Fragen ist der Anfang von allem: Wie funktionieren Spiele? Warum spielen wir? Sich professionell mit Spielen beschäftigen: Kinderkram oder Traumberuf? Ist YouTuber ein Beruf? Angewandte Spieleforschung ist jedenfalls ein vielfältiges Forschungsfeld, erklärt Natalie Denk, Leiterin des Zentrums für Angewandte Spieleforschung an der Universität für Weiterbildung Krems, wo man sich dem Thema interdisziplinär nähert und Spielen als menschliches Urbedürfnis, Teil unserer Kultur und bedeutsamen Zugang zur Welt begreift.
Homo ludens
Natalie Denk beschäftigt sich mit Game-based Education, also den Schnittstellen zwischen Spiel(en) und Lernen bzw. Bildung. Dabei wird Spiel nicht nur als reines Unterhaltungsmedium oder Produkt einer Industrie verstanden. Die erfahrene Medienpädagogin macht sich Gedanken dazu, „was in Spielen gelernt werden kann, wie das Gelernte in den Kontext der echten Welt übersetzt wird und welche Kompetenzen gefördert werden.“ Themen, Systeme und Sachverhalte verstehen, erleben und begreifen – all das ist möglich, aber nicht ohne gezielte Gestaltung: „Ein gängiger Irrtum ist zu glauben, dass der Einsatz von digitalen Spielen bedeutet, dass damit der Unterricht oder gar die Lehrperson ersetzt wird. Doch wie jedes Medium, müssen auch Spiele in einem entsprechenden didaktischen Rahmen – einer Game-based Learning Methode – eingebettet werden, um u.a. auch Reflexionsprozesse in Gang zu bringen. Die Lehrpersonen haben hier eine wesentliche Rolle.“ Dann können Spiele ihre Vorteile ausspielen: uns zu Akteur*innen machen, ein Ausdrucksmittel sein, ein interaktiver Raum, in dem Entscheidungen getroffen und die Gesellschaft ausverhandelt wird. Vor allem ist es im Spiel völlig okay, Fehler zu machen. „Von spielerischen Zugängen könnte unser Schulsystem noch viel lernen.“
Auch „Minecraft“ fasziniert nicht jeden
Wie bei jeder Unterrichtsmethode muss man beim Game-based Learning aufpassen, wie man alle abholt und anspricht. Natalie Denk nennt Do’s und Dont’s: 1) Entwickler*innen von (Lern-)Spielen oder Game-based Learning Angeboten sollten die Diversität der Spieler*innen anerkennen und berücksichtigen. 2) Empfehlenswert ist es mit einem iterativen Prozess die Zielgruppe ins Design einzubinden, mit vielen Feedbackschleifen und einem forschend-interessierten Zugang – was oft eine Frage von Zeit und Geld ist, sich aber in jedem Fall lohnt. 3) In der Anwendung muss es nicht immer ein deklariertes Lernspiel sein, auch für kommerzielle Spiele können Szenarien entwickelt werden. Die Beschäftigung mit der Gaming-Kultur im Allgemeinen kann und muss einen Raum in unserem Schulsystem haben.
Neue Berufsbilder greifbar machen
Am Zentrum ging es im Projekt StreamIT! zum Beispiel darum, wie die Gaming-Kultur in Bildungsangeboten aufgegriffen werden kann. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie Schüler*innen durch Let’s Play-Videoproduktion im Unterricht in ihren kommunikativen, technischen und kreativen Kompetenzen gefördert werden können. Auch eine erweiterte Berufsorientierung und der Blick hinter die Kulissen von aktuellen „Traumberufen“ wie Influencer*in, YouTuber*in oder Let’s Player*in wurde versucht. In einem anderen Projekt wurde eine E-Sport Schulliga in Wien auf die Beine gestellt, und in einem internationalen Forschungsprojekt schaut Natalie Denk manchmal mittels Telepräsenz-Roboter bei Kolleg*innen vorbei (TRinE – Telepresence Robots in Education), um sein Potenzial auszuloten. Ein Telepräsenz-Roboter ist in der Essenz ein Bildschirm auf Rollen, eine Art mobiles Zoom, mit dem man von Zuhause einen entfernten Raum betreten kann, sich dadurch konzentrierter und präsenter an einem Ort fühlt. Die Idee hat sie aus Island importiert, wo Telepräsenzroboter an einer abgelegenen Schule Lehrenden und Schüler*innen Unterricht ermöglichen, wenn die gerade nicht in die Schule kommen können.
Astrid Kuffner