Barockmusikgigant Johann Sebastian Bach war im 17. Jahrhundert als Orgelvirtuose und Cembalist aktiv, komponierte Choralvorspiele, Präludien und Fugen, schrieb Kirchenkantaten, Passionen sowie Kammermusik und gab als Lehrer sein Können weiter. Auch heute noch wirken Werke wie Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ beruhigend auf uns, wie eine Studie an der Danube Private University belegt. Besser schlafen, besser konzentrieren, Stress reduzieren? Klingt wie ein Traum.
Ob es am Basso ostinato, dem Tempo, den Harmonien, dem Instrument oder dem Gesamtpaket liegt, darüber will Studienleiter Christoph Kleber, studierter Chemiker, nicht spekulieren. Was er aber bestätigen kann: Bach beruhigt. Musik wirkt auf das autonome Nervensystem (für Atmung, Herzschlag, Stoffwechsel), das unsere Körperfunktionen in Ruhe sowie bei Aktivität ergänzend und gegenläufig reguliert. Im zweiten Halbjahr 2023 hat Kleber gemeinsam mit Constantin von See, Dennis Ladage, Wilhelm Frank und Alina Hofmann an der Danube Private University eine technisch aufwändige Studie mit KI-Unterstützung durchgeführt. 34 Freiwillige aus den Studiengängen für Human- und Zahnmedizin wurden rekrutiert. Lauter junge Menschen, 25 Jahre im Schnitt. Nach dem Ausfüllen eines Anamnesefragebogens mit Angaben zu Alter, Musikpräferenz, Gemütszustand und Gewohnheiten wie Ausdauersport oder Rauchen, wurden die jungen Frauen und Männer umfassend verkabelt. Für eine 5 Punkt EEG-Aufzeichnung (Messung der elektrischen Aktivität im Gehirn durch Reiz-und Informationsübertragung) und die kontinuierliche Messung von 14 Vitalparametern wie Puls, Blutdruck und Sauerstoffsättigung. Die Daten wurden während des Musikhörens erhoben.
Zehn Studierende gaben an, auch sonst klassische Musik zu hören. J.S. Bach konnte aber Ed Sheeran, Apache 207 und David Guetta vorab in der Beliebtheit nicht das Wasser reichen. Getestet wurde die Wirkung von Techno, Stille und Bach. „Um zu sehen, ob Musik einen Effekt hat, brauchten wir einen Referenzpunkt. Wir sind in der Planung davon ausgegangen, dass Stille für vollständige Entspannung steht und schnelle Musik, rascher als die Herzfrequenz, anregend wirkt. Das schien nicht für alle unsere Proband*innen der Fall zu sein. Es ist vielleicht eine Generationenfrage, ob Stille beruhigt oder Stress verursacht. Es gibt Leute, die bei Techno entspannter waren, als bei Stille, aber Bach schlägt in der Tiefenwirkung alles“, so Christoph Kleber.
3,3 Millionen Datenpunkte aus den Hirnstrommessungen wurden insgesamt generiert und mittels KI ausgewertet. Zum Einsatz kam eine Bilderkennungs-KI (Convolutional Neural Network), da es um Mustererkennung in den Datenpunkten/Frequenzen und deren Änderung während des Hörens ging. Tatsächlich war die KI in der Lage, nach rund zwei Sekunden den Gemütszustand von Proband oder Probandin anhand des EEG vorauszusagen. Ob ein entspannter Ruhezustand aus Messungen prognostiziert werden kann, ist nicht trivial. Sie könnte z.B. in der Betreuung von Wachkomapatient*innen interessant sein, die schwer über ihr Wohlbefinden Auskunft geben können. Aus den EEG-Profilen konnte auch identifiziert werden, welcher Input gerade gespielt wurde. Die KI wertete die Ursprungsdaten aus und anschließend wurde versucht, die gruppierten Ergebnisse der Proband*innen wiederum in Bilder zurückzuwandeln, wobei rot/kleinflächig für „Erregung“ steht und blau/großflächig für „Entspannung“.
„Ich breche ab und sage nicht mehr, als dass diejenigen Recht zu haben scheinen, welche viele Künstler gehört, aber doch alle bekennen, es sei nur ein Bach in der Welt gewesen.“ Jakob Adlung, 1699 – 1762, Organist, Komponist, Musikschriftsteller und Instrumentenbauer
„Wenn es gelingt, den systolischen Blutdruck um ein Hundertstel bar abzusenken, reduziert sich das Risiko für koronare Herzerkrankungen um bis zu 30 Prozent. Wenn wir Entspannung suchen, kann die Musik von Bach dabei helfen: vor dem Einschlafen, zum Meditieren, vielleicht auch beim Lernen“. Jetzt, wo sie das wissen, könnte die Beliebtheit von J.S. Bach bei den Studierenden noch einmal neue Höhenflüge erleben.
Astrid Kuffner