Schon luxuriös, der Blick auf einen Kokoschka beim Kaffeekochen: Über der Kaffeemaschine des Krenek Instituts, das an der Universität für Weiterbildung (UWK) untergebracht ist, hängt eine Porträtzeichnung eines der größten Künstler Österreichs. Wohl nur wenige Menschen, die das große Gebäude der UWK betreten, wissen von diesem verborgenen Schatz.
Oskar Kokoschkas Werk ist eigentlich wegen eines anderen Großen des Landes hier: Ernst Krenek, den der Meister der Moderne porträtiert hat – den stilistisch wandelbaren Komponisten, den vielfach Begabten, den Pionier der Neuen Musik, den Emigranten, der vor dem NS-Regime mit seiner Propaganda gegen „entartete Kunst“ floh. In seinen gediegenen Räumlichkeiten beherbergt das Krenek Institut einen Teil des Nachlasses von Krenek, der 1900 in Wien geboren wurde und 1991 in Palm Springs starb.

Nach der Emigration
An einem Vormittag im September hat sich das Leitungsteam – die Geschäftsführerinnen Alethea Dawn Neubauer und Martina Pröll sowie der wissenschaftlich-künstlerische Leiter Clemens Zoidl – im Besprechungsraum versammelt, um ask – art & science krems Auskunft zu geben über Krenek und die Geschichte ihres Instituts. An den Wänden: Bücherregale, in denen die Privatbibliothek Kreneks untergebracht ist.
2004 gründete die Witwe des Komponisten, Gladys Nordenstrom Krenek, eine Privatstiftung. Diese ist getragen von Bund und Land Niederösterreich. Wieso Krems, wo Krenek doch gebürtiger Wiener war und 1938 das Land verließ? Die Gründe dafür sind laut Martina Pröll rein pragmatisch: „Das Land Niederösterreich war einfach schneller als Wien.“ Die Zuständigen sicherten Förderungen zu und stellten Räumlichkeiten an der UWK zur Verfügung.

Die Bestände fokussieren sich auf die Zeit nach der Emigration; der Nachlass bis 1938 lagert in der Wienbibliothek. Das Krenek Institut betreut neben 25.000 Seiten Musikautographen (darunter etwa die Partitur der berühmten Oper „Jonny spielt auf“) literarische und musiktheoretische Schriften, 40.000 Briefe von so prominenten Korrespondenzpartnern wie Theodor W. Adorno, Kokoschka, Igor Strawinsky, Ronald Reagan und Helmut Zilk. Dazu bauten die Verantwortlichen einen wunderschönen Ausstellungsraum in fußläufiger Nähe, im Minoritenkloster, auf, den Salon Krenek.
Neben seiner Kompositionsarbeit rezensierte der Künstler Bücher, unter anderem für die Wiener Zeitung. In seiner Bibliothek erhielten sich zwei Bände von Thomas Mann, die dieser höchstpersönlich dem Empfänger widmete – „in dankbarer Erinnerung an seine bedeutende Besprechung der Anfänge dieses Werkes“. Musikwissenschaftler Clemens Zoidl ist, wie er sagt, fasziniert von der „Bandbreite seines Potenzials, aber auch von seinen intellektuellen und sprachlichen Fähigkeiten.“

Hetze gegen „entartete Musik“
Die Aufgaben des Instituts sind vielfältig. Alethea Dawn Neubauer beschreibt ihren Alltag so: „Wir verwalten und betreuen das Archiv, stellen es der Öffentlichkeit zur Verfügung und stehen mit Rat und Tat zur Seite, wenn jemand etwas braucht.“ Dazu kommen jede Menge Veranstaltungen im Salon Krenek. Zudem macht man „Werke, die noch nicht verlegt sind, in Noteneditionen als Open Access zugänglich.“ Beispielsweise die Triophantasie op. 63. Diese entstand 1929 – in einer künstlerischen Krise am Ende von Kreneks „neoromantischer“ Phase, wie Zoidl in seinem Editionsbericht ausführte. Aus dieser Zeit stammt auch „Jonny spielt auf“ – jene Oper, deren Plakat später der NS-Propaganda zur rassistischen Hetze gegen „entartete Musik“ diente, war darauf doch ein Schwarzer Jazzmusiker zu sehen. Einen Auszug daraus können sich Besucher*innen des Salons Krenek anhören – wie sich die jazzig angehauchten Klänge zu immer flotterem Tempo steigern, das macht Lust auf mehr.

Euphorieausbrüche
Die Ausstellung im Salon Krenek beleuchtet, vom Leitungsteam mit Grafikerin Larissa Cerny, Kuratorin Nadia Wimberger-Rapp sowie dem Team von Planet Architects meisterhaft gestaltet, Leben und Werk des Komponisten: Vitrinen zu den verschiedenen Phasen und Stilen Kreneks finden, farblich verknüpft, ihre Entsprechung in Hörbeispielen; mittels eines Videos können Besucher*innen durch das Haus des Ehepaars Krenek in Palm Springs navigieren. Besondere Highlights sind jene ORF-Aufnahmen, in der Krenek die Zwölftonmusik anhand eher profanerer Gegenstände wie Teekannen erklärt, und natürlich: der Synthesizer! In seiner Vielfältigkeit – von Neoromantik über Zwölftonmusik und Serialität – zählt Krenek auch zu den Pionier*innen der elektronischen Musik. Manchmal bespielen Künstler*innen, die als Gäste des AIR – Artists in Residence Niederösterreich in Krems sind, das Gerät. Den Informationen des Krenek Instituts zufolge ist der Synthesizer – Modell Buchla, Baujahr 1966/1967 – der einzige in Europa, der noch im Originalzustand erhalten ist. Kein Wunder, dass er regelmäßig zu Euphorieausbrüchen bei jenen, die sich auskennen, führt.
Nina Schedlmayer