„Der Komplex besteht aus vier Gebäuden, die im Erdgeschoss miteinander verbunden sind und umfasst insgesamt 23 moderne Labors, 14 Seminarräume und 140 Büros. Nachhaltigkeit spielte beim Baukonzept eine große Rolle, so ist der Gebäudekomplex mit dem Klimaaktiv-Zertifikat ‚Standard Gold‘ ausgeführt worden. Wir freuen uns auf die vielen neuen Möglichkeiten am erweiterten Campus Krems!“ So klingt die Jubelmeldung der Universität für Weiterbildung Krems, wenn alles geschafft ist. Dass das Bauprojekt „Campuserweiterung Krems“ unter schwierigen Rahmenbedingungen, in kurzer Bauzeit und im Budget fertig geworden ist, „war eine Teamleistung, die einem gemeinsamen Kraftakt mit überdurchschnittlichem Engagement aller Beteiligten zu verdanken ist“, betont Julia Wildfeuer, Geschäftsleitende bei Baumschlager Eberle Architekten, die das Projekt als Generalplanerin betreut haben.
Das Projekt ist aus einem Realisierungswettbewerb des Landes Niederösterreich entstanden, den Baumschlager Eberle Architekten für sich entscheiden konnten. Warum der Entwurf im Februar 2019 gut angekommen ist, erschließt sich aus der Summe von Lösungen für komplexe Zusammenhänge: Es war kein einfach zu bebauendes Grundstück, mit strengen Vorschriften im Kontext des Weltkulturerbes, dem Gefüge der Stadt Krems, den Weinbergen, einer beachtlichen Fläche von 30.000 Quadratmetern sowie mehreren Institutionen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. „Gefordert war ein Haus für die Gemeinschaft trotz unterschiedlicher Wünsche und Anforderungen, unsere städtebauliche Aufteilung gab den Ausschlag. Wir haben nicht ein großes Gebäude konzipiert, sondern einzelne Baukörper mit größtmöglicher Individualität, verbunden mit einer gemeinsamen Basis, als kommunikatives Element.“ erklärt Wildfeuer. Die Synthese von Solitären auf dem verbindenden Erdgeschoß vereint die unterschiedlichen Studierendengruppen, Bedürfnisse und Ausrichtungen der Universität für Weiterbildung Krems, der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und des IMC Krems. Der gemeinsame Campus umschließt eine eigene Piazza und ist durchzogen von Wegen, einer Promenade, Arkaden und Terrassen.
Tatsächlich fußt die größtmögliche Individualität auf der vorgegebenen statischen Struktur mit ihrem stringenten Achsraster: „Wir setzen auf Außenwände, zentrale Stützenreihen und den Kern mit Treppen und Schächte als tragende Elemente, um die gesamten Nutzflächen flexibel und nutzungsoffen zu halten. Alle 1,20 Meter ist ein Fenster vorgesehen, die Wände zwischen diesen Öffnungen können problemlos umgestellt werden.“
Striktes Raster – flexible Nutzung
Die drei Institutionen bespielen diese Struktur sehr unterschiedlich: mit offenen Räumen, in denen kleine Kojen für Telefonate und Besprechungen vorgesehen sind, mit großen Laboren für viele Studierende, klassischen Zellenbüros und kleinteiligen Labors für einzelne Gruppen, Hörsälen und Seminarräumen sowie dem Festsaal.
Nachhaltigkeit ist Programm
Die wesentlichen Entwurfsideen wurden zeitgerecht umgesetzt, wie sie im Wettbewerb geplant waren. Das ist erstaunlich angesichts der intensiven Planungsarbeiten zu Beginn der Coronapandemie und der Ausschreibungsphase in Zeiten von steigenden Kosten und Fachkräftemangel. Viel Denkarbeit zu Beginn der Planung macht viel möglich und das zeigt sich. Baumschlager Eberle steht als Architekturbüro seit nunmehr 40 Jahren für den Nachhaltigkeitsgedanken und den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Um eine entsprechende Gebäudezertifizierung zu erreichen, muss im Vorfeld nicht nur der Einsatz der Materialien und die Ausrichtung der Gebäude bedacht werden. „Die Zertifizierung mit 1000 von 1000 möglichen Punkten ist bei so einer Gebäudegröße selten. Wir haben sie mit sorgfältiger Planung von vielen Parametern erreicht: der Minimierung der solaren Einträge, angemessen großen Fensterflächen, Erdsonden, Bauteilaktivierung, Solarzellen, einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung auch in Laborbereichen etc.. Die Flexibilität ist auch für eine mögliche Nachnutzung ein wesentlicher und nachhaltiger Baustein.“ Für die gesunde, möglichst natürliche Materialwahl mit hohem Recyclinganteil wurde das Österreichische Institut für Bauen und Ökologie (IBO) eingebunden. „Möglichst wenig Kleber“ ist eine wichtige Devise, so Wildfeuer, weshalb die vorgesetzte Fassade auf Ankern befestigt ist. So können einzelne Elemente problemfrei ausgetauscht werden. Die Fassade aus Alu ist extrem langlebig, fast wartungsfrei und kann sortenrein wiederverwendet werden. Bevor sich in ferner Zukunft der Campus Neubau noch einmal häutet und verwandelt, wird er jetzt erst einmal genutzt. Die kluge Planung für kluge Köpfe zeigt sich, wenn Gebäude mit Leben erfüllt werden.
Astrid Kuffner