Ein Kunstvermittler spricht über ein Gemälde, auf dem nichts außer ein Pinselstrich zu sehen ist. Der Künstler kokettiere mit einer „Anspielung auf Yves Klein“, führt er salbungsvoll aus. Er lade sein Publikum ein, „Teil eines performativen Akts zu werden“. In der nächsten Szene sieht man den Künstler bei der Anfertigung seines Gemäldes. Er schlurft ins Atelier, macht einen Strich auf die Leinwand, schreit Absurdes. Und fertig.
Social-Media-Star
Es ist einer von zahllosen Kurzclips von Toxische Pommes, die sie auf Social Media postet. Die Satirikerin und Comedienne, die die von ihr erdachten Rollen alle selbst spielt und auch als Juristin arbeitet, tritt in die Öffentlichkeit nur mit ihrem Vornamen Irina oder eben ihrem Künstlerinnennamen. Diesen erklärte sie einmal schlicht so: „Ich bin aus einer toxischen Beziehung heraus. Außerdem liebe ich Pommes.“
Das Projekt, das sie während der Pandemie mit einem „sehr naiven Zugang“, wie sie im Zoom-Gespräch mit ask – art & science krems sagt, startete, entwickelte sich prächtig: Mittlerweile hat sie 169.000 Follower auf Instagram, 91.500 auf TikTok. Einen kleinen Einblick in ihre Arbeit gibt sie nun im Karikaturmuseum Krems in der Ausstellung „Der unsterbliche Österreicher“ als „Exkurs #10“. Dort zeigt sie einige ihrer Clips, ein Interview sowie vier ihrer Kinderzeichnungen. Auf einer davon winken Mutter und Kind dem Vater nach. Er sitzt in einem Auto, das am Dach ein großes Paket trägt, und macht sich auf den Weg nach Jugoslawien, wie es in der Bildbeschriftung heißt.
Die komplizierten Maiers
Die Zeichnungen führen zurück in eine Zeit, die für sie, deren Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien liegen, nicht einfach war: „Eine Lehrerin benotete mich schlechter, weil ich ein Ausländerkind war“, erzählt sie. „Ich assimilierte mich sehr stark. Meine Eltern sagten am häufigsten den Satz: ‚Es könnte schlimmer sein.‘“, erzählt sie. Rassismus, wie sie ihn selbst als Kind in Wiener Neustadt erleben musste, ist eines der zentralen Themen ihrer Arbeit, ebenso wie das allgemeine Spießertum, gern auch in der Bobo-Variante, Misogynie und der Kulturbetrieb. Eines ihrer Videos spielt unter dem Titel „Wie sich Österreich Integration vorstellt“ in einem Amt. In der Rolle des Beamten schreit sie: „Sie sind Abschaum, wir hoffen alle auf Ihre Abschiebung.“ Das Gegenüber sagt, ohne mit der Wimper zu zucken: „Ich liebe Österreich.“ In ihren Arbeiten setzt sie klischeehafte Sager so ein, dass sich deren Absurdität herausschält. Der stereotypen Rede vom Künstler, den man „von seiner Kunst trennen“ müsse, stellt sie einen solchen gegenüber, der Vergewaltigungsfantasien äußert. Dem Gejammere darüber, dass „ausländische“ Namen so „kompliziert“ seien, begegnet sie, indem sie die zahllosen Schreibweisen des Namens „Maier“ aufzählt.
Haiku-Meisterin
Toxische Pommes entwickelte eine Meisterinnenschaft in Haiku-artiger Kürze. „Die Kürze ist der Aufmerksamkeitsspanne geschuldet“, sagt sie. „Wie in der Karikatur und im Comic.“ Schon als Kind habe sie gern Leute imitiert, „mit ihren Gesten und ihrer Mimik. Wie ein Papagei machte ich Stimmen nach.“
Längst ist Toxische Pommes ein Promi. „Fast jedes Mal, wenn ich hinausgehe, spricht mich jemand an. Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhne“, erzählt sie. „Die Begegnungen sind aber immer sehr nett – es gibt Schlimmeres, als auf der Straße Komplimente zu bekommen.“ Nur in der Dusche im Fitnesscenter wird ihr das Fantum manchmal zu viel.
Seit 2021 steht Toxische Pommes auch auf der Bühne. Ihr Programm heißt „Ketchup, Mayo und Ajvar. Die sieben Sünden des Ausländers“. Sie gastierte damit schon an der legendären Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Für ihren allerersten Auftritt lud sie der PCCC*-Club ein. Rückblickend sagt sie darüber: „Als ich erstmals auf der Bühne stand, war ich sehr aufgeregt. Ich wusste nicht, worauf ich mich einlasse, versuchte aber nie, die Videos zu übersetzen, sondern ein neues Format zu schaffen. Die Logik auf der Bühne funktioniert ganz anders. Man kann unmittelbar mit dem Publikum spielen.“
Klarer Blick
In ihren Clips zur Kunstwelt zeigt sich, dass ihr diese nicht ganz unbekannt ist – in einem Video der Künstlerin Anna Spanlang spielt sie auch selbst mit. Illusionen über diese Branche macht sie sich sichtlich keine: „Die Kunstszene scheint auf den ersten Blick viel freier zu sein als die juristische Welt, auf den zweiten entpuppt sie sich aber als ihr ähnlich. Ich dachte früher, alle hätten Zugang zur Kunst. Tatsächlich herrschen dort dieselben kapitalistischen Verhältnisse und Machtgefälle wie überall sonst. Wer kann es sich schon leisten, Kunst zu studieren? Die Durchmischung auf der juristischen Fakultät ist bunter als an den Kunstakademien.“
Auf der Bühne erzählt toxische Pommes über eine Renate, die ihr sagte: „Schleich dich zurück in dein Land, wenn es dir hier nicht gefällt!“ Ihr Kommentar: „Leider gab es das Land, aus dem meine Eltern geflohen waren, nicht mehr. Toller Tipp, Renate.“ Guter Humor ist – im besten Fall – eben immer auch ziemlich bitter. Und er tritt nicht nach unten, sondern boxt nach oben. Oder auch: dorthin, wo sich die Mehrheitsgesellschaft unantastbar glaubt. Denn der Blick derer, die marginalisiert werden, ist oft klarer als der jener, um die sich ohnehin alles dreht. Die ihre vermeintliche „Normalität“ gern vor sich hertragen.
Nina Schedlmayer