Der Name klingt wie ein Wirtshaus: Zur Wachauerin – so heißt jene Bandformation, die mit neuem Wachauerlied seit ihrer ersten CD mit dem Titel „Kalmuk“ 2003 international auf sich aufmerksam macht – mit Mundarttexten, die es in sich haben und von Gitarren in Anlehnung an traditionelle Volksmusik vorangetrieben werden. Die Texte dichtet und singt Schriftsteller Wolfgang Kühn, der auch als Literaturvermittler umtriebig ist. Sie drehen sich häufig um lokale Besonderheiten, historische Begebenheiten, Sagen oder auch ganz allgemein Menschliches. Albert Hosp, der das Festival Glatt&Verkehrt leitet, sagt über Zur Wachauerin: „Sie spielen eine sehr abgeschrägte und avancierte Volksmusik.“ Die Herren an der Gitarre heißen Fabian Pollack und Michael Bruckner – letzterer ist auch als Komponist und „Klanginstallateur“ (Selbstbezeichnung) tätig; er komponiert nicht nur für seine eigenen Bands, sondern auch für andere Ensembles und weitere Projekte im Kulturbereich – von Tanz über Theater bis zum Film.
Herz- und Schmerzensmann
Für Glatt&Verkehrt entwickelt Michael Bruckner mit Zur Wachauerin nun einen Abend zu US-Countrymusiker Hank Williams („Zur Wachauerin extended plays Hank Williams“, Uraufführung 26. Juli). Hosp erzählt: „Ein Drittel der Songs sind von Hank Williams und wurden übersetzt, ein Drittel wird im Original gespielt, und ein Drittel sind eigene Texte von Wolfgang Kühn.“ Der Herz- und Schmerzensmann Hank Williams wäre heuer 100 Jahre alt geworden, schied aber schon 1953 mit erst 29 Jahren durch einen Herzinfarkt – höchstwahrscheinlich herbeigeführt von Alkohol- und Medikamentenmissbrauch – aus dem Leben. Was interessiert Michael Bruckner an ihm? „Bei aller Ambivalenz der heute klischeehaft wirkenden Texte – der nicht enden wollende Fluss seiner Melodien ist für mich beeindruckend und großartig“, lässt er wissen.
Für das Hank-Williams-Projekt arbeitet Bruckner mit zahlreichen anderen Musiker*innen – die bewährte Besetzung ergänzen Vinzenz Witzlsperger, als Frontmann der Wienerliedband Kollegium Kalksburg schon selbst fast eine Legende, die Sängerin Anna Anderluh, die mit ihren ungewöhnlichen Interpretationen schon bei dem Festival Imago Dei auf sich aufmerksam machte, die Schlagzeugerin Judith Schwarz, Beate Wiesinger am Kontrabass und E-Bass sowie Multiinstrumentalist Max Mayerhofer.
„Rückratlose Heldinnen“
Wer sich nur ein wenig mit dem Wirken von Michael Bruckner beschäftigt, braucht sich nicht groß zu wundern, dass sein neuestes Projekt von einem US-Country- und Westernmusiker inspiriert ist. Denn die Vielfalt, die Abwechslung zwischen den Genres sind Bruckners Programm. Er ließ bereits Ameisen über Flächen laufen, um Sound zu erzeugen („Rückratlose Heldinnen“), entlockte einer „Küchenspülenukulele“ schräge Töne, interpretierte als Gitarrist mit der Sängerin Julia Noa Fischer unter dem Namen Attosphere auf experimentell-aufregende Weise Lieder des Romantikers Robert Schumanns und setzt mit Fabian Pollack, mit dem er auch unter dem Bandnamen Nifty’s arbeitet, Tanzflächen unter Strom – mit rasender Klezmermusik, die jede*n vom Hocker reißt. Zudem wirkte Bruckner bereits im skulpturalen Kontext, etwa mit einer „Wandlerkette“, die er 2004 im Klangraum Krems aufbaute, eine „Reaktionskette, die besonderes Augen- und Ohrenmerk auf den akustischen Moment legt“, wie der Musiker mitteilt.
Diversität in der DNA
Der Name Zur Wachauerin ist inspiriert von einem Liedtitel Ernst Schandls, eines 1997 verstorbenen Komponisten, der neben Kirchen- auch Volksmusik komponierte. Sein Liederverzeichnis ist beeindruckend lang – doch so vielseitig wie Michael Bruckner war der Wachauerlied-Musiker wohl nicht. Kein Wunder, dass Bruckner bei Glatt&Verkehrt schon mehrmals auftrat: Schließlich trägt das Festival die musikalische Diversität und das Überschreiten von Stilgrenzen gewissermaßen in der DNA.
Nina Schedlmayer