Wenn im Sommer gemeinsame freie Zeit auf dem Programm steht, studieren alle den Wetterbericht. Ob Jungfamilie oder pensioniertes Paar, frisch verliebte Teenager oder Chorgruppe. Wie heiß es wird, ob mit starkem Wind oder Regen zu rechnen ist, bestimmt die geplante Destination mit – nicht mehr nur bei einer Bergtour oder einem Schwimmausflug.
Die Zielgruppen im Tourismus lassen sich heute nicht mehr nur nach Lebensalter und Familienstand einteilen. Auch die Hitzeempfindlichkeit, der Lebensstil, die Anreisemöglichkeiten, das Sicherheitsgefühl und ob das Wohlbefinden am Zielort steigen wird, fließen in die Überlegungen der Kund*innen ein. Der Klimawandel setzt in der Sommersaison vor allem Hitzewellen, lokalen Starkregen und Sturm öfter aufs Programm – im Winter sind nicht alle Höhenregionen schneesicher.
Niederösterreich ist mit seiner Fülle von Sehenswürdigkeiten, Natur- und Kulturattraktionen in einer glücklichen Ausgangslage, aber in der Vielfalt und Bandbreite sind sämtliche Betreiber*innen gefordert, sich auf den Klimawandel einzustellen. In der Ausbildung am Institut für Tourismus, Wein Business und Marketing des IMC Krems ist Nachhaltigkeit als roter Faden bereits fix verankert. Für das Forschungsprojekt ClimATT II haben sich das IMC Krems und die Universität für Bodenkultur zusammengeschlossen, um die Bedingungen und Anpassungsstrategien von 34 niederösterreichischen Sehenswürdigkeiten zu untersuchen. Teil des Projekts war auch, etwaige Veränderungen im Verhalten von Besucherinnen und Besuchern zu erheben.
Klimawandeleffekte zeigen sich überall
„Manche Verantwortliche arbeiten visionär, manche verhalten sich noch abwartend, aber allen ist bewusst, dass der Klimawandel sich auf ihre Angebote auswirkt“, beschreibt Claudia Bauer-Krösbacher, Studiengangsleiterin für Tourismusmanagement & Freizeitwirtschaft erste Ergebnisse der vertieften Befragung. Das Projekt wird vom Land Niederösterreich im Rahmen des FTI-Calls 2020 zum Thema „Klimawandel“ gefördert. Im Herbst 2024 soll ein Handbuch mit konkreten Hilfestellungen erscheinen, welches die Ergebnisse und Empfehlungen zusammenfasst.
Wir sehen es an uns selbst: Ein heißer Tag wirkt sich auf Motivation, Aufnahmefähigkeit, Laune und Aktivitätslevel aus. „Was kann ich an so einem Tag anbieten, damit ich attraktiv bleibe“, ist wiederum eine Frage, die sich dem Management vom Kloster bis zum Naturpark und vom Flussbad bis zum Hüttenwirt stellt. Die Betroffenheit ist aufgrund der Verschiedenheit der Attraktionen unterschiedlich. So sind etwa Naturattraktionen den Wetterbedingungen schonungslos ausgesetzt, aber auch bei historischen Gebäuden muss man sich um die Grünräume kümmern, und wenn ein Sturm das Dach schädigt, stellen sich bei einem denkmalgeschützten Bau viele weitere Fragen. Das Bewusstsein für den Handlungsbedarf und die Betroffenheit bezeichnet Bauer-Krösbacher generell als hoch.
Vertiefte Befragung auch für politische Steuerung
In den vergangenen drei Jahren wurde in einer quantitativen Befragung zunächst herausgearbeitet, welche Klimawandelfolgen im Tourismus bereits am stärksten zu spüren sind. „Wir haben uns verschiedene direkte und indirekte Effekte angesehen und diskutiert. Die direkten Effekte sind an sich schon eine Herausforderung, ziehen aber weitere Effekte nach sich. Zum Beispiel machen durch Extremwetter geschädigte Bäume mehr Sicherheitsbegehungen in Parks notwendig, und die Waldbrandgefahr steigt in Hitze- und extrem trockenen Perioden im Sommer.“ Selbst bei heißem Bemühen gibt es für die Betreiber*innen eine Grenze dafür, was überhaupt getan werden kann. Das zeigte sich in der vertieften und anonymisierten Befragung von 34 Tourismusattraktionen in Niederösterreich. Bei allem Fokus auf anbieterseitige Maßnahmen und Angebote, kommt hier auch die Politik ins Spiel mit Fördergestaltung, Verkehrswesen und Gesetzesanpassungen. Man denke nur an die Verlagerung der Öffnungszeiten in die kühleren Morgen- oder Abendstunden, Sanierung von Bauwerken, Kühlung, klimafitte Bepflanzung, Bewässerung von Außenanlagen, die Errichtung von Wasserplätzen, Bodenentsiegelung, Trinkbrunnen, Bankerln und Schattenplätzen oder verstärkte Kontrollgänge, Gesundheitsschulungen und überarbeitete Risikopläne – das alles bedeutet auch höhere Kosten.
Mobilität wurde ebenfalls als große Herausforderung identifiziert. Die sogenannte „Last Mile“ muss entsprechend adressiert werden, denn was nützt eine wunderschöne, abgelegene und kühle Attraktion, wenn sie gar nicht oder nur schwer öffentlich erreichbar ist? In Österreichs Skiregionen gibt es da schon innovative Ansätze nachhaltiger Mobilitätslösungen durch verstärkte Kooperationen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. In Niederösterreich böte sich die Koppelung von Mobilitätsangeboten an die gut eingeführte Niederösterreich Card an – von verstärkten Intervallen bis zu Kostenreduktionen in der Hauptausflugszeit. Der Anstieg der Durchschnittstemperatur bewirkt andererseits für viele Sehenswürdigkeiten und Destinationen auch eine Saisonverlängerung, die Besucherspitzen verlagern sich. Höhere Lagen profitieren insgesamt, weil es dort im Sommer angenehmer ist. Skifahren im Winter ist hingegen schwer zu ersetzen, und auch eine ungeheizte Burg kann im Dezember nicht einfach offenhalten.
Hier sind alle gefordert, sich neue Produkte zu überlegen und einen passenden USP zu schaffen. „Es erforderte eine andere Denkweise. Der Tourismus hat sich immer weiterentwickelt. Heute müssen wir mehr überlegen, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen und auch für die Menschen eine hohe Lebensqualität schaffen, die immer vor Ort sind.“
In der Vielfalt steckt die Kraft
Das Kultur- und Naturangebot in Niederösterreich sucht seinesgleichen. Im Land wird viel investiert und gefördert. Die Untersuchung über verschiedene Betriebsgrößen, Klimazonen und Arten von Attraktionen – vom Flachland bis ins Alpenvorland, von der Donauregion bis ins Waldviertel – ist ein erster Schritt, um zu erfahren, wo die Probleme liegen und was die verschiedenen Destinationen brauchen, um weiter aufzusperren.
Astrid Kuffner