Zunächst klingt es wie ein Tropfen. Dann geht es in ein Summen über, wird lauter. Dazwischen schälen sich wieder vereinzelte, kleine Töne heraus. Mit der Zeit bäumt sich ein Klangvolumen auf und zieht sich wieder zurück, ein bisschen wie Atemholen. Schließt man die Augen, während man der Installation „Sägezahn 7.2“ von Andreas Trobollowitsch im Klangraum Minoritenkirche Krems lauscht, kann sich ein meditativer Zustand einstellen.

Experimentell
Der Ort ist auch bekannt als Klangraum Krems und hat einen seiner Schwerpunkte auf Soundinstallationen. Ebendort hat Trobollowitsch gerade begonnen, speziell konstruierte Plattenspieler einzuschalten – einen nach dem anderen, insgesamt 14 Stück. Keine LPs drehen sich auf den Tellern, sondern Blätter von Kreissägen. Hinter ihnen steht jeweils eine Gitarre mit zwei Saiten. Sobald sich die Plattenspieler in unterschiedlichen Geschwindigkeiten in Gang setzen, berühren diese die Sägezähne und versetzen die Saiten in Schwingung. So entsteht eine sich permanent verändernde Komposition. Die Konstruktionen stehen in zwei Reihen von je sieben Sockeln einander gegenüber, laden ein, sie zu durchschreiten, zu umkreisen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Künstler Gitarre und Kreissäge aufeinander stoßen lässt; im Wiener Konzerthaus zeigte er eine Version dieser instrumentalen Konstruktionen schon einmal. „Ich wollte das schon lange ausprobieren“, sagt er. „Es sieht brutal aus, doch der Klang ist fein.“ Überhaupt scheint es ihm viel ums Ausprobieren zu gehen: zu schauen, was passiert, zu experimentieren. Trobollowitsch ist Medien- und Soundkünstler, Komponist, Musiker und sogar Musikhistoriker – und es scheint ihm nicht besonders wichtig zu sein, in welche Schublade ihn andere gerade stecken. Er studierte Musikwissenschaften und Jazztheorie, in Wien und Paris, ging aber bald in die Praxis. Auch wenn manchmal der theoretische Hintergrund durchblitzt, etwa wenn er von den „Patternverschiebungen wie in der Minimal Music“ in seiner aktuellen Arbeit spricht.
Ballonflöten und klingende Eisblöcke
Für die neue Installation habe er sich mehr Gedanken über die visuelle Komponente gemacht. „Was den Klang betrifft, fühle ich mich bei dieser Installation ohnehin safe“, sagt er. Aber es stellten sich Fragen wie beispielsweise: „Wie hoch sind die Sockel, entferne ich den Rost von den Sägeblättern, welches Material verwende ich, welche Farbe hat die Konstruktion? Wie ist die Anordnung im Raum?“ Zudem war für ihn das Licht in der Minoritenkirche wichtig. „Bisher habe ich diesen Raum immer abgedunkelt gesehen. Ich wollte Tageslicht haben.“ Sogar an dem Regentag bei dem Treffen mit dem Künstler flutet erstaunlich viel Helligkeit in den Raum.

Verschafft man sich – was hier gut möglich ist – einen ersten Überblick über das jüngere Schaffen von Trobollowitsch, so sieht und hört man: Flöten, an deren Enden Ballons montiert sind und die um die eigene Achse rotieren, interagierend mit Mitgliedern des Ensembles PHACE. Ventilatoren, an deren Enden Becken montiert sind, die klirrende und scheppernde Töne erzeugen. Hängende Trommeln, die in Eisblöcken eingefroren sind und schließlich donnernd zu Boden gehen. Holzhacker, die mit ihren Äxten erstaunliche Sounds hervorbringen. Pflanzen, deren Blätter über Gitarrenhälse streichen. Spektakulär sind jene Performances, bei denen mehrere Personen durch drei Meter lange Röhren blasen, an deren Enden Melodicas und kleine Ballone montiert sind, während sie diese in unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf und ab schwenken. In Den Haag beispielsweise versammelten sich 25 Performer*innen zu einem „kinetischen Organismus“, wie es in der Beschreibung der Performance heißt.
Mensch und Maschine
Vorzugsweise arbeitet der Künstler mit Dingen, die ihm nahe sind. Vieles davon kommt aus dem ländlichen Raum: Neben Kreissägen werkte er schon mit Äxten und Hölzern, mit Melkmaschinen und Traktoren. 1980 geboren, wuchs er in einem kleinen Ort in der Buckligen Welt (Niederösterreich) auf.
1913 konstruierte der italienische Futurist Luigi Russolo erstmals eine seiner „Intonarumori“, Maschinen, die Geräusche erzeugen. Später setzte er sie gemeinsam mit Orchestern ein. Die Frage, was der Mensch kann, was die Maschine, ist bis heute virulent. Sie stellt sich auch für Andreas Trobollowitsch, der gerne mit Ensembles wie PHACE, die auf Neue Musik spezialisiert sind, arbeitet. Über sein Stück „hybrid #1 – ⥀18“, wo rotierende Flöten und Musiker*innen gemeinsam auftraten, meint er: „Es gibt eine Komposition in der Komposition – die eine ausgeführt von einer Installation, die sich aufgrund des abfallenden Luftdrucks mikrotonal verändert, die andere interpretiert von einem Orchester, das darauf reagiert.“ Im Prinzip also „eine interaktive Komposition, bei der Form, Dynamik und Klangfarbe vorgegeben sind.“

Gerade plant der Künstler eine neue Arbeit: In einem Durchgang, einer Verbindung zwischen zwei Parks, am Salzburger Mirabellplatz, wird er Flöten in einen Steg einlassen. Über ein System aus Schläuchen entstehen Klänge durch ein Gebläse, beeinflusst von den Schritten der Passant*innen. Nach strengem Zufallsprinzip.
Nina Schedlmayer