Sechs Uhr an einem Sommermorgen in Yogyakarta (Indonesien). Gregor Radinger legt den Schalter um und macht sich in der Sekunde ein Bild. Der Leiter des Zentrums für Umweltsensitivität betätigt mehrmals im Monat eine Zeit- und Raummaschine der besonderen Art. An einem Tag kann hier die Sonne mehrmals auf- und untergehen, im Hochnebel können Hundstage simuliert werden oder sommers ein knackiger Wintermorgen auf dem Großglockner. Das einzige Lichtlabor in Ostösterreich steht am Department für Bauen und Umwelt der Universität für Weiterbildung Krems: 230 Halogenlampen mit Alu-Parabol-Reflektoren in einer Kuppel mit sechs Metern Durchmesser und einer Stichhöhe von drei Metern. Sie bietet bis zu zehn Leuten komfortabel Platz, um die Lichtsituation an jedem Ort der Welt, zu jeder Jahres- und Tageszeit zu simulieren. Statt ums Lagerfeuer stehen Student*innen, Städteplaner*innen, Architekt*innen oder Hausbauwillige hier um Architekturmodelle, meist in der Größe eines oder mehrerer Schuhkartons. In den Kartons geben gerne Playmobil-Figuren das Licht-Double für Menschen.
Beobachten – verändern – vergleichen
Gregor Radinger bezeichnet die Stimmung in der Lichtkuppel gerne als Lagerfeuer-Atmosphäre. Denn es kann – im Wortsinn – aus verschiedenen Blickwinkeln über die Eignung eines Entwurfs in seiner natürlichen Lichtumgebung gesprochen werden. Im Zentrum steht also ein Architektur- oder Raummodell, bevorzugt in einem frühen Planungsstadium, denn das bringt am meisten. Wohlig warm wird es aufgrund der Halogenlampen auch. Mit den Beobachtungen aus dem Lichtlabor können intuitiv Rückschlüsse auf das Wohlbefinden der Menschen in den geplanten Räumen gezogen werden. Er beobachtet immer wieder, wie die Menschen im Kreis stehen, aus unterschiedlichen Richtungen draufschauen und sich ohne Scheu zu Wort melden. Deshalb ist es Gregor Radinger auch ein großes Anliegen, dass alle Studierenden am Department eingeladen werden „das Ding“ zu benutzen und in einem idealen Setting ihre Entwurfskonzepte auf den Prüfstand zu stellen.
Playmobilfiguren im Forschungseinsatz
Die Playmobilfiguren laden Menschen ein, sie für konkrete Innenraumuntersuchungen herumzuschieben. Wenn auf die Figur kein Licht fällt, steht auch ein Mensch von etwa 1,75 Meter Größe im Schatten. Mit diesen Modell-Menschlein lassen sich die Lichtsituationen, bedingt durch Raumhöhe, Raumtiefe, Fensterhöhe etc. simulieren und verbessern – und zwar in der Mittagshitze im August oder an einem trüben Winternachmittag. Kennzahlen wie der Tageslichtquotient werden mit Sensoren erhoben. Ebenso kann gemessen werden, wie lange und in welchem Winkel die Sonne auf Dachflächen fällt, um die Ausrichtung einer PV-Anlage zu optimieren. „Sonnenhöhe und Sonnenrichtung lassen sich für jeden Ort der Welt nachvollziehen und ihr Einfluss auf Gebäude und gebaute Umwelt simulieren. Die Effekte sind unmittelbar wahrnehmbar und die architektonische Gestaltung kann standortbezogen angepasst werden“ erklärt Radinger. Im Lichtlabor werden in ein bis zwei Stunden grundlegende Beobachtungen und korrekte Ersteinschätzungen zu Dimension und Geometrie von Objekten an ihrem Standort erhoben. Wofür sich das nicht eignet? Zum Absegnen fix-fertiger Entwürfe.
Das Lichtlabor wurde vor 15 Jahren an der Tiroler Lichtakademie Bartenbach abgebaut und an der Universität für Weiterbildung Krems wieder errichtet. Es ist ein Ort, an dem eine möglichst klare und für alle verständliche Darstellung von Architektur in ihrer Umwelt unter dem natürlichen Licht erfahrbar wird. Man könnte das alles auch am Computer simulieren, mit aufwändigen 3D-Renderings. Aber nicht so unmittelbar und diskursiv. Gregor Radinger, Berater in diesem Parabolspiegel-Kabinett, betreut es, seit er 2009 an die Universität für Weiterbildung Krems kam. Am Department für Bauen und Umwelt hat er den großen Facettenreichtum der Lichtplanung, inklusive Klima- und Gesundheitsaspekten, kennengelernt.
Modellieren für den Äquator
Die außergewöhnlichste Lichtsituation, ganz anders als in Mitteleuropa, war für Gregor Radinger jene beim Affandi Museum nahe dem Äquator, erbaut in den 1970er-Jahren in Yogyakarta. Am pazifischen Feuerring gelegen, wurde die Galerie durch einige Erdbeben beschädigt. Gemeinsam mit der TU Wien wurden Modelle für den ursprünglichen und den aktuellen Zustand gebaut und untersucht, was man tun kann, um Kunst und Menschen in einem guten Setting zu präsentieren.
Für Radinger würde sich das spacige Innere der Lichtkuppel, das an ein Raumschiff erinnert, ohne weiteres auch als Konzertlocation oder zur Präsentation von Kunst und Mode anbieten. Wenn er einen Vortrag vorbereitet, setzt er sich gerne hinein, um sich das Setting zu vergegenwärtigen. Bei der „Langen Nacht der Forschung“ ist das Lichtlabor ein gerne besuchter Fixpunkt. Und wenn Sie nach der Lektüre dieses Textes auf ask – art & science krems Lust auf einen Besuch bekommen haben, kontaktieren Sie gerne Gregor Radinger.
Astrid Kuffner