Als das museumkrems im Vorjahr die Ausstellung „Wo sind sie geblieben? Die Frauen von Krems“ zeigte, fanden sich die Besucher*innen gleich am Anfang mit einer Frage konfrontiert: Welche Straßen ihnen einfielen, die nach Frauen benannt seien – so lautete sie. Wahrscheinlich kamen den meisten Menschen nur wenige Namen in den Sinn.
Die Schau damals wurde kuratiert von der Historikerin Edith Blaschitz und der Raumplanerin Martina Scherz, in Zusammenhang mit ihrem Projekt „DenkMAL!DenkWÜRDIG?!“, das Biografien bemerkenswerter Kremserinnen sammelt. Wie sie auf ihrer Website schreiben, trugen 2017 nur fünf von 473 Straßen und Plätzen in der Stadt weibliche Namen.
„Nazi-Dichterin“
Eine der fünf Frauen spielte zudem im Nationalsozialismus eine unrühmliche Rolle: Maria Grengg, nach der erst 1990 eine nur kurze Straße in Krems-Stein benannt wurde. Grengg war nicht nur Malerin – und Schülerin des Jugendstil-Meisters Koloman Moser –, sondern vor allem Schriftstellerin. Als solche tat sie sich vor allem mit ihrer Nähe zu NS-Gedankengut hervor. Sie sei „Nazi-Dichterin aus tiefstem Herzen“ gewesen, so sagte der Kremser Historiker Robert Streibel, der über langjährige Expertise zum Nationalsozialismus verfügt.
In ihrem Roman „Peterl“ schreibt Grengg über einen jüdischen Mann namens Hirsch. Sie bezeichnet ihn abfällig als „Hirschjud“, dessen „schwarze fremdländische Augen“ zu einer Frau „hinaufschlecken“. Diese Darstellung, so Streibel in einem Video, sei einer Karikatur aus dem antisemitischen Nazi-Propagandablatts „Stürmer“ nicht unähnlich. Anderswo schreibt Grengg über eine Romni als „Ahnfrau von weit über 100 Stück dunkler Ratten“ – damit sind ihre Nachkommen gemeint. Auch nach 1945 stellte die Schriftstellerin Sinti und Roma in einem Kinderbuch noch abwertend dar. Streibel: „Das zeigt, dass es eine gewisse Beständigkeit im Denken der Maria Grengg gab.“
Im Stadtbesitz
1943 wurde sie gar als „unentbehrlich“ eingestuft und von einer Heranziehung zum Arbeitseinsatz befreit, wie es in einem Bericht der Stadt Wien heißt. Dort gibt es nämlich ebenfalls eine Maria-Grengg-Gasse, im 23. Bezirk. Im Gegensatz zu Wien entschied sich Krems für eine Umbenennung: Seit April 2021 heißt die Straße nun Margarete-Schörl-Gasse, nach einer bedeutenden Reformpädagogin mit Kremser Wurzeln.
Während in der Wiener Maria-Grengg-Gasse eine Zusatztafel deklariert, wie belastet die Vergangenheit ihrer Namensgeberin ist, tat man in Krems einen konsequenteren Schritt. Die Umbenennung gestaltete sich auch aus einem praktischen Grund einfacher als in der Bundeshauptstadt. Gregor Kremser, Leiter des Kulturamts, erläutert: „Alle Häuser in der ehemaligen Maria-Grengg-Gasse sind Bildungseinrichtungen im Besitz der Stadt.“ Zudem ist die Straße weitaus kürzer als ihr Wiener Pendant. Erfahrungsgemäß kommt es bei Umbenennungen von Straßen immer wieder zu Protesten von Anrainer*innen, die sich mit einer neuen Adresse nicht anfreunden können oder wollen. Derlei droht in Krems-Stein nicht.
Wehrmachtsleutnant
Straßenumbenennungen – aktuell ist die Maria-Grengg-Gasse der einzige rezente Fall – werden auf Empfehlung eines Beirats aus sechs Historiker*innen vorgenommen, wie Kremser erzählt. Diese Kommission schlägt auch neue Namen für Straßen oder Parks vor und befasst sich mit Ehrenbürgerschaften und Ehrengräbern. Vorschläge werden dann in den Gemeinderat eingebracht und dort diskutiert. Kremser sagt: „Der Beirat ist ein Service für die Stadtpolitik.“ Auch anderen Fällen wurde bereits nachgegangen – etwa der Biografie von Karl Eibl, einem Generalleutnant der Wehrmacht, dem ein Gedenkstein im Stadtpark gewidmet ist. In diesem Fall empfahl man eine Zusatztafel, die auf seine Beteiligung am Angriffskrieg hinweist. Der sensible Umgang mit der NS-Vergangenheit zählt zu den heikelsten, aber auch wichtigsten kulturpolitischen Themen der Gegenwart. Gerade die Umbenennung von Straßen ist häufig umstritten. Doch manchmal ist sie, wie in diesem Fall, doch der richtige Weg.
Eine Antwort
Rechts Extreme und Nazis zerstören unsere Demokratie. Es muß dagegen Stellung genommen werden.