Das Phänomen ist weit verbreitet: Immer, wenn sich Menschenmengen in einen Raum bewegen –egal ob in der Wiener U-Bahn oder in einer Videoinstallation – reagieren viele Leute erst einmal so: Sie bleiben stehen – und produzieren damit eine veritable Verstopfung. Was in den beiden genannten Situationen jedoch schlimmstenfalls für ortsüblichen Grant oder Rempeleien sorgt, kann in anderen bedrohlich sein. Ernst Steindl, Leiter der Veranstaltungstechnik im Klangraum Krems Minoritenkirche und zuständig für das Imago Dei Festival, das Donaufestival, Glatt & Verkehrt sowie die Europäischen Literaturtage, kann davon ein Lied singen.
Heftige Überraschung
Seit 20 Jahren ist er in der Veranstaltungstechnik tätig. Stühle stellen sich ebenso wenig selbst auf wie Garderoben, Licht und Ton müssen eingerichtet werden, fallweise auch die Stromversorgung, und auch Bühnen stehen nicht von selbst da: All das dirigiert und organisiert Ernst Steindl. Zunächst schloss er eine Lehre als Installateur ab; im Laufe der Zeit eignete er sich praktisches Wissen über Veranstaltungstechnik an, was erst seit wenigen Jahren ein Lehrberuf ist. Diesen absolvierte er vor wenigen Jahren und ist nun Meister.
Im Juli 2012 überraschte ein heftiges Gewitter einen Abend bei Glatt & Verkehrt. Das Festival findet unter anderem in der Sandgrube 13 statt, in einem überdachten Innenhof. Wenn es jedoch zu heftig stürmt und regnet, müssen die Auftritte abgebrochen werden, schon aus Sicherheitsgründen. „Von einer Minute auf die andere war das Gewitter da“, erinnert sich Ernst Steindl an den Abend. „Die Windböen hatten eine Geschwindigkeit von 100 km/h!“ Das Publikum, mehrere hundert Personen, mussten ins Haus evakuiert werden. Nicht alle waren damit einverstanden: „Manche meinten, wir sollten nicht so ein Theater machen“, so der Veranstaltungstechniker. „Viele sind nicht weitergegangen, nachdem sie das Haus betreten hatten.“ So forderte er sie mehr oder weniger nachdrücklich zum Weitergehen auf. Letztlich lief alles glatt: keine Verletzte. Dennoch lernten Ernst Steindl und seine Kolleg*innen daraus: Mittlerweile legen sie im Voraus fest, wer sich im Evakuierungsfall an welche Position begeben wird, um die Menschenmengen in richtige Bahnen zu leiten.
Aufbau, Umbau, Überbau
Steindl empfängt ask – art & science krems im Minoritenkloster Krems. In den dort eingerichteten Büros steht sein Schreibtisch. Besonders oft dürfte er dort derzeit nicht anzutreffen sein, bereitet er doch gerade das Imago Dei Festival vor. „Jetzt ist die heiße Phase“, sagt er. Und was passiert da? Er zählt auf: „In der Minoritenkirche bauen wir eine Bühne auf, für die wir die Prunkstiege überbauen. Am Eröffnungstag wird auf der Bühne ein Gazevorhang hängen, der von hinten mit einer Projektion bestrahlt wird. Darauf ist eine Figur zu sehen – es wird wirken, als würde sie durch den Raum schweben. Das testen wir gerade.“
Selbstverständlich ist Ernst Steindl auch bei den Veranstaltungen selbst vor Ort. Der Kunstgenuss fällt für ihn dabei eher kursorisch aus. „Ich schaffe es selten, mich entspannt hineinzusetzen“, sagt er. „Da bin ich eher aufgedreht und denke schon daran, was ich nachher machen muss.“ Dass er sich auf eine Performance, ein Konzert, eine Lesung konzentrieren kann, kommt selten vor. „Bei manchen Veranstaltungen weiß ich, dass sie glatt laufen werden. Andere sind fordernder – etwa wenn, wie demnächst bei Imago Dei, in der Kirche fünf, sechs unterschiedliche Dinge im Raum stattfinden – von Musik über Sprache bis zu einer Videoinstallation.“
Wenn am Ostermontag die letzten Töne des diesjährigen Imago Dei verklungen sind, geht es für ihn gleich munter weiter: mit dem Donaufestival, an das sich nahtlos die Vorbereitungen für Glatt & Verkehrt anschließen, worauf im Herbst die Europäischen Literaturtage folgen. Und sobald diese vorbei sind, organisiert und plant Steindl schon wieder die Events des nächsten Jahres: „Nach dem Festival ist vor dem Festival“, lacht er.
Bienenschwarm aus Lautsprechern
Nach dem Gespräch führt Ernst Steindl noch in den Kapitelsaal des Minoritenklosters. Dort hat der Soundkünstler Félix Blume eine Installation aufgebaut: 250 Lautsprecher hängen von einem eigens dafür angefertigten Gitter und geben ein summendes Geräusch von sich – man meint, in einem Bienenschwarm zu stehen. „Wir hatten hier schon 20 Gitarren am Boden liegen, über die Pendel strichen, und ein Schwimmbecken“, erinnert sich der Veranstaltungstechniker. „Die Arbeit hier ist schon sehr abwechslungsreich.“ Langweilig wird ihm wohl nicht so schnell werden: Die nächsten Events warten bereits.
Nina Schedlmayer