Die Geschichte der Sängerin Oumou Sangaré hört sich wie ein Märchen an: Als die Tochter eines Musikerpaars aus Mali ein Kleinkind war, verließ ihr Vater sie und ihre Mutter. Daraufhin begann die noch nicht einmal schulreife Oumou, auf der Straße zu singen, um Geld zu verdienen. So erzählte es die 1968 geborene Musikerin einmal dem britischen „Independent“. Mit fünf Jahren gewann sie einen Wettbewerb und trat daraufhin in einem Stadion vor tausenden Gästen auf. Es folgten: internationale Tourneen, Alben, ein Grammy.
Stabile Karriere
Albert Hosp, künstlerischer Leiter des Festivals Glatt&Verkehrt in und um Krems, nennt den Weg von Oumou Sangaré eine „stabile Karriere“. Er hat sie als eines der Highlights der Veranstaltung engagiert: Seit rund 20 Jahren war sie nicht mehr in Österreich auf einer Bühne zu erleben. Am 27. Juli 2024 tritt sie bei den Winzern Krems auf. „Im westlichen Afrika gibt es eine Handvoll Sängerinnen und Sänger, die über den Kontinent hinaus berühmt sind, beispielsweise Youssou N’Dour, Salif Keita – und eben Oumou Sangaré“, sagt Hosp.
Hundertausende Tonträger
Oumou Sangaré wuchs auf in Wassoulou, einer Gegend südlich der Hauptstadt Bamako. Dort entwickelte sich in den Eighties eine besondere Form von Musik, bei der eine spezielle Harfe – die Kamalengoni – eine wichtige Rolle spielt, und bei der Frauen sehr stark vertreten sind. Auch bei Glatt&Verkehrt wird eine Kamalengoni zum Einsatz kommen. Oumou Sangaré, deren erstes Album „Moussoulou“ (Frauen) 1990 zuerst auf Kassette erschien, kombiniert die Wassoulou-Musik mit Pop- und Rockelementen. Albert Hosp: „Sangaré blieb der Musik aus Mali treu. Sie tritt zwar in Pop-Formationen auf, der Gestus entspricht aber zutiefst dem ihrer Heimat.“ Von ihrem ersten Album verkaufte Oumou Sangaré gleich einmal mehrere hunderttausend Tonträger und erreichte damit auch den europäischen Markt. Schon damals stieß Albert Hosp auf sie: „Einige andere Musiker wie Salif Keita haben in den frühen 1990er-Jahren den Boden bereitet für die sogenannte World Music. Damals gelangte afrikanische Musik stärker ins Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit. In diesem fruchtbaren Umfeld begann Sangarés internationale Karriere.“
Weibliches Empowerment
Zwischen Songwriting, Studioaufnahmen und Konzerten wurde Oumou Sangaré zur engagierten Geschäftsfrau – als Besitzerin eines Hotels und Importeurin von Autos – sowie zur Kämpferin für Frauenrechte. „Mit der Musik der Wassoulou-Kultur verbinden wir immer eine Botschaft“, sagte die Künstlerin dem Sender BR. „Diese Klänge transportieren natürlich auch Emotionen wie Freude, aber gleichzeitig hat sie bei uns auch eine erzieherische Funktion. Das nehme ich mir sehr zu Herzen. Denn seit ich Musik mache, verteidige ich Frauen.“ Ihre Songs formulieren Kritik am Machtgefälle zwischen den Geschlechtern, an der in Mali verbreiteten Polygamie und Kinderheirat; und sie forcieren weibliches Empowerment generell. Davon gibt das Video zu ihrem Song „Wassoulou Don“ auf ihrem jüngsten Album „Timbuktu“ einen Eindruck: Darin tanzt eine Gruppe von Frauen in bunten Gewändern kraftvoll in ländlicher Umgebung, andere sitzen, in weißen Kleidern, am Strand und singen gemeinsam; dann wieder schwingen sich zwei coole Ladies auf Motorräder, lässt sich eine andere, in einem Cabrio stehend, den Fahrtwind durch die Haare streifen – dazwischen gleitet die Kamera über die inbrünstig intonierende Oumou Sangaré selbst in einem weißen, feierlichen Kleid. Ein wahres Fest weiblicher Kreativität und Kraft. Das Video wurde übrigens auf YouTube eine Million Mal aufgerufen. Oumou Sangarés bezwingende Musik beeindruckte auch westliche Superstars: So ließ sich Beyoncé von ihr für ihren Hit „Mood 4 Eva“ inspirieren. „Sie ist ein Musician’s Musician“, so drückt es Albert Hosp aus: bedeutsam für andere Musiker*innen. „Der Reichtum ist im Kopf, in der Kultur“, sagte Oumou Sangaré einmal. „Afrika ist nicht arm.“
Nina Schedlmayer