Saisonstart ist bereits im Februar (Hasel), im März kommt die Birke dazu und am stärksten wird von Pollenallergiker*innen die darauffolgende Gräserpollensaison empfunden. Dank des eingeschleppten Ragweed geht die Pollensaison bis in den Herbst. Können sich Allergiker*innen in 20 Jahren einfach am Frühling erfreuen, weil Pollenallergien gut behandelbar sind? Allergieforscher Rudolf Valenta antwortet abwägend – in der Art von Radio Eriwan: Im Prinzip, ja. Anders gesagt: Dass es noch keine hochwirksamen molekularen Allergie-Impfungen gibt, liegt nicht an der Forschung. Am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien war Valenta seit Ende der 1980er-Jahre immer wieder an richtungsweisenden Erkenntnissen beteiligt. „Die Herausforderung“, so sagt er, „liegt nicht in der Wissenschaft und in technischen Fragen, sondern in finanziellen z.B. großem klinischen Studien, die Millionen Euro kosten. Zudem gibt es in Österreich kaum noch eigenständige Pharmaentwicklung und Produktion von eigenen Medikamenten.“ Es mag banal klingen, ist aber bedeutsam: „Abhängig davon, wo wir auf die Welt kommen, sind wir von den Stoffen umgeben, auf die unser Immunsystem allergisch reagieren kann.“
Allergien sind eine Überreaktion des Immunsystems auf normalerweise harmlose Substanzen, wie Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare oder Nahrungsmittel, die etwa 30 Prozent der Bevölkerung betreffen. Aktuell werden Pollenallergien wie vor mehr als 100 Jahren mit Hyposensibilisierung mit Allergenextrakten behandelt. Innovationen gibt es kaum. Gearbeitet wird mit winzigsten, langsam gesteigerten Dosen, um die schützende Antikörperproduktion anzukurbeln, ohne allergische Reaktionen auszulösen. Mit neuen molekularen Impfungen könnte dies rasch und sicher erreicht werden. Und laut Rudolf Valenta steht dieser Innovation von wissenschaftlicher Seite nichts entgegen. Auch die Möglichkeit, gleich nach der Geburt mögliche Risikoallergene zu identifizieren und im Zuge der Entwicklung der Kinder die allergische Reaktion darauf gezielt auszuschalten, wird in der Forschung bereits untersucht. Klingt wie Science-Fiction? Stationen auf dem Weg dorthin umreißt Rudolf Valenta in aller Kürze.
Stationen einer österreichischen Erfolgsgeschichte
1989 gelang die Klonierung des Birken-Hauptallergens (Bet v 1) an der MedUni Wien. Das ermöglichte bereits 1991, hochauflösende Diagnose mit Allergenmolekülen durchzuführen. 2001 gelang es, mehr als 90 verschiedene Allergenmoleküle in kostengünstig druckbaren Micro-array-Tests zu vereinen, und die Chip-Testung war geboren. Die Entwicklung ist nun weltweit verfügbar und wird in kostengünstiger Form die Art, wie Allergien diagnostiziert werden, revolutionieren. Als Arzt interessiert sich Rudolf Valenta auch dafür, wie die spezifische Immuntherapie verbessert werden kann. Eine Schlüsselentdeckung war ein molekulares Verfahren, mit dem die Gefährlichkeit des Birkenallergens Bet v 1 reduziert werden konnte. 2004 publiziert, wurde die erste erfolgreiche klinische Studie mit einem solchen Molekül. Damit war auch eine Technologie geboren, um abgeschwächte, sogenannte „Hypoallergene“ mit molekularen Technologien herzustellen. Sie imitiert bekannte Verfahren, verwendet aber neuartige kontrollierte molekulare Technologie.
Vom Patent zur Produktion
Der Prototyp der Impfung mit „Hypoallergenen“ wurde weiter verbessert: „Alle relevanten respiratorischen und Lebensmittelallergien basieren auf Proteinen. Wir haben die Bindungsstellen der krankmachenden IgE-Antikörper am Allergen mit einem Trägerproteinvereint und dazu ein Stück aus dem Hepatitis B Virus verwendet, das seinerseits zuverlässig eine schützende Immunreaktion auslöst“, erklärt Valenta. So können mögliche Non-Responder, also Menschen, die keinen Impfschutz aufbauen, abgeholt werden. Nebenbei würde die Impfung auch gleich gegen Hepatitis B schützen, was der Forscher als Selbstexperiment bereits ausprobiert hat. Dieser zusätzliche Schutz konnte mittlerweile in einer klinischen Studie bewiesen werden. Das neue Hypoallergen-Prinzip wurde mit weiteren Partnern bis zu klinischen Studien der Phase 2 gebracht und patentiert. Die Lizenz wurde von einem chinesischen Pharmahersteller gekauft.
Und nun kommt der Geburtsort und der Finanzaufwand für die Marktzulassung von Impfungen (Phase 3 Studien mit mehreren Tausend Proband*innen) ins Spiel. Für den chinesischen Markt sind bei uns lästige Gräserpollen irrelevant. Der neue Patentinhaber konzentriert sich deshalb auf die Weiterentwicklung des Funktionsprinzips auf Hausstaubmilbe und Katzenhaare.
Hoffnung auf Danube Allergy Research Cluster
Wie geht es nun für allergische Menschen in Österreich weiter? Allergieforschung „made in Austria“ findet künftig am Danube Allergy Research Cluster statt. Seit 2020 arbeiten im Danube ARC neben der Karl Landsteiner Privatuniversität – Hauptsitz und Drehscheibe des interdisziplinären Clusters – die MedUni Wien, die Universität für Bodenkultur (IFA Tulln), die Veterinärmedizinische Universität Wien, das Austrian Institute of Technology (Standort Tulln) und die Universitätskliniken St. Pölten und Krems zusammen. Erwägungen, die nichts mit Medizin zu tun haben, sondern mit rein kommerziellen Überlegungen pharmazeutischer Firmen, stehen für Valenta als Arzt nicht im Vordergrund. Er nützt seine Kooperationen mit pharmazeutischen Firmen für die Weiterentwicklung seiner Forschungserkenntnisse, während der Danube ARC neuen Entdeckungen und der Umsetzung neuer molekularer Diagnose und Therapieformen zum Wohle der Menschen in unserem Land gewidmet ist. So sollen molekulare Diagnose und neue optimierte molekulare Impfstoffe günstig im Land verfügbar gemacht werden. Mittelfristig würde sich Valenta wünschen, dass sich Österreich wieder unabhängiger macht, also im eigenen Land Essen, Kleidung, Energie, medizinische Spitzenversorgung, Bildung und Pflege für die Bevölkerung bereitstellen kann. Was die größere Utopie ist: Autarkie oder das Ausschalten von Allergien schon im Kindesalter, wird sich weisen.