Alarm im Darm

Alexander Seper (25), Medizinstudent an der Danube Private University, war Teil eines internationalen Forschungsteams, das ein Bilderkennungs-Tool auf Darmgewebeproben trainiert hat. Künstliche Intelligenz soll künftig in der Klinik pathologische Diagnosen unterstützen.
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Segmentieren von Zellen in Gewebeschnitten

Ob Zimmerbrand, Autopanne in Ungarn, Stromausfall, Schlaganfall, Schnittwunde, wenn der Scanner streikt oder die elektrische Eisenbahn nicht fährt. Alexander Seper wäre in jeder dieser Situationen die richtige Person am richtigen Ort. Der Medizinstudent im vorletzten Jahr ist bei der Freiwilligen Feuerwehr, seit er zehn ist. Er hat nach der Unterstufe am zweisprachigen Gymnasium in Oberwart die HTL für Elektronik und technische Informatik in Pinkafeld absolviert. Er gehört zum ersten Jahrgang, der Humanmedizin an der Danube Private University studiert, und hat Ende 2023 gemeinsam mit Kolleg*innen im angesehenen Journal „Modern Pathology“ publiziert. Von den Maschinen wandte sich der gebürtige Burgenländer nach HTL-Matura und Wehrdienst beim Jägerbataillon in Güssing entschieden den Menschen zu. Sein Studium an der Privatuniversität wird mit einem Leistungsstipendium des Landes Burgenland unterstützt.

biopsy analysis
Mit Hilfe eines neu entwickelten KI-Tools sollen Darmgewebeproben vor klinischer Untersuchung beurteilt werden. Dieses Tool wurde durch bereits diagnostizierte Scans von Gewebeschnitten trainiert.

Als erste klinische Praxis bewarb sich der Unterwarter im März 2022 in der Pathologie im Landesklinikum Wiener Neustadt mit der Überlegung „nicht gleich ganz nahe an Patientinnen und Patienten zu sein“, erklärt er lachend. Davor hatte er im Spätsommer 2021 schon am Institut de Psychiatrie et Neurosciences in Paris geforscht. Nachwuchs in der Pathologie ist rar. Dabei ist die Erforschung krankhafter Veränderungen und die Ursachensuche essenziell – nicht erst, wenn ein Mensch verstorben ist. Der junge Mann war also vor Ort, brachte technisches Verständnis mit und hatte bereits Erfahrung bei der Beurteilung von diagnostischem Bildmaterial. So wurde Alexander Seper Teil eines Projekts, an dessen Ende ein einsatzbereites KI-Tool zur klinischen Vorbeurteilung von Darmgewebeproben steht. Der Algorithmus wurde mit Scans von Gewebeschnitten aus fünf verschiedenen Krankenhäusern in Europa und Japan trainiert, die bereits genau diagnostiziert und von erfahrenen Patholog*innen codiert worden waren.

Seper
Alexander Seper betont, dass Vorsorge die beste Medizin ist. Die dritthäufigste Tumorerkrankung in Österreich ist Dickdarmkrebs.

Historische Fälle aufbereiten

Konkret wurden Gewebeschnitte von realen Fällen aus den vergangenen fünf Jahren ausgewählt. Die Proben aus Darm-Biopsien oder Resektionen werden routinemäßig eingefärbt und fein geschnitten auf einem Objektträger konserviert. Einige hundert von ihnen hat Alexander Seper sorgfältig eingescannt. Zudem wurden darin die einzelnen Gewebeschichten und etwaige Veränderungen von Fachleuten genau klassifiziert. Die Unterscheidung und Anteile von Gewebearten in den Proben, also etwa Muskelzellen, Fett, Tumorgewebe, Immunzellen oder Schleimhaut, sind entscheidend für die korrekte Diagnose und bestgeeignete Therapie. Mit diesen Informationen angereichert, wurden die Scans aus fünf Kliniken dem selbst lernenden Bilderkennungsalgorithmus gefüttert. Das an der Uniklinik in Köln entwickelte KI-Tool musste seine Zuverlässigkeit danach in diversen statistischen Tests beweisen. Es kann nun ein Screening unterstützen und seine erste Einschätzung liefern, ob eine Probe gesundes, entzündliches, gutartige Tumore oder Krebs im Darmgewebe repräsentiert. Die darauffolgenden Entscheidungen fällen in Österreich immer ein Arzt oder eine Ärztin. Aber bei der Fülle an Gewebeproben und dem bereits angedeuteten Mangel an Patholog*innen kann ein automatischer Wegweiser bereits eine willkommene Unterstützung sein. Die Entnahme von Gewebe bei einer Biopsie oder Operation, Gewebeschnitte und Scans müssen jedoch vorab erfolgen, und diese Digitalisierungsroutine ist nicht durchgehend vorhanden. Durch fünf verschiedene Datensets lernte die KI eine gewisse Vielfalt kennen, „denn jedes Krankenhaus behandelt Proben etwas anders. Und natürlich gibt es auch fehlerhafte Schnitte, weil wir alle Menschen sind“. In einem zweiten Projekt kümmert sich Alexander Seper in Wiener Neustadt daher um „absichtliche Artefakte“, also verschmutzte und kontaminierte Proben auf Objektträgern, damit die KI damit umzugehen lernt.

Eine gewisse Vielfalt lernte die KI durch unterschiedliche Datensets kennen, den auch jedes Krankenhaus behandelt Proben immer etwas anders.

Vorsorge und Werdegang

Apropos menschliches Verhalten: Dickdarmkrebs ist die dritthäufigste Tumorerkrankung in Österreich. Alexander Seper betont also, dass Vorsorge die beste Medizin ist. Das Darmkrebs-Screening wird in Österreich noch zu wenig wahrgenommen“. Seit 2019 pendelt er mit dem Fahrrad zwischen der WG und der Uni in Krems sowie seiner Heimat Unterwart. Das letzte Studienjahr, das Klinisch Praktische Jahr, hat er bereits durchgeplant. Momentan interessiert ihn die Fachrichtung Chirurgie am meisten. Auf dem Weg dorthin arbeitet er als Tutor an der DPU und ist als ehrenamtlicher Rettungssanitäter im Bezirk Hartberg unterwegs. Nach Stationen im Demenzzentrum der Diakonie Südburgenland (Pflegepraktikum) und am Deutschen Herzzentrum München, wird er 2024 in einem Spital in Tansania in einer Notaufnahme arbeiten, in der Inneren Medizin an der Klinik Oberwart, bei einem Allgemeinmediziner in Unterwart, in St. Gallen in der Unfallchirurgie und am Klinikum Wiener Neustadt in der Allgemein- und Neurochirurgie. Ein bisschen Ausbildungszeit hat er noch mit geplanten Operationen unter Supervision, auf die sich der angehende Arzt mit dem Lehrbuch in der Hand gut vorbereitet. Neben der Ausbildung kommt ihm dabei zugute, dass er schnell sehr wach wird, ob im Nachtdienst oder von der Sirene der Freiwilligen Feuerwehr.

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Artificial Intelligence-Based Tool for Tumor Detection and Quantitative Tissue Analysis in Colorectal Specimens. Modern Pathology 36, 100327. https://doi.org/10.1016/j.modpat.2023.100327

© Fotografie Skokanitsch
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