Josef Maria Eder, geboren 1855 als Sohn eines Landesgerichtsrats in Krems, widmete sein gesamtes Leben dem „Zeichnen mit Licht“, wie Photographie aus dem Griechischen übersetzt heißt. Ab 1888 war er Gründungsdirektor der viel beachteten Wiener „Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt“. Er wurde entsandt, als in Paris Himmelskarten fotografiert werden sollten, legte die fotohistorische Sammlung des Technischen Museums Wien an und präsentierte das erste Röntgenbild einer Hand, kaum dass die Strahlung entdeckt wurde. Zeit seines Lebens prüfte der Photochemiker neu entstandene Techniken, klärte Prozesse und Verwendungsmittel auf.
Fotografie als Querschnittstechnologie
Nach der Matura am Piaristengymnasium im Juli 1872, da war sein Vater schon drei Jahre tot, stellte er die Weichen und belegte an der Universität Wien Vorlesungen in Physik, Chemie, Optik und Spektralanalyse, Geologie, Mineralogie und Mathematik. Eder arbeitete in einem Labor für Hüttenwesen, absolvierte 1876 das Lehramt für Physik, Chemie und Mathematik und belegte weiter Vorlesungen an der chemisch-technischen Abteilung der Technischen Hochschule Wien. Er wurde wissenschaftlicher Assistent in Photochemie und habilitierte 1880.
In seiner Jugend war er Käfersammler, aber es gibt kaum Informationen, wie er seinem Lebensthema verfiel. Sein Schwager wird ins Spiel gebracht. Tatsächlich trat er im Alter von 21 Jahren der Photographischen Gesellschaft bei, damals führend in der Entwicklung von Methoden, und wurde rasch ein geschätztes Mitglied. Maren Gröning, Museumskuratorin im Ruhestand, die an der Albertina ein Forschungsprojekt über Josef Maria Eder betreut hat, bezeichnet ihn als „typischen Vertreter einer positivistischen Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Das bedeutet u.a., dass die Persönlichkeit des Wissenschaftlers möglichst aus der Arbeit herausgehalten wird.“ Die Fotografie war für Eder jedenfalls nicht so sehr ein Bild(gestaltungs)-Medium, als eine Querschnittstechnologie. Er meinte, man könne durch sie viel über Naturwissenschaft bzw. naturwissenschaftliches Denken lernen. Seine Zeit gab ihm Recht, ergaben sich doch aus Fotografie und Fotochemie damals viele Forschungsfragen, die zu modernen, wenn nicht revolutionär neuen physikalischen Erkenntnissen führten etwa über die Licht/Materie-Wechselwirkung und alles, was mit Strahlen zu tun hat, so das Fazit der Eder-Kennerin.
Lebenswerk Lehranstalt
Mit nur 33 Jahren, am 1. März 1888, wurde er zum Gründungsdirektor der „Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt“ berufen und blieb es bis 1925. Unermüdlich beförderte er Wien auf die Weltkarte als bedeutender Schauplatz der Fotografie und Reproduktion, blieb dabei aber stets der chemisch-technischen Seite verpflichtet. „Die Graphische“, wie sie heute kurz heißt, bildet noch immer Menschen für Berufe rund um visuelle Kommunikation aus.
Er war dabei, als die Gebrüder Lumiére in Wien „den Bildern das Laufen lehrten“, erlebte den Aufstieg des Lichtbilds zur Dokumentation in Massenmedien mit und setzte sich für den Einsatz von Fotos zu Bildungszwecken ein. Der ausgefuchste Techniker erlegte den Schülern und ab 1908 auch Schülerinnen auf, ihr eigenes Fotopapier handwerklich herzustellen. Die Photographie hielt er für eine „gute Schule für junge Menschen“, da sie für ein gutes Ergebnis jeden Schritt der Bildwerdung im Blick behalten und steuern müssen. Die Förderung von Talenten war ihm ein Anliegen, er wusste seine Schüler*innen aber auch geschickt einzuspannen.
Wissenschaftler und Familienmensch
An einigen Entdeckungen war er stark beteiligt, wobei er als Direktor der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt einen guten Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen hatte: der Entwicklung der Gelatinetrockenplatte, Untersuchungen zur Messung der Lichtempfindlichkeit, der Chlorbromsilberemulsion im Kopierprozess und der Orthochromatischen Sensibilisierung (zur Entwicklung des Farbfilms). Er widmete sich Themen wie der kriminalpolizeilichen Untersuchung von Urkundenfälschung, dem Urheberrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz und erstellte mit seinem Kollegen Eduard Valenta den „Atlas typischer Spektren“. Er heiratete dessen Schwester Anna 1885. Seine Tochter, Elsa Schrott, half ihm später bei der Arbeit.
Der Privatmensch Eder war Schachspieler mit großem Interesse an Geschichte und historischen Gebäuden. Ein Nichtraucher und nur in seinem Arbeitseifer maßlos. In einer Festschrift zu seinem 100. Geburtstag wird er als Frohnatur charakterisiert, mit hohem Gerechtigkeitssinn, umfassender Allgemeinbildung, Scharfsinn, einem guten Gedächtnis und musikalischem Gehör. Er sammelte Zauberbücher, Alraunen, Galgenmännchen und Wünschelruten (sic!). Entspannung fand er in der Natur, ab 1906 in seinem Sommerrefugium in Kitzbühel, der „Villa Anna“ auf dem Burgstall am Schwarzsee.1924 emeritierte er und lebte ab 1939 als Hofrat im Ruhestand dauerhaft dort. Der vielfach ausgezeichnete und mit Orden geehrte Photochemiker aus Krems wurde 89 Jahre alt.
Astrid Kuffner