Können wir bis 2035 spielerisch unsere Mobilität ändern?

„Im Prinzip ja“, sagt Thomas Wernbacher vom Zentrum für Angewandte Spieleforschung der Universität für Weiterbildung Krems. Es gibt viele gute Gründe dafür, aber neben Spiel und Spaß sind passende Strukturen für die Verhaltensänderungen zur nachhaltigen Mobilität zentral.
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Eingefahrene Gewohnheiten zu verändern, ist schwer, gerade bei der Mobilität. Es gibt so viele gute Gründe, sich nicht aus eigener Kraft in die Arbeit oder zum Einkaufen zu bewegen. Zeit, Bequemlichkeit, Alter, Sicherheit und so weiter. Anreizsysteme können dabei helfen, nachhaltige Mobilitätsmuster zu verbreiten. Öffis nutzen, zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren bringt unbestreitbar einen hohen Nutzen, nicht nur für die Umwelt, auch für die Gesundheit und das Budget.

Mit Thomas Wernbacher spricht mit ask – art & science krems in seiner Doppelfunktion als Mitarbeiter am Zentrum für Angewandte Spieleforschung, das 2005 gegründet wurde, und dem vergleichsweise jungen Sustainable Office, wo er Synergien von Lehre und Forschung für Nachhaltigkeit mit dem Campusmanagement umsetzt. Für ein gelungenes Beispiel hält Wernbacher den Campus Krems mit viel Grün und Wegeführung.

ask – art & science krems zeigt Thomas Wernbacher in seiner Doppelrolle: als Mitarbeiter des seit 2005 bestehenden Zentrums für Angewandte Spieleforschung und des neueren Sustainable Office, wo er Nachhaltigkeit in Lehre, Forschung und Campusmanagement verbindet.

Erprobte Ansätze

Viele Komponenten für die Veränderung unseres Mobilitätsverhaltens durch Gamifizierung sind bereits entwickelt und erprobt. Eine ausgefeilte App fürs Smartphone, angepasst auf verschiedene Nutzer*innengruppen, nutzt nichts, wenn der Raum und die Infrastruktur nicht vorbereitet sind: „Es braucht beide Bewegungen, bottom-up und top-down. Mit dem Projekt der Forschungsförderungsgesellschaft FFG Cycle for Value haben wir pilothaft ein Anreizsystem in Form von Tokens für die individuelle Radleistung umgesetzt, die man in der unmittelbaren Umgebung eintauschen kann, z.B. gegen einen Mittagsteller in der Mensa.“ Nun geht es darum, das Forschungsprojekt in den Normalbetrieb zu überführen und zu erhalten. Nachhaltige Fortbewegung setzt attraktive Räume, genug Platz, sichere Wege, Beschattung, Verkehrsberuhigung, entsprechende Öffi-Intervalle, Haltestellen, Bankerl zum Rasten etc. voraus. Für bewegte Arbeitswege braucht es neben Jobrädern etwa auch fixe Spinde, Stellplätze und Duschmöglichkeiten. Diese Umgebungsvariablen müssen von der Verwaltung und den Betrieben gesteuert werden. Erst darauf aufsetzend können spielerische Angebote und Incentives greifen.

Chancen nutzen

Thomas Wernbacher: „Ich glaube, dass die Voraussetzungen und etablierte Best Practice für Mobilitätsprobleme vorhanden sind: von Gratis-Öffis, dem Rufbus in ländlichen Regionen bis zu Verkehrsberuhigung wie Superblocks. Diese können an lokale Eigenheiten einfach angepasst werden. Auch der ökonomische Nutzen, die Gesundheitseffekte, die Kostenersparnis sowie Lärm- und Schadstoffreduktion sind gut quantifizierbar, werden aber massiv unterschätzt.“

Was für eine breite Verhaltensänderung noch fehlt, sind mehr Incentives, die Unterstützung durch Kommunen, und es würde helfen, den Betrag für betriebliche Sachzuwendungen von 186 Euro pro Jahr anzuheben. Wenn mehr Menschen mehr gehen, radeln und Bahn fahren, erspart das der einzelnen Person, der Gesellschaft und dem Staat viel Geld. Diese Chance wird noch ungenügend genutzt, obwohl sich die Investitionskosten mehr als rentieren würden.

Das FFG-Projekt Time2Walk / Walk your City kennt neben einer App auch eine analoge Stadtspazierkarte mit Points of Interest. Auch Kinder sollten am besten ohne Mobiltelefon aktiv mobil sein können mit genug Anreizen, Sicherheit und Platz.

Was kickt uns?

„Belohnungen und immanentes Feedback sind zentral für das Funktionieren spielerischer Anwendungen, und gut gestaltete Apps erfüllen viele Spielemotive. Es braucht reale Gegenleistungen, um das veränderte Verhalten zunächst aufrecht zu erhalten. Mittelfristig geht es darum, das neue Verhalten zu internalisieren, sodass die Belohnung an sich letztlich der positive Einfluss auf die Gesundheit, der Zeitgewinn oder die Geldersparnis durch neue Mobilitätsmuster ist“, erklärt Thomas Wernbacher. Es gibt unterschiedliche Typen von Spieler*innen, aber der soziale Vergleich (vulgo Wettbewerb) mit anderen Teilnehmenden oder sich selbst Ziele zu setzen, sind weit verbreitet.

Auf dem Bild zu sehen ist Thomas Wernbacher auf einem Bike vor der Universität für Weiterbildung Krems.
Thomas Wernbacher erläutert die zentrale Rolle von Belohnungen und Feedback in spielerischen Anwendungen und betont, wie nachhaltige Verhaltensänderungen durch positive Effekte wie Gesundheit, Zeitgewinn oder Kosteneinsparungen gefördert werden können.

Was die Wirksamkeit von Gamification-Anwendungen für nachhaltige Mobilität angeht, nennt Thomas Wernbacher 10 bis 15 Prozent Aktivitätssteigerung. Es geht auch darum, das Nachdenken anzuregen, etwas auszuprobieren. Die Ziele müssen zum jeweiligen Typ passen, zum Status, den Gewohnheiten und den Verhaltensabsichten. „One size fits all“ funktioniert nicht. Es gibt zudem mehrere Phasen in der Verhaltensveränderung. In spielerischen Anwendungen ist der Schwierigkeitsgrad idealerweise wählbar mit maßgeschneiderten Angeboten und Belohnungen. Alles kann damit beginnen, eine Station früher aus dem Bus auszusteigen und den restlichen Arbeitsweg zu Fuß zu gehen Es ist normal, rückfällig zu werden. Eine gute Anwendung setzt immer wieder Impulse. Für die spielerische Verhaltensänderung kommt es nicht zwingend auf ein digitales Endgerät an. Das FFG-Projekt Time2Walk / Walk your City kennt neben einer App auch eine analoge Stadtspazierkarte mit Points of Interest. Auch Kinder sollten am besten ohne Mobiltelefon aktiv mobil sein können mit genug Anreizen, Sicherheit und Platz.

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2 Antworten

    1. Verhaltensveränderungen sind nie einfach und brauchen Zeit. Gut, dass Sie mit gutem Beispiel vorangehen und umweltbewusste Mobilität bereits leben. Konkrete Anfragen und Feedback richten Sie bitte an das Facility Management des Campus Krems.
      Ihr ask-Team

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