Wo das Licht wedelt

Kunst und Garten im Dialog: Einblicke in den Skulpturengarten im Minoritenkloster.
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Wenn ein ask–Beitrag über den Skulpturengarten im Minoritenkloster in der Rubrik „Backstage“ erscheint, dann ist dies im ganz konkret räumlichen Sinn zu verstehen: Denn das gärtnerische und künstlerische Kleinod Steins schlummert tatsächlich hinter den Kulissen. Ab und zu jedoch können Besucher:innen dahinter blicken – im Sommer 2023 ist der Ort im Verborgenen bei Führungen in der Reihe „Fokus Minoritenplatz“  zugänglich.

Scharnier zwischen Stimmungslagen

Bereits in den 1990er-Jahren entstand die Idee, rund um das Minoritenkloster Kunst zu zeigen. Der Vorbote des Skulpturengartens kann jederzeit am Minoritenplatz besichtigt werden: eine markante Skulptur von Manfred Wakolbinger, die wahrlich Wellen schlägt – fünf Meter Kupfer, Eisen und Glas.

Auch der 2007 verstorbene Künstler Adolf Frohner, dem zu Ehren im selben Jahr das Forum Frohner errichtet wurde, zeigte sich angetan von der Idee, den Klostergarten durch Skulpturen zu ergänzen. Sie stammen allesamt aus den Sammlungen des Landes Niederösterreich. Einst als Ort der Spiritualität und Einkehr gedacht, zieht sich der Garten vom White Cube des Forum Frohner entlang der Klostermauern bis zum Chorbereich der Kirche. Das Minoritenkloster dient längst anderen Zwecken, doch die ursprüngliche Bestimmung blieb atmosphärisch immer erhalten. Wer vermag sich den aufwärtsstrebenden Räumen des Kirchengebäudes schon zu entziehen? Überhaupt beim Besuch einer Klanginstallation im Klangraum Krems Minoritenkirche wie aktuell der fantastischen Arbeit der Künstlerin Christina Kubisch? Ebenso verhält es sich mit der Ruhe, die der Garten ausstrahlt. Er erstreckt sich zwischen Weinbergen auf der einen Seite und der kleinstädtischen Architektur auf der anderen – wie ein Scharnier zwischen zwei verschiedenen Stimmungslagen.

Gottfried Höllwarth – monumentale Granitskulptur „Kopf Kreuz“

Schutzfunktion per Licht

Abgesehen von Wakolbingers 1993 installiertem „Kunstwerk am Minoritenplatz“ (so der Titel der Skulptur) ist eine weitere Arbeit weithin sichtbar: die im selben Jahr entstandene Lichtinstallation von Rudolf Macher am Kirchturm, Titel „Luxattraktor“: Baulampen, in einen Aluminiumzylinder gefasst. Kein edles Material, sondern banale Gebrauchsgegenstände verwendete der Künstler, um Licht von oben erstrahlen zu lassen. Macher erinnerte daran, dass noch bis vor 120 Jahren ein „Türmer“ nächtens von dieser Stelle aus die Stadt bewachte. Die (derzeit aufgrund der Energiekrise ausgeschaltete) Installation lässt auch an diese Schutzfunktion denken.

Alle anderen Kunstwerke benötigen keine Energie – außer die ihres Publikums, sich darauf einzulassen. Doch das fällt nicht allzu schwer. Eva Afuhs’ Kreuz etwa: Es ist ein Readymade, angefertigt aus einer Trägerkonstruktion, wie sie üblicherweise bei Gebäuden zum Einsatz kommt. Auf einem niedrigen Ständer schwebend, lässt sie sich sogar sachte in Bewegung versetzen – und nimmt so mehr den Charakter eines Spielgeräts an als den eines christlichen Symbols. Bei Gottfried Höllwarths monumentaler Granitskulptur „Kopf Kreuz“ ergibt das Kreuz als künstlerischer Einschnitt eine kultische Einheit mit dem natürlich gewachsenen Stein.

Eva Afuhs´ Kreuz

Weinberge summten vor Stille“

Eine unerwartete Begegnung wartet an der Außenmauer des Chors: Da zieht ein langes Rennruderboot plötzlich den Blick nach oben – Ona B.‘s „Nigredo“. Wie eine Nadel sticht es – nicht in See, sondern in den Himmel. Was für eine Dynamik! Auf einer weiteren Ebene lässt sich Ona B.s Arbeit als Metapher auf die Überfahrt zwischen Leben und Tod lesen, zwischen Diesseits und Jenseits. Ganz anders die Stahlstele von Franz Katzgraber: Durch die Betonung der Vertikale will der Künstler das Lebensbejahende zum Ausdruck bringen.

Auf besondere Weise setzte sich der dänische Künstler Per Kirkeby mit dem Skulpturengarten auseinander, der eigens dafür eine Installation schuf. Von seinem Besuch hier berichtete er so: „Ich ging um die Kirche herum, um auf einen möglichen Platz für die Backsteine zu kommen. Eng und zugewachsen war’s und ungepflegt. Man konnte sich gerade an der einen Längsseite entlangzwängen, die andere war mit anderen Gebäuden zusammengewachsen. Aber ganz hinten, an den langen Strebepfeilern des Chorabschlusses, dort gab’s sowohl Stadt als auch Land.“ Die Bilder entstanden wie von selbst: „Und während ich beschwörend im Unkraut umherschritt, begannen die Grabsteine emporzuwachsen. Wie Pilze an der Wurzel des hochstämmigen Chores. Das Licht wedelte im Laub, die Weinberge summten vor lauter Stille, die Stadt zerfiel.“ Das Ergebnis dieser und der darauffolgenden Überlegungen manifestierte sich in vier kreuzförmig angeordneten Architekturmodulen – Mauern aus Ziegelsteinen, in denen Nischen eingelassen sind und wie Fragmente, Ruinen vielleicht, erscheinen.

Per Kirkery – Architekturmodulen – Mauern aus Ziegelsteinen

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Themenführung „Fokus Minoritenplatz“

29.07. & 26.08.2023, jeweils 16.00 – 17.00 Uhr

Der ansonsten für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Skulpturengarten im ehemaligen Minoritenkloster in Krems-Stein steht im Fokus dieser Führung. Außerdem werden die Ausstellung „Oberhuber trifft Frohner“ im Forum Frohner sowie die Klanginterventionen von Christina Kubisch und Félix Blume im Klangraum Krems Minoritenkirche vorgestellt.

Fotos: © Kunstmeile Krems Betriebs GmbH
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