Dominik Schild vom Institut für Biotechnologie löst im Labor wenige Gramm grobkörnigen magnetischen Elektronikschrott mit ein paar Tropfen Salpetersäure und lässt modifizierte Darm-Bakterien in einem zwei Liter Tank mittels Fermentation die restliche Arbeit machen. Dabei trennen die Mikroorganismen sogenannte „Seltene Erden“ wie Lanthan, Erbium, Yttrium oder Cerbium aus dem Metallsand ab und nehmen sie in ihre Zellen auf. Um ein großes und drängendes Umwelt- und Ressourcenproblem zu lösen, tastet sich der Bio- Verfahrenstechniker in kleinen Schritten und im sehr kleinen Maßstab heran.
Seltene Erden werden Metalle genannt, die schwer verfügbar und sehr attraktiv sind. Tagtäglich werden sie in elektronischen Geräten, Gadgets und hochtechnologischen Anwendungen gebraucht und verbaut. Tagtäglich werden in erschreckend hohem Ausmaß kaputte Handys und Computer entsorgt und ihre kostbare Fracht, teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen, (mit) verschrottet. Die Versorgung mit Seltenen Erden könnte also sehr bald kritisch bzw. sehr teuer werden. Mit seiner Forschungsgruppe Bioprozesstechnik der IMC Fachhochschule Krems sucht Schild nach einer umweltfreundlichen Technologie für ihre Rückgewinnung. Angefangen hat diese Verfahrensentwicklung im Juli 2018 mit dem ausgezeichneten Projekt REEgain, an dem neben der Tschechischen Akademie der Wissenschaften auch die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und die Universität für Weiterbildung in Krems beteiligt waren. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie für das biologische Recycling wurde bereits ein geeigneter Mikroorganismus gefunden. Der dienstbare Geist ist die Variante K12 des Darmbakteriums E.coli. Er kann das Gewünschte gut, und wiewohl Darmbakterien als Infektionserreger gefürchtet sind, hat diese abgespeckte Variante nur eine geringe Chance, pathogen zu werden, da er außerhalb der Prozessumgebung nicht überleben kann.
Einmal umfallen für enge Zusammenarbeit
Die kurzen Wege am Campus Krems erwiesen sich für das vierjährige REEgain-Projekt als extrem hilfreich. Der Fachbereich Wasserqualität und Gesundheit am Department Pharmakologie, Physiologie und Mikrobiologie an der Karl Landsteiner Universität lieferte die Expertise zu geeigneten Wasserorganismen, die IMC Fachhochschule Krems besorgte die Anzucht der Zellen und die Fraktionierung, also das Zerlegen und Auftrennen des Bakterien/Seltene-Erden-Gemischs durch Zentrifugierung übernahm das Zentrum für Biomedizinische Technologie der Universität für Weiterbildung Krems.
Nun geht es in der Forschungsarbeit darum, die Prozesseffizienz zu erhöhen, mehr von den begehrten Metallen anzureichern und die Technologie vom Labormaßstab auf industrielle Anlagen für Elektronikschrott umzulegen. Entwicklungspartner – zum einen als Lieferant des Shredderguts, zum anderen als Pilotstandort für biologisches Recycling – ist die Müller-Guttenbrunn Gruppe in Amstetten. „Wir wollen einen Rückgewinnungsprozess entwickeln, der nicht das nächste Problem generiert, also rückstandsfrei und günstig ist, und widmen uns nun praktischen Problemen. Die Seltenen Erden sind im Elektronikschrott mit Eisen, Aluminium und Kupfer vermischt, und vor allem Kupfer stört unsere Organismen beim Wachsen. Für die weitere Optimierung der Bioakkumulation, also der Aufnahme Seltener Erden, verfolgen wir gemeinsam mit dem IST Austria und dem Institut für Umweltbiotechnologie der BOKU zwei Ansätze“, erklärt der Verfahrenstechniker. Zum einen wird versucht die Mikroorganismen in der wuchsfeindlichen Umgebung zu ertüchtigen. Zum anderen sollen vor der Rückgewinnung die „störenden Metalle“ abgetrennt werden. Wenn dieses „Bioleaching“ erfolgreich umgesetzt werden kann, ließen sich in Zukunft auch drastische Umweltverschmutzungen, wie sie 2010 bei Magyar Aluminium mit Rotschlamm passiert sind, verhindern.
Verfeinerte Fermentation
Die Fermentation (z.B. auch in der Pharmazie und beim Brauen) macht sich bestehende Fähigkeiten von Mikroorganismen zunutze. Sie können bioaktive Oberflächen aufbauen und in der Minifabrik einer Zelle komplexe Moleküle erzeugen. Ganz nebenbei wurde im Projekt REEgain bestätigt, dass E.coli Bakterien die Metalle tatsächlich in der Zelle einlagern: „Die plausibelste Theorie dahinter ist, dass sie nicht zwischen Kalzium und Lanthan unterscheiden können: es ist der gleiche Prozess, der je nach Verfügbarkeit der Elemente anspringt.“ Die Herausforderung liegt darin, die Seltenen Erden stärker anzureichern und sortenspezifisch abscheidbar zu machen. Wenn man das Setting gut aufsetzt, erhalten sich die Prozesse mit wenig Energieaufwand weitgehend von selbst. Aber der Labormaßstab muss skalieren, damit die Industrie entsprechende Mengen mit bestehenden Verfahren herausholen kann. „In den kommenden fünf Jahren hätten wir gerne die Probleme bei uns im Labor gelöst. Dann müssen die funktionierenden Teilschritte in einen industriellen Prozess überführt werden“, betont Dominik Schild, der tropfenweise und Milligramm für Milligramm daran arbeitet.
Astrid Kuffner