Sage, wie lange jemand in einem Feld arbeitet, ohne zu sagen, wie lange er in dem Feld arbeitet. Walter Seböck ist Generation Commodore 64, und als er sich erstmals mit Informationssicherheit befasste, hieß IT noch EDV. Als der heutige Leiter des Zentrums für Infrastrukturelle Sicherheit in das Thema einstieg, war Informationssicherheit als Überschneidung von Netzwerk-, Hard- und Software-Sicherheit „eine Nische, die auch Microsoft oder IBM nicht am Schirm hatten. Die Sicherung von Informationen braucht jedenfalls mehr, als die Summe dieser drei Teile. Informationen aus gesammelten Daten zu gewinnen, aber auch das Stehlen oder Manipulieren von Daten sind geldwert“.
An der Universität für Weiterbildung Krems wurden seit ihrem Start Lehr-Programme für die Praxis der Informationssicherheit angeboten, und 1996 absolvierte Walter Seböck selbst den Lehrgang für Telematik. Gerade werden neue Studien nach dem Bologna-System erdacht und konzipiert, und hier will er sich wieder stark einbringen. Innerhalb der Sicherheitsthematik beschäftigt sich der Politikwissenschafter und IT-Experte mit amerikanischem IT-MBA mit kritischer Infrastruktur, also allem, „was unsere Gesellschaft benötigt, um überlebensfähig zu bleiben. Diese Infrastruktur ist zunehmend digitalisiert und stärker von Daten abhängig“. In Österreich zählt dazu die Versorgungsicherheit bei Lebensmitteln, Verkehrs-, Telekommunikation-, Energie- und Finanzdienstleistungen wie auch die gesicherte Versorgung mit Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen. Mit 9/11 wurde das Thema weltweit auf die Agenda gesetzt.
Beruflich Pessimist
Die kürzeste Definition dessen, was er tut? „Zu untersuchen und erforschen, wie etwas funktioniert und wie man einen Ausfall vermeidet. Kritische Infrastruktur wird nicht von Amateur*innen betrieben. Wir arbeiten mit Profis in verschiedenen Institutionen zusammen und liefern ihnen den Blick der Wissenschaft.“ Er steht nicht in der Einsatzzentrale, sondern betreibt seit 2001 an der Universität für Weiterbildung Krems Sicherheit als Wissenschaft. Er gibt Empfehlungen ab, wo hingeschaut werden sollte. Sein professioneller Zugang für Optimierungen? „Vom schlimmsten ausgehen und das Worst Case Szenario im Blick haben. Persönlich bin ich Optimist und glaube ans Gute im Menschen, obwohl ich einige Male das Gegenteil gesehen habe.“
Letztlich ist es auch bei der Infrastruktursicherheit wie bei Gazelle und Gepard. Für sie geht es ums Leben. Für ihn um eine Mahlzeit. Walter Seböck will, dass die Gazelle gut vorbereitet und schneller ist. Das braucht Erfahrung, nüchterne Sachlichkeit, einen Blick für Schwachstellen, Szenariodenken und Einblicke in die Praxis. In Europa ist die kritische Infrastruktur in manchen Bereichen besser in Schuss, als in den USA, so der Fachmann. Er macht dafür starke staatliche Akteure und Kontrolle verantwortlich. Die Corona-Pandemie, aber auch die „Evergiven“ im Panamakanal zeigen jedoch, dass die Globalisierung gute und schlechte Seiten hat: „Manche Versorgungsketten z.B. für Pharmaprodukte müssen wir für Europa überdenken. Ich sage bewusst – für Europa –, weil sich Österreich nicht abkoppeln kann. Es ist ein Gefüge, wie auch bei den Stromnetzen, das im Lot bleiben muss.“
Grundlagen der Sicherheitseinschätzung
Für eine gute Sicherheitseinschätzung – vom Kraftwerksausfall bis zur Desinformation, vom Bahnverkehr bis zum sicheren Registerdatenaustausch – braucht es zunächst eine solide Risikoanalyse, die in eine Matrix mit Stärken und Schwächen mündet. Um die Schwächen zu beheben, wird gerne in technologieorientierte Sicherheit investiert. Tatsächlich sind aber bei 80 Prozent der unerwünschten Zwischenfälle Menschen die Auslöser. Fortschritt bringen hier Schulungen, Bewusstseinsbildung und unbeliebte Maßnahmen, wie die Überwachung des Personals. Noch besser wäre es, ein Radar für die Korruptionsneigung der eigenen Mitarbeiter*innen zu haben.
Genau an dieser Schnittstelle lassen sich auch prägende Erfahrungen verorten, die Walter Seböck mit seinem Spezialgebiet verbinden. Auf der Seite des Menschen nennt er das politisch brisante Jahr 1989, bei dem er Regimewechsel auch vor Ort erlebt hat oder seine Beschäftigung mit der „Intifada“ für die Diplomarbeit. Auf der Seite der Technik steht die frühe Beschäftigung mit dem C64, Programmiersprachen, aber auch der ersten Simulations-Software Cascon, die bei der Einschätzung von Konfliktherden unterstützen sollte.
Wie geht es ihm mit dem Genre Katastrophenfilm? „Ich finde es amüsant, schaue mir diese Filme ganz gerne an. Meistens erschöpfen sie sich in Ufos, Vulkanen und Meteoriten, die alles zerstören. Manche sind faszinierend nah an der Wahrheit wie etwa ‚Staatsfeind Nummer 1‘.“ Und was hält er vom Bestseller „Blackout“? „Die Ursache für den Stromausfall ist ein G’schichtl, die Folgen aber sind gut beschrieben.“
Astrid Kuffner