Dominikanerkirche Krems: Vibrierender Formenreichtum

Ein neues Buch gibt Einblick in die herrliche, malerische Ausstattung der Dominikanerkirche Krems und führt auf die Spur einer Malerwerkstatt des 13. Jahrhunderts.
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Blick von unten auf das Gewölbe der Dominikanerkirche Krems

Was für ein Formenreichtum, welche Farbenpracht! Über die Seiten des kürzlich erschienenen Buchs „Ornament und Farbe um 1300“ von Claudia Riff und Fabia Podgorschek ranken sich Pflanzenornamente, schlängeln sich Wellen, zischen Zacken von Ornamenten pfeilförmig nach links und rechts, entfalten sich Blätter an Kapitellen.

Kunst in luftiger Höhe

Nur wenige Personen hatten das Glück, diese Kunstwerke in luftiger Höhe aus der Nähe studieren zu dürfen. Das war in den Jahren 2019 bis 2021, als Claudia Riff, ihr Kollege Claudio Bizzarri sowie weitere Restaurator*innen an der Deckenmalerei der Dominikanerkirche Krems arbeiteten. Aber nicht so, dass sie, wie es so oft über derartige Vorhaben heißt, in „neuem Glanz erstrahlen“. Denn diesem Ansinnen widersetzt sich die erfahrene Restauratorin Riff deutlich in ihrem Katalogvorwort. Darin erläutert sie auch drei Hauptaspekte einer qualifizierten Restaurierung. Diese bestehe aus der Konservierung, der „restauratorischen Präsentation“ (also dem Erscheinungsbild) sowie der wissenschaftlichen Untersuchung, die Riff gemeinsam mit der Archäologin und Denkmalpflegerin Podgorschek bewerkstelligte. 5.400 Arbeitsstunden benötigten sie und ihre 13 Kolleg*innen, um Chor- und Hauptgewölbe des Langhauses zu sichern, zu reinigen und zu retuschieren.

Buchcover: Erschien im Schlebrügge Verlag. Titel ist: Ornamente und Farben im 1300 Jahrhundert. Zu sehen sind Ornamente der Dominikanerkirche in bunter Farbe.
Das Buch „Ornament und Farbe um 1300“ ist eine visuell eindrucksvolle Reise durch die ornamentale und farbenreiche Wandmalerei der Dominikanerkirche Krems.

Abenteuerliche Geschichte

Das Buch gibt aber auch darüber Aufschluss, wie viel während einer Restaurierung zutage tritt, welche neue Erkenntnisse aufgetaucht sind. Vieles war schon vorher bekannt, etwa die Bauzeit der Dominikanerkirche Krems von 1240 bis 1300. Oder die Tatsache, dass 1790 Langhaus und Chor getrennt, 1820 das Ostjoch im südlichen Seitenschiff abgetragen wurde. Dass die Dominikanerkirche als Getreidespeicher und Kino diente, ebenso als Museum und sogar als Depot der Feuerwehr; heute nutzt sie unter anderem die Kunsthalle Krems für Ausstellungen. Trotz der abenteuerlichen Geschichte des Gebäudes überlebte der prachtvolle Deckenschmuck, vor allem auf den Gewölberippen und Kapitellen. Bei der Restaurierung entdeckten die Fachleute Farbschichten unter der Tünche, die nahelegen, dass auch das Chorgewölbe und der große Triumphbogen bemalt waren. Allerdings ist zu wenig vorhanden, um zu erahnen, was hier dargestellt war.

Spur einer Malerwerkstatt

Die Beschäftigung mit dem Objekt, schreiben die beiden Autorinnen, „führte uns auch auf die Spur einer bestimmten mittelalterlichen Malerwerkstatt, die im Kremser Raum tätig war.“ Sieben „Hände“, wie es in der Fachsprache heißt, konnten sie „durch die Analyse von Pinselführung, Muster- und Farbwahl“ ablesen. „So war es möglich, der Bildsprache einer Gruppe nachzuspüren, die im Lauf der Geschichte in die Anonymität versank.“ Die Werkstatt dürfte im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts weitere Gebäude im Kremser Raum ausgemalt haben, im Auftrag von Klöstern, Pfarren, Schlossherren. Sie „agierte unabhängig, das Repertoire wurde den jeweiligen Auftraggebern angepasst“, so die beiden. Den Ausführenden schreiben sie „hohe Kunstfertigkeit und große Erfahrung“ zu.

Ausschnitt aus dem Buch
Die Autorinnen entdeckten durch Analyse der Maltechniken Hinweise auf eine mittelalterliche Malerwerkstatt, die im späten 13. Jahrhundert im Raum Krems tätig war. Sie identifizierten sieben unterschiedliche „Hände“ und schreiben der anonym gebliebenen Werkstatt große Kunstfertigkeit und Anpassungsfähigkeit zu.

Wellenvielfalt

Bei der Erforschung der Malereien stellten Riff und Podgorschek drei Hauptformen fest: eng aneinandergedrängte Drei- oder Vierpässe, vegetabiles Dekor sowie Wellen. Welche Vielfalt all das annimmt, zeigt sich bei ihrer Beschreibung von letzterem: „Längs-, Diagonal- und Querwellen in allen Varianten. Mehrfachwellen, breite Einzelwellen, kontrastreiche oder changierende Wellen, Wellen mit und ohne Kontur, zickzackförmige Wellen, gedrungene und langgezogene sowie Wellen in Kombination mit Dreipässen, Kreuzen oder Punkten.“ Neben Mikroskopaufnahmen, die den Aufbau der Malschichten zeigen, geben Skizzen und Grundrisse eine Vorstellung von der Struktur des Gewölbes.

In der Dominikanerkirche Krems entdeckten Riff und Podgorschek rund 460 kunstvolle Musterfelder, die gemeinsam ein lebendiges Gesamtbild wie ein Teppich ergeben. Mit ihrem Buch ist ihnen ein einzigartiger Musterkatalog gelungen, der die außergewöhnliche Ornamentvielfalt des 13. Jahrhunderts eindrucksvoll zeigt.

Exzeptionelle Ornamentvielfalt

 In 230 Rippensegmenten zählten Riff und Podgorschek rund 460 Musterfelder. Diese schaffen einen „vibrierenden Gesamteindruck, gleich einem Teppich, geknüpft aus unzähligen Einzelfäden.“ Einen Musterkatalog dieser Herrlichkeit wollte Riff schon seit den 1990er-Jahren, als sie erstmals mit der Dominikanerkirche Krems zu tun hatte, erstellen. Nun ist es ihr mit der Hilfe einer jungen Archäologin bravourös gelungen. „Kaum ein anderes mittelalterliches Objekt in Österreich kann mit dieser künstlerischen Freiheit und einer derartigen Vielfalt an Ornamenten aufwarten“, so das Fazit der beiden Autorinnen. Ihr Buch, schön gestaltet von dem Grafiker Thomas Kussin, führt dies mustergültig vor.

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