stoiber-Sakaguchi erforscht, wie man das angeborene Immunsystem für die Tumorbekämpfung anstacheln kann. Die Leiterin der Pharmakologie an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften wollte mit der Fächerwahl im Studium zwei verschiedene Welten erkunden. Letztlich führte sie das nach Japan und fachlich in die Tumorimmunologie.
By
Auf dem Gruppenfoto ist Prof. Stoiber-Sakaguchi mit ihren PhD Studentinnen zu sehen!

Krebs zu heilen, ist ein großes Ziel, das etliche Forschende beschäftigt und das Leben sehr vieler Menschen verbessern könnte. Die einzelnen Schritte dorthin, auch jene von Dagmar Stoiber-Sakaguchi, finden in einer Mikrowelt statt. Geforscht wird überall auf der Welt an Ausschnitten verketteter Signalwege, die zeitgleich in unseren Zellen ablaufen und an Tumorentstehung oder -zerstörung beteiligt sein können. Nur im Kleinen und in Details lässt sich der Überblick bewahren und die Kontrolle darüber behalten, welche Veränderung vielleicht einen Therapieansatz birgt: „Im Tumorkontext sind viele verschiedene Signalwege in der Zelle von Bedeutung. Wir untersuchen den JAK/STAT-Signalweg, über den schon einiges bekannt ist, weil viele Forschende daran arbeiten. Im Rahmen unserer Forschung verändern wir im Labor gezielt kleine Aspekte im Prozess, um dadurch Veränderungen zu beobachten und potenzielle Ansatzpunkte für Therapien zu identifizieren“, erklärt Stoiber-Sakaguchi. Sie und ihr Team erzeugen in Versuchsreihen einmal viel von einem Stoff, lassen ein Molekül weg oder verändern das Gleichgewicht und suchen so weitere Hinweise für den Weg zu neuen Therapieoptionen.

Im Labor Dagmar Stoiber-Sakaguchi und Kollegin.
Krebs zu heilen, ist ein großes Ziel, das etliche Forschende beschäftigt und das Leben sehr vieler Menschen verbessern könnte. Die einzelnen Schritte dorthin – auch jene von Dagmar Stoiber-Sakaguchi (zweite v.l.) – spielen sich in einer Mikrowelt ab.

Die Täuschung des Immunsystems beenden

In der großen Welt der Krebsforschung hat sich die Leiterin der Pharmakologie an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in der Tumorimmunologie eingenischt. Viele arbeiten daran, das adaptive Immunsystem in Form von T-Zellen zu aktivieren, und gegen Tumore kämpfen zu lassen. „Wir versuchen die angeborene Immunabwehr, die sogenannten ‚Killerzellen‘ zu nutzen, um gegen Metastasen vorzugehen. Auch bei einigen Blutkrebsarten sehen wir Potenzial“, so Stoiber-Sakaguchi. Einen körpereigenen Mechanismus in Stellung zu bringen, kann ein eleganter Weg sein – möglicherweise mit weniger Nebenwirkungen –, was aber genau untersucht werden muss.

Heute arbeitet sie als Tumorbiologin auch in der translationalen Krebsforschung, ursprünglich hat sie Mikrobiologie studiert. Dass Mikroorganismen in der Lage sind Ölteppiche abzubauen, faszinierte sie als Schülerin, und sie wollte mehr über deren Fähigkeiten erfahren. Parallel studierte sie Japanologie an der Universität Wien und schloss beide Diplomstudien erfolgreich ab. Sie arbeitete in der Forschungsgruppe von Thomas Decker am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Wien und schrieb ihre Dissertation über molekulare Mechanismen der Aktivierung von Fresszellen bei Infektionen, eine Form der Interaktion zwischen dem angeborenen Immunsystem und Mikroorganismen. „Ich wollte im Studium einfach in zwei unterschiedliche Welten hineinblicken. Als Post Doc konnte ich mein Hobby dann mit meinem Hauptinteresse verbinden. Es war für mich dank meines Zweitstudiums sicher einfacher als für andere, mich sprachlich und kulturell in Japan zurechtzufinden.“ Von 2000 bis 2001 forschte sie mit einem Stipendium am Department für Immunologie der Universität Tokio in der Forschungsgruppe von Tadatsugu Taniguchi. Zurück in Wien arbeitete sie mit dem dort geschärften Profil in Tumorimmunologie als Universitätsassistentin am Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien und leitete eine eigene Forschungsgruppe am Ludwig-Boltzmann-Institut für Krebsforschung, das sie mitgegründet hat.

Die japanische Kultur ist bekannt für ihre Sorgfalt gegenüber Kleinigkeiten und formalisiert – auch alltägliche – Handlungen. Die haben auf die Forscherin eher nicht abgefärbt. Aber eine Sache ist für sie wieder aktuell geworden: „Ich erinnere mich an meine Verwunderung darüber, dass in Japan mit hohem Aufwand versucht wurde, den Müll aus dem Labor zu trennen. Heute versuchen wir das selbst und sind stolz darauf, ein GreenLab zu sein.“

Hier sieht man eine PhD-Studentin von Dagmar Stoiber-Sakaguchi bei Ihrer Arbeit im Labor.
Das Team rund um Dagmar Stoiber-Sakaguchi erzeugt in Versuchsreihen einmal viel von einem Stoff, lassen ein Molekül weg oder verändern das Gleichgewicht und suchen so weitere Hinweise für den Weg zu neuen Therapieoptionen.

Pharmakologie ist Detektivarbeit

Ihr Fach, die Pharmakologie, liegt an der Schnittstelle verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, benötigt einiges Vorwissen und ist deswegen bei den Studierenden nicht sehr beliebt. Das ist der Professorin schmerzlich bewusst. Also legt sie den Fokus in Vorlesungen neben der Theorie auch auf die detektivische Seite, den starken experimentellen Anteil. Es gibt bei Krebs viele verschiedene deregulierte Signalwege und „für einen Therapieansatz müssen wir genau wissen, was sich im Gefüge und Gleichgewicht ändert und was das in der Zelle bewirkt.“ Den Wirkmechanismus zu verstehen, ist ihr besonders wichtig. Das gerät im klinischen Alltag, beim Verschreiben etablierter Medikamente, manchmal in Vergessenheit: „Uns interessieren Beweise, wir sind neugierig auf das Warum und wollen belegen, wie ein Therapieweg funktioniert.“

Angehenden Forscher*innen legt sie den Mut ans Herz, sich mit verschiedenen fachlichen Themen zu beschäftigen und einen Auslandaufenthalt zu wagen, „weil man immer und überall dazulernt, und der wissenschaftliche Blick dank verschiedener Blickwinkel geschärft wird.“ Unter dem großen Dach der Krebsforschung ist es wichtig „Probleme kreativ anzugehen, aus verschiedenen Richtungen und auf unterschiedlichen Wegen“. In ihrem Fall auf zellulären Signalwegen.

Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

„Wir sind denkfaul“ 

„Wir sind denkfaul“ 

 Wie reagieren Kunst und Wissenschaft auf die Dauerkrisen der Gegenwart?…
Christa Hauer: am Puls der Zeit

Christa Hauer: am Puls der Zeit

Künstlerin und Aktivistin, Galeristin und Feministin: Das Leben von Christa…
Susan Rothenberg und die innere Energie

Susan Rothenberg und die innere Energie

Die Pferde wurden zum Markenzeichen von Susan Rothenberg, der Wegbereiterin…

Tags

Dagmar Stoiber-Sakaguchi

habilitierte 2015 in Pharmakologie an der MedUni Wien und ist seit 2019 Professorin für Pharmakologie und Leiterin der gleichnamigen Abteilung an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. Sie war 2005 Gründungsmitglied des Ludwig-Boltzmann-Institut für Krebsforschung in Wien.

© ecoplus / D.Hinterramskogler
Gratis-Abo
ONLINE-MAGAZIN PER MAIL

Art and Science Krems 2 mal im Monat