Kremser Unorte neu denken

Architektin Tania Berger, künstlerische Leiterin eines Projekts im Rahmen des Niederösterreichischen Viertelfestivals, über ihre Vision für den Abschluss im Herbst.
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Weiße Flecken in Krems

Auch eine pittoreske Stadt wie Krems, mit starken historischen Wurzeln, der Gunstlage am Fluss, herausgeputzten Häuschen und Denkmalschutz hat ihre „Unorte“. Unbeachtete Ecken, leerstehende Lokale, betonierte Flächen und Plätze, die ungenutzt bleiben, leer stehen und auf Belebung warten. Der Unort ist ein Gegenbegriff zum Ort, der Identität stiftet und klar definiert ist. Orte liegen im Fokus, Unorte sind Unschärfen im öffentlichen Raum, auf die wir erst einmal scharf stellen müssen.

Wie er genau aussieht und was ein Unort ist, liegt ganz im Auge der Betrachter*in. Und genau diese Perspektiven sowie Ideen für die künftige Gestaltung will Tania Berger vom Verein raumgreifend, Architektin und künstlerische Leiterin des Projekts „Die weißen Flecken von Krems. Unorte am Rande unserer Wahrnehmung“ bis Mitte August im Rahmen des Niederösterreichischen Viertelfestivals 2023 sammeln. Berger, hauptberuflich Leiterin des Clusters „Social sPACe based research in built Environment“ (SPACE) am Department für Bauen und Umwelt der Universität für Weiterbildung Krems, interessiert sich für die Interaktion der Menschen mit der gebauten Umwelt. Ihre persönlichen „Unorte“ sind „die zahllosen Verkehrsabstandsflächen im öffentlichen Raum. Für diese wünsche ich mir viel mehr Bio-Diversität durch vielfältige, standortgerechte Pflanzen – wie sie etwa in der neuen Ringstraße schon Einzug gehalten haben. Damit Insekten von einer grünen Insel im grauen Häusermeer zur nächsten gelangen können“.

Tania Berger
Tania Berger ist Architektin und künstlerische Leiterin des Projekts
Die weißen Flecken von Krems. Unorte am Rande unserer Wahrnehmung“.

Täglich durchquertes, aber unerforschtes Gelände

Bis ins 18. Jahrhundert markierten weiße Flecken auf unseren Landkarten unerforschtes Territorium, dessen Geographie den Kartographen noch unbekannt war. Heute ist jeder Zentimeter des Planeten digital erfasst, und doch gibt es Räume, über die wir eigentlich nichts wissen, obwohl wir vielleicht täglich an ihnen vorbeikommen.

Wer einen Unort in den Blick nimmt, riskiert unterschiedliche Gefühle: innere Leere vielleicht, Wehmut, Ärger, Sehnsucht, Unverständnis, Langeweile oder Genervtheit. Oder den schlichten Wunsch, einen Leerstand wieder belebt zu sehen, sich eine blühende Zukunft für ihn auszumalen als idealen Standort für etwas ganz Neues.

Genau diese Erfahrungen interessieren die Macher*innen und sie rufen dazu auf, diese zu teilen. Die Teilnahme am Projekt ist denkbar einfach und funktioniert virtuell: Auf einer Online-Plattform kann jede*r mit dem Handy Fotos von „Unorten“ hochladen, berichten, wie diese erlebt werden, sie mit Geodaten versehen, von neuen Nutzungen träumen oder konkrete Wünsche anbringen.

Tania Berger hat zu Projektbeginn im Mai einen Schüler*innen-Workshop durchgeführt und berichtet von ihren Erfahrungen: „Mein Eindruck war, dass viele überrascht waren von der Möglichkeit, selbst aktiv ihre Umgebung bewerten zu können, die sie bisher einfach als gegeben hingenommen und nicht hinterfragt haben. Das sind wir alle nicht recht gewohnt. Es wäre schön, wenn dieses Projekt dazu beiträgt, hier Wahrnehmungsmuster ein wenig zu erweitern.“

Die Entdeckungsreise beginnt im Alltag. „Unorte“ können ausfindig gemacht, „erobert“ und kartographiert werden. Eingeladen sind bis Mitte August alle Bewohner*innen von Krems und alle, die hier Zeit verbringen. Die Ergebnisse sollen gemeinsam mit der Kulturabteilung der Stadt Krems in einer Ausstellung präsentiert werden, und ein Reiseführer zu den weißen Flecken in der Stadt wird entstehen. Was wünscht sich Tania Berger für den Herbst, wenn das Projekt abgeschlossen ist? „Das ist tatsächlich völlig offen, und ich bin richtig gespannt auf die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen. Wer weiß: Vielleicht entstehen ja richtig spannende, neue Nutzungsideen – diese auch umzusetzen, wird dann das nächste Projekt!“

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Eine Antwort

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Fotos: Daniela Matejschek, pixabay / Dieter Werderitsch
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