Am Strand bedeutet die rote Flagge Badeverbot, auf TikTok oder beim Dating werden mit Red Flag Personen und Inhalte markiert, von denen eine Gefahr ausgeht. Aber was hat sie in der Physiotherapie für eine Bedeutung? Die Alarmglocken sollten jedenfalls läuten, wenn Physiotherapeut oder Physiotherapeutin im Gespräch, bei der körperlichen Untersuchung oder während der laufenden Behandlung ein Warnsignal – „Red Flag“ – wahrnehmen, „das auf eine schwerwiegende und nicht dem Behandlungsgrund entsprechende Erkrankung von Patient oder Patientin hindeutet“, beschreibt Jessica Janssen, Professorin am Department of Health Sciences der IMC Fachhochschule Krems. 2020 wurde etwa ein Katalog von Warnsignalen für schwere Wirbelsäulenleiden festgelegt, das International Framework for Red Flags for Potential Serious Spinal Pathologies, „doch das Wissen darüber steht in Österreich noch am Anfang“. Die FH-Professorin hat eine Teilerklärung, warum das so ist. In Ländern mit direktem Zugang zur Physiotherapie müssen Therapeut*innen selbst mehr entscheiden und lernen auch mehr über Red Flags in der Ausbildung. Weil Physiotherapie in Österreich mit Überweisung durch einen Arzt oder eine Ärztin in Anspruch genommen wird, ist die Verantwortung für das Wohl der Patient*innen immer geteilt.
Seit Jänner 2022 erarbeitet die gebürtige Niederländerin gemeinsam mit den FH-Kollegen Wolfgang Lackenbauer, Reinhard Beikircher, Christian Keip und Simon Gasselich den besten Weg, das Wissen über Warnsignale und daraus abgeleitete Handlungsoptionen in der heimischen Physiotherapieszene zu verankern. Finanziert wird „Red Flags: Improving Knowledge of Serious Pathologies“ aus Mitteln des Niederösterreichischen Forschungsfonds.

Den Wissensstand prüfen
Am Beginn stand eine österreichweite Befragung von angestellten und freiberuflichen Physiotherapeut*innen. In dem Fragebogen wurden zwölf Fälle beschrieben und gefragt, was die Behandelnden jeweils tun würden. Die Ergebnisse der Befragung waren durchwachsen, das Interesse an dem Thema jedoch hoch. Abgefragt wurde auch, ob und wie die Fachleute am liebsten darüber lernen würden.
Ein typisches Warnsignal sind etwa bewegungsunabhängige, andauernde Schmerzen. Aber auch, was Patient*innen sonst so erzählen von Schlafstörungen oder nicht erwünschtem Gewichtsverlust. Die richtige Reaktion auf Red Flags erfordert gezieltes Fachwissen, aktives Zuhören und Kombinationsgabe. Im nächsten Schritt erarbeitete also ein Team aus dem Physiotherapie-Studiengang der IMC FH Krems gemeinsam mit Fachärzten und -ärztinnen der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (Leitung von Assoc.-Prof. Dr. Manfred Wieser) mit ihren Universitätskliniken in Krems und Tulln in Kleingruppen echte Fälle. Sie diskutierten und bestimmten, was über Patient*innen bekannt sein muss, um in der Physiotherapie richtig handeln zu können. Ein Set von 25 Übungsfällen für den Unterricht, mit rund zwei Seiten Infos je Patient*in, wird gerade intern und extern validiert – in Kooperation mit medizinischen Institutionen aus Krems.

Eine Ampel fürs Handeln
Die Handlungsoptionen orientieren sich an einem Ampelsystem. Grün: alles ok; gelb: im Auge behalten und weiter beobachten, orange: wegschicken und binnen Tagen bei Arzt oder Ärztin abklären lassen, rot: wegschicken und binnen Stunden im Spital abklären lassen.
Das validierte Set von Übungsfällen soll bei der Entwicklung eines geeigneten (Weiter-) Bildungsangebots helfen. Damit es im Fall einer schwerwiegenden Erkrankung nicht zu einer unnötigen Behandlungsverzögerung kommt.
Astrid Kuffner
Eine Antwort
Vielen Dank für diesen Artikel zu Physiotherapie. Gut zu wissen, dass an einem Ampelsystem für Handlungsanweisungen gearbeitet wird. Ich möchte einen Job in der Physiotherapie annehmen und interessiere mich daher sehr für diese Entwicklung.