Unberührte Schneefelder, blitzblauer Himmel – und weit und breit kein Mensch in Sicht: So stellt die Tourismuswerbung gern Berglandschaften dar. Tatsächlich sind diese häufig längst besetzt von einem Massenpublikum. Skilifte überall.
Kerzengerade Haltung
Betrachtet man die Gemälde von Gustav Jahn und Otto Barth sowie die Fotos von Fritz Benesch und Camillo Kronich, so fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Da gleiten zwei Skifahrer*innen mutterseelenallein über das Raxplateau, hinter ihnen zerstäubt der Schnee (Gustav Jahn), da zieht sich eine einzige Spur durch eine gleißend weiße Schneedecke (Camillo Kronich). Die Bilder hängen aktuell in der Ausstellung „Alpine Seilschaften. Bergsport um 1900“ der Landesgalerie Niederösterreich (Kurator: Wolfgang Krug).
Leidenschaft und Marketing
1903 gründeten sich Landesverbände für Fremdenverkehr in Wien und Niederösterreich, und so wurden Anfang des 20. Jahrhunderts die Alpen für Bergsport und Tourismus erschlossen; mit wie viel – auch künstlerischem – Engagement, zeigt sich in der Ausstellung. Exemplarisch haben hier fünf Personen ihren Auftritt – neben den vier Genannten die Unternehmerin Mizzi Langer-Kauba. Alle waren miteinander verbunden, alle trieben Bergsport, alle wussten die von ihnen so geliebte Landschaft zu vermarkten. Camillo Kronich etwa: Eigentlich war er Hüttenwirt, hatte aber auch fotografisches Talent – und wusste beides gekonnt zu vereinen.
„100 Lichtbilder“
So konnte er als Vortragender praktischerweise gleich beim Alpenverein Werbung für sich machen: Wie eine Ankündigung in der Ausstellung dokumentiert, lud die Sektion Reichenau zu einem Vortrag Kronichs mit dem Titel „Die Rax im Bilde“, Hauptattraktion: „Vorführung von 100 Lichtbildern“. Auch Gustav Jahn schuf die perfekte Symbiose seiner beiden Leidenschaften: Der akademisch ausgebildete Maler und passionierte Bergfex zog sich aus dem Ausstellungsbetrieb völlig zurück, um fortan seine Kunst vorrangig der Propagierung des Bergsports zu widmen. So entwarf er Drucksorten aller Art und dekorierte mit seinen großformatigen Panoramen, die ihr Publikum förmlich in sich hineinziehen, die Geschäftsräumlichkeiten der Mizzi Langer-Kauba.
Einzige Torläuferin
Diese verkaufte nämlich das, was für die Ausübung des Bergsports notwendig war: Ski, Skibindungen, Skioutfit, Rodeln, Eispickel und vieles mehr. So erfolgreich war sie damit, dass sie ihr Geschäft bald erweitern konnte: Fotos in Sepiatönen zeigen eine elegante Fassade mit Mosaikdekorationen und einen gediegenen Verkaufsraum – mittendrin steht die tüchtige Unternehmerin. Dass sie selbst als einzige Frau beim ersten Torlauf weltweit teilnahm – durchgeführt vom Skipionier Mathias Zdarsky in Lilienfeld – steigerte wohl nicht nur ihre Fachkenntnis, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit.
Was heute nostalgisch anmutet – hölzerne Ski aus der Zeit der Jahrhundertwende, Werbeplakate für Bergsport in Jugendstil-Design – war damals ultramodern. Als Mizzi Langer-Kauba eine neuartige Skibindung zu verkaufen begann, stieß sie damit zunächst auf Skepsis. Ihre Erkenntnis: „Alles Gute wird bei seinem Erscheinen bekämpft, bis es sich endlich siegreich, trotz aller Anfeindungen, die Anerkennung verschafft.“ Dieses Zitat stammt aus dem Jahr 1906. Es gilt 2023 gleichermaßen.
Nina Schedlmayer
3 Antworten
Schade, dass es zu dieser sehenswerten Ausstellung keinen Katalog gibt
Konkret zur Ausstellung gibt es aktuell keinen Katalog. Aber im Museumsshop der Landesgalerie Niederösterreich finden sich interessante Bücher zur Vertiefung in das Thema Kunst, Alpen und Tourismus. Empfehlenswert: die edel ausgeführte Publikation „Die Alpen um 1900. Eine Reise in Farben“ von Sabine Arqué & Agnès Couzy (Verlag Taschen).
s.g. team, suche dringend nach fotos von mizzi langer-kauba, wir wollen sie in wien neubau ehren, bitte um kontakt: anna babka 06508833441
Assoz.-Prof. Maga Drin Anna Babka
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