Den Wandel anstoßen

Karl Michael Höferl, gebürtiger Kremser, leitet seit Herbst 2024 den berufsbegleitenden Studiengang „Sustainability Management“ am IMC Krems. „Business as unusual“ ist hier die Devise. Viele berufliche Stationen haben seinen Blick dafür geschärft, wie Organisationen sich erfolgreich fit und resilient fürs 21. Jahrhundert machen.
By
Karl Michael Höferl und seine Kollegin, die gemeinsam den Studiengang präsentieren.

Als Karl Michael Höferl mit Matura in der Tasche am Bahnhof stand, um Geografie und Raumplanung in Wien zu studieren, „dachte ich – jugendlich überheblich: Das ‚Kaff‘ sieht mich nie wieder. Es ist immer gut, wenn man wegkommt und andere Sachen sieht. Heute weiß ich die Qualitäten zu schätzen. Mit dem Campus ist wirklich etwas gelungen. In meiner Jugend war da nur das Gefängnis und Schluss“. Mit geweitetem Horizont und geschulten Blickwinkeln auf Nachhaltigkeit, Management und Resilienz kehrte der Sozialwissenschaftler 2023 zurück und leitet seit September 2024 den neuen Studiengang Sustainability Management am IMC Krems. Am Beginn stand eigenes Unternehmertum. Höferl gründete mit Kollegen ein technisches Büro, das heute noch in Krems und Tulln aktiv ist, und führte es einige Jahre. Danach folgten intensive Lern-, Forsch- und Wanderjahre in Wien, Kalifornien, Hamburg und Tirol.

Auf dem Bild zu sehen ist Karl Michael Höferl mit einem Werbe-Schild des IMC Krems, wo er den Studiengang "Sustainability Management" leitet.
Karl Michael Höferl verließ Krems nach der Matura, um Geografie und Raumplanung zu studieren, sammelte internationale Erfahrungen in Forschung, Management und Nachhaltigkeit und kehrte 2023 zurück. Seit September 2024 leitet er den neuen Studiengang „Sustainability Management“ am IMC Krems.

Gemeinsame Wanderjahre

Die berufliche Karriere – stets im Paarlauf mit seiner Frau – führte ihn an die University of California nach Santa Barbara in die Environmental Studies, anschließend leitete er in Hamburg die Forschungsgruppe „Metroclim“, die beleuchtete, wie Metropolregionen Klimaanpassung am besten schaffen. Im Juni ist der zweite „Klima-Sachstandsbericht“ für Österreich erschienen. Am ersten Bericht hat er an der Universität Innsbruck mitgearbeitet und sich auch mit internationalem Tourismus beschäftigt. Zuletzt war er Senior Scientist der FH Technikum Wien in einer Gruppe für resiliente Energiesysteme. Es gab ein Bewusstsein dafür, „dass man mit Technik allein die Welt nicht rettet“ und seine Aufgabe war zu erforschen, wie Menschen mit Neuerungen wie Energiegemeinschaften, Windrädern oder Smart Meter umgehen und darauf reagieren. „Ich bin nie picken geblieben und hatte daher keine Gelegenheit, Scheuklappen zu entwickeln“, zieht er Bilanz.

Die Stellenausschreibung „Institutsleitung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft“ im agilen Umfeld des IMC Krems war wie auf ihn zugeschnitten. Mit Nachhaltigkeit beschäftigt sich Karl Michael Höferl intensiv, seit er 2005 das Doktoratskolleg Nachhaltige Entwicklung (dok-NE) an der BOKU begonnen und mit einer Arbeit zur Anpassung an den Klimawandel abgeschlossen hat. Bereits im Basisstudium war das Konzept mit seinen drei Dimensionen (Ökologie, Ökonomie und Soziales) gängig und vertraut. Ganz im Gegensatz zu den Wirtschaftswissenschaften, wo es häufig wenig integriert ist. Nachhaltigkeit wird eher als überforderndes Konzept in Kombination mit Verboten begriffen, denn als Ausweitung der Handlungsfähigkeit. Der Institutsleiter genießt es, Forschung und Lehre zu steuern und zu entwickeln. Zudem ist es schön, „nicht mehr ein fachlicher Exot unter lauter Techniker*innen zu sein“.

Karl Michael Höfer beim Erklären seiner Thesen am IMC Krems.
Im neuen Studiengang werden klassische Business-Themen mit Nachhaltigkeit, Future Skills und Resilienz verbunden – praxisnah und vielfältig durch Studierende aus ganz unterschiedlichen Branchen.

Dynamiken verstehen

Die Studierenden im berufsbegleitenden Bachelor sind sehr divers. Gemeinsam lernen sie, wie verantwortungsvolles Wirtschaften funktioniert – mit betriebswirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Modulen, mit einem Fundament zeitgemäßer Konzepte wie der „Doughnut-Ökonomie“, in der wirtschaftliche Aktivität heute passieren (muss), zusammen mit Praxispartnern. Lächelnd wirft Kami Höferl einen Euro ins „Phrasenschwein“, als er sagt: „Wir bilden Change Agents aus, die in ihren Organisationen – seien es (kleine und mittlere) Unternehmen, NGO oder Gemeinden – Prozesse anstoßen, um diese an die vielfältigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.“ Mit Organisationswissen und Erfahrungen mit der Binnenlogik können sie den Hebel bestmöglich ansetzen, werden zudem in Konfliktlösung, Teamarbeit und Führung geschult.

Veränderung ist anstrengend

Ihn beschäftigt die Frage, wie Organisationen resilient und klimafit werden können und warum es manchen gelingt progressiv zu sein und anderen nicht. Veränderung ist anstrengend: „Wir wollen in Richtung ‚business as unusual‘ mit wirtschaftlicher Aktivität, die fit fürs 21. Jahrhundert ist und weder die biophysikalische Decke noch den sozialen Fußboden ignoriert. Der Ressourcenverbrauch hat planetare Grenzen, und wirtschaftliche Aktivität ist Teil des Sozialsystems – beides wird gerne vergessen.“ Die Change Agents bekommen im Kern klassische Business-Themen vermittelt (aber nicht sektorspezifisch, denn die Tiefe bringt ihre berufliche Tätigkeit), zudem Nachhaltigkeit und „future skills“ wie Diversität und Inklusion, aber auch Bewältigungsstrategien für Stress. Wer für Veränderung, Verständnis und Ressourcen wirbt, geht weite Wege und darf weder missionarisch noch verbittert rüberkommen: „Es erfordert Mut, sich in ein Gebiet vorzuwagen ohne Guidelines und ISO-Normen und auch Unternehmen sind ein soziales Kollektiv.“ Mit dem Feedback des ersten Jahrgangs werden Anpassungen vorgenommen, etwa dem Lernen der Studierenden voneinander mehr Platz eingeräumt. Bei den beruflichen Hintergründen ist vom Windkraftbetreiber über Baubranche, IT und Automotive bis Schauspiel alles dabei.

Karl Michael Höferl und eine Kollefgin, die während einer Veranstaltung des IMC Krems den Lehrgang präsentieren.
Im berufsbegleitenden Bachelorstudium lernen die Studierenden, wie man Wirtschaft verantwortungsvoll gestaltet – mit Praxispartnern und modernen Konzepten wie der Doughnut-Ökonomie. Sie werden zu Veränderungsgestaltern ausgebildet, die in Firmen, NGOs oder Gemeinden Neues anstoßen und auch Teamarbeit, Führung und Konfliktlösung trainieren.

Bewegung hilft gegen Frust

Die persönliche Herausforderung nachhaltig zu leben, kennt er sehr gut – an verschiedenen Wohnsitzen und auch in einer Familie mit drei Kindern – Stichwort Sommerurlaub. Höferl hat eine Life Cycle Analysis zum Verbrenner-Familienauto gemacht, und solche Methoden „helfen mir bei Entscheidungen“. Seine diesjährige „Sustainability Pledge“: weniger Fleisch essen und mehr mit Öffis in die Arbeit fahren. Den Fortschritt misst er am Ende des Jahres. CO2-Kompensation ist selbstverständlich, wobei er unseriöse Angebote – Stichwort Bäume pflanzen – meidet. Eher investiert er in die Renaturierung von Mooren oder eine Methanverwertung auf einer Mülldeponie in der Türkei.

Karl Michael Höferl ist Teil des Umwelt- und Nachhaltigkeitsbeirats, der Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit am Campus entwirft wie z.B. eine Carbon-Management-Strategie für weniger (Auto-)Mobilität oder den Verzicht auf Einwegplastik: „Wir dürfen uns der Verantwortung nicht entziehen, wir sind öffentlich finanziert und müssen konsequent sein, sonst wird die kognitive Dissonanz zu groß.“

Wie bewahrt er sein Seelenheil angesichts der Tatsache, dass sechs von neun messbaren planetaren Grenzen nachweislich überschritten sind? Regel Nummer 1: Das Thema ernst nehmen, aber den Humor behalten. Seine tiefe Einsicht ist, „dass wir alles haben, was wir brauchen, um dem Klimanotstand zu begegnen“. Der beste Ausweg aus der Überforderung ist stets, einen ersten Schritt zu tun. Er arbeitet mit anderen Leuten gemeinsam, stößt dabei auf Resonanz, trägt gern quietschbunte Hawaiihemden und feiert auch kleine Fortschritte. „Es ist wie mit Kindern Lego zu spielen: Man beginnt, und erst später sieht man, was es wird.“ Die Alternative wäre, das alles bleibenzulassen – aber als Familienvater ist das einfach keine Option.

Artikel teilen

2 Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Welche Fachkräfte unterstützen ab 2027 Kliniken in der Krebs-Diagnostik?

Welche Fachkräfte unterstützen ab 2027 Kliniken in der Krebs-Diagnostik?

Mitte September 2025 hat der erste englischsprachige Masterstudiengang „OMICS-Technologies and…
Kino im Kesselhaus: mehr als eine Rolle

Kino im Kesselhaus: mehr als eine Rolle

Vor 20 Jahren eröffnete das Kino im Kesselhaus. Waltraud Bruckner…
Attraktive Insekten

Attraktive Insekten

Alexandra Kontriner zeichnet Insekten, Pflanzen und Wälder. Ihre Papierarbeiten werfen…

Tags

© Pamela Schmatz | IMC Krems
Gratis-Abo
ONLINE-MAGAZIN PER MAIL

Art and Science Krems 2 mal im Monat