Klaus Podar ist behandelnder Onkologe und Oberarzt am Universitätsklinikum Krems und forscht „Bench-to-Bedside-and-Back-to-the-Bench“ als Leiter des Fachbereichs Molekulare Onkologie und Hämatologie an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. Von seinem Aufenthalt an der Harvard Medical School in Boston (USA) und der Universität Heidelberg brachte er seine Spezialgebiete Multiples Myelom (eine maligne Entartung von Plasmazellen) und Brustkrebs nach Österreich mit. Er forscht zu Signalketten innerhalb von Tumorzellen, dem spezifischen Tumormilieu und untersucht die potenzielle Wirksamkeit von Therapien in vitro (Petrischale), in vivo (Mausmodell), mit Zelllinien und Zellen aus dem Primärtumor sowie ex vivo im 3D-Modell. Die enge Verzahnung von Grundlagenforschung und klinischer Praxis hält er für eine Notwendigkeit.
„Laufend werden die Technologien zur Diagnose verbessert, Mechanismen entschlüsselt, es werden neue therapeutische Angriffsziele gefunden, Kombinationen von Wirkstoffen, neue Medikamente – alles dank intensiver Forschung –, und deshalb gibt es schon heute erste Ansätze zur individualisierten Krebstherapie“, macht uns Klaus Podar Hoffnung. Viele Tumore werden heute routinemäßig genetischen Analysen (u.a. Mutationsanalysen) unterzogen und basierend auf diesen Profilen werden Therapiepläne erstellt. Zu den häufigsten Tumorarten gehören Brustkrebs, Prostatakarzinom und Lungenkarzinom. Weniger häufig, aber schwerwiegend, sind Blutkrebsformen.
Was macht Krebszellen zu so raffinierten Gegnern? Klaus Podar: „Sie legen körpereigene Mechanismen zur Abwehr des unreguliertem Wachstums oder zur gezielten Entsorgung von Zellen lahm. Krebszellen bewerkstelligen zudem den Aufbau von Unterstützungsstrukturen, etwa die Bildung neuer Blutgefäße um den Tumor. Und obwohl Krebs seinen Ausgangspunkt in einem Zelltyp findet, manipulieren die Tumorzellen andere Körperzellen, um ihr Mikromilieu und den Stoffwechsel zu ihren Gunsten zu beeinflussen.“ Beim Myelom sitzt die Tumorzelle im Knochenmark, spannt aber Immunzellen, Endothelzellen und Knochenzellen ein. Beim Brustkrebs tritt sie in Wechselwirkung mit Fettzellen, Gefäßzellen und Immunzellen; bei metastasierter Erkrankung u.a. auch mit Knochen-, Leber- und Gehirnzellen.
Chemotherapien sollen letztlich zum Auslaufmodell werden, da sie auch gesunde Zellen zerstören. Manche Patient*innen zeigen im Risikoprofil Marker, die neuartige Immuntherapien erlauben – also das „Wieder-Erwecken“ körpereigener Abwehrmechanismen. Dazu gehören Immune Checkpoint Hemmer, die einen gezielten Zelltod durch „scharf geschaltete“ Immunzellen einleiten. Auf bestimmte Lymphom- und Myelom-Typen mit spezifischen Oberflächen-Molekülstrukturen können T-Immunzellen, die gentechnisch mit Rezeptoren gegen diese Moleküle „angespitzt“ wurden, verabreicht werden.
Intensive Forschungsbemühungen münden in immer neue Puzzlesteine, die therapeutisch genutzt werden können. Es werden Achillesfersen aufgedeckt, wie etwa ein Zellorganell im Multiplen Myelom, das gezielt lahmgelegt werden kann. Neue Wirkstoffe oder ein Mechanismus, der austherapierten Myelom-Patient*innen Hoffnung macht, weil er den Export tumorassoziierter Moleküle aus dem Zellkern in das Zytoplasma verhindert. Oder Transkriptionsfaktoren wie z.B. JunB, das die Herstellung von Proteinen für die Gefäßbildung reguliert. Kombinationstherapien machen Hoffnung, denn wie manche Infektionskrankheiten, sind auch viele Krebsarten nicht mit einem einzigen Wirkstoff behandelbar.
Wir stehen noch am Anfang bei der Individualisierung – abhängig vom Tumortyp, dem Risikoprofil und dem Krankheitsstadium geht noch mehr: „Das Wissen nimmt exponentiell zu, wiewohl einige Tumorarten schwer zu behandeln bleiben. Basierend auf unserem immensen Wissenszuwachs haben sich die Heilungsraten bei Brustkrebs und die Lebenserwartung beim Multiplen Myelom in den letzten zwei Jahrzehnten stark verbessert. In zehn bis zwanzig Jahren wird die Medizin von heute überholt sein. Es wird bekannte Muster und darauf ausgerichtete Therapien geben“, sagt Klaus Podar. Forschung, Klinik, Industrie und Gesundheitsbehörden müssen noch stärker kooperieren, wie das in den USA bereits der Fall ist. Der Professor versucht den Ansatz an der Karl Landsteiner Universität zu verwirklichen, also passionierte Forschende mit leidenschaftlich Behandelnden zu verknüpfen – zum Nutzen der Patient*innen: „Wir arbeiten alle für bessere Lebensqualität, Heilung und ein gutes Leben mit der Erkrankung.“
Astrid Kuffner