Was für eine Energie! Wenn Dunja Bahtijarević mit immer lauter werdender Stimme ihren Song „Put Putuje“ singt, während Luka Čapeta seine E-Gitarre mit stetig mehr Nachdruck bearbeitet, der Sound anschwillt: Dann kann man die Dynamik sogar am Video nachvollziehen, auch wenn man nicht dabei war, 2023 beim Balkan Most Festival im ungarischen Veszprém.
Neue Kollaborationen
Doch bald können Besucher*innen des Festivals Glatt&Verkehrt die beiden – das Duo Dunjaluk – erleben: Am 25. Juli treten sie mit wh/m auf – für den gemeinsamen Teil des Konzerts entwarf die Musikerin Beate Wiesinger „kurze Miniaturen, Riffs und Mantras“, wie es in der Ankündigung heißt.
Am Vortag des Gesprächs mit ask – art & science krems sind Dunja Bahtijarević und Luka Čapeta in Krems angekommen; sie werden den ganzen Juli hierbleiben, in einem der Artists-in-Residence-Studios auf der Kunstmeile. Die Kolleg*innen, mit denen sie Albert Hosp, künstlerischer Leiter von Glatt&Verkehrt, zusammenspannte, kannten sie vorher noch nicht. Was Bahtijarević, so sagt sie, spannend findet.
Vision Volksmusik
Die Musik von Dunjaluk speist sich aus zahlreichen Inspirationen und Stilen. Zunächst und am wichtigsten: die Sevdah, eine bosnische Volksmusik. Dann: Jazz, Rock, Metal. Auch Jimi Hendrix. Es ist sieben Jahre her, als Dunja Bahtijarević und Luka Čapeta einander durch das Mimic Orchestra kennenlernten. Er erzählt: „Dunja hatte die Vision, mit bosnischer Volksmusik zu arbeiten, und wollte, dass ich dabei bin. Ich hatte zuvor nichts mit Folk zu tun, kam vom Jazz. Ich brauchte eine Zeitlang, um eine Idee dafür zu entwickeln.“ Čapeta studierte am Vienna Music Institute bei Peter Rom, während Bahtijarević eine geisteswissenschaftliche Ausbildung (Kunstgeschichte, Literatur, Englisch) absolvierte.
Zoran Stajčić, Chefredakteur des Online-Pop-Magazins Ravno do dan, drückte es so aus: „Es ist eine Welt, in der Sevdah und Psychedelia parallel im selben Topf köcheln als eine Verschmelzung von Westen und Osten in der Kakophonie, die durch die Mentalität des Raums, in dem sie leben, erzeugt wird.“
Lockdown, welch Glück
2019 begann unter dem Namen Dunjaluk die Zusammenarbeit, 2020 konzertierten die beiden erstmals miteinander, bei einem Festival in Ljubljana. Und dann, zwei Monate später: Corona, Lockdown. Bahtijarević erinnert sich: „In dieser Zeit trafen wir uns dreimal die Woche, ohne Publikum.“ So konnten sie mehrere Monate an der Musik arbeiten. „Und als die Welt bereit war dafür, konnten wir sie öffentlich spielen“, lacht Čapeta. Die Residency kommt ihnen nun entgegen. Die beiden sind viel beschäftigt, in vielen anderen Projekten involviert, unterrichten – da gibt es oft keine Möglichkeit, sich auf das Kreieren von neuen Songs zu konzentrieren. „Jetzt ist es gut, diesen Monat in Krems zu haben, um mit neuem Material zu arbeiten. Hier sind wir isoliert und fokussiert.“
Wie kam es zu der Auseinandersetzung mit Sevdah, dieser leicht melancholischen bosnischen Volksmusik? Dunja Bahtijarević sagt: „Ich arbeite schon seit zehn Jahren mit Sevdah. Ich bin in Banja Luka geboren, und das ist mir nahe. Allerdings passt meine Stimme nicht zu dem, wie es immer gesungen wurde: weich und delikat.“ Das habe mit ihr nichts zu tun. „Da fragte ich mich: Was, wenn nicht ich versuche, mich der Sevdah anzupassen, sondern sie mir anpasse?“ So erfanden sie die Sevdah neu.
An ideal husband – oder doch nicht?
Zum Beispiel mit dem Song „Vrbas„. Ursprünglich ging es darin um eine Frau, die sich ihren perfekten Mann schmieden lässt. Nachdem sie das Lied erstmals einspielten und sie sich die Aufnahmen anhörten, fanden sie, dass es einen neuen Text brauche. „Also schrieb ich einen, in dem es um Landschaften, um den Menschen in der Natur geht“, erzählt Dunja Bahtijarević. Oder die Nummer „Put Putuje“, die sie so energetisch beim Balkan Most Festival zum Besten gaben: ursprünglich ein nostalgischer Folksong, in dem zwei Männer aus Banja Luka ihre Erinnerungen austauschen. Dunja Bahtijarević, die während des Bosnienkriegs selbst aus Banja Luka nach Kroatien flüchtete, fragte sich: „Was, wenn es hier um die Erfahrung von Geflüchteten geht?“ So änderten sie die Anmutung des ursprünglichen Songs, hin zu einer rasanteren, expressiveren Version. „Als Flüchtling hast du ein Mindset, das du mit anderen teilst.“
Würden sie ihre Musik als politisch betrachten? Bahtijarević: „Wenn ich etwas Konservatives wie Volksmusik ändere, dann hat es natürlich einen politischen Aspekt. Aber ich mache Musik nicht als Aktivismus.“ Čapeta meint: „Ich finde schon, dass unsere Musik politisch ist. Denn ich spiele alles falsch: Jazz spiele ich so, dass es nicht mehr legal ist.“ Regeln wirft er lieber über den Haufen. „Ich verweigere systematisch, normale Arbeit zu verrichten.“ Gut so.
Nina Schedlmayer