ask – art & science krems: Aufgrund des Ukrainekriegs drohen derzeit Engpässe bei der Energieversorgung. Hat diese Krise die Debatte um den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen auch in Ihren Bereichen angeschoben?
Kern: Große Häuser brauchen viel Energie. Als Museum müssen wir klimatische Vorgaben erfüllen: Wir können nicht einfach die Heizung ein paar Grad runterdrehen. Das ist eine Herausforderung, aber wir machen unsere Hausaufgaben. Ich finde es positiv, dass jetzt ein gewisser Druck da ist und wir Lösungen finden müssen.
Hanus: Ich sehe es auch so. Allerdings wird die bisherige Nachhaltigkeitsdebatte jetzt überlagert von den drängenden Sorgen wie Versorgungssicherheit und Leistbarkeit. Diese verschieben die Prioritäten.
Reinhard Kern, wie stellt sich die Kunstmeile Krems konkret auf den nächsten Winter ein?
Kern: Wir haben zum Glück modernisierte Häuser. Unsere Anlagen sind technisch auf einem sehr guten Stand. Bei der Planung der 2019 eröffneten Landesgalerie Niederösterreich wurde auf einen nachhaltigen Betrieb geachtet. Es wurde eine Wärmepumpe eingebaut. Alle Gebäude der Kunstmeile Krems werden seit 2021 mit Fernwärme geheizt. Die Technik nimmt uns nicht alles ab. Die Anlagen werden zentral gesteuert, aber witterungsangepasst geführt. Ein täglicher Blick auf die Steuerung ist unumgänglich. Unser Team optimiert die Einstellungen für Exponate und das Wohlbefinden unserer Besucher*innen. Die gute Planung des Gebäudes kommt uns beim Betrieb zugute.
Hanus: Die Landesgalerie ist bauphysikalisch ausgeklügelt, sehr kompakt gebaut mit wenig Verlustflächen im Vergleich zum Volumen. Es gibt kaum Fenster, was die Kühllasten niedrig hält und die Wärmeverluste gering. Andere Museen in Österreich haben sehr dominante Glasflächen, was schwierig ist.
Herr Hanus, Sie beschäftigen sich mit alten Kulturdenkmälern und der Frage, wie sie in einer sich verändernden Umwelt bewahrt werden können. Können wir punkto Resilienz von alten Gemäuern etwas über Ressourcenschonung, Klimatisierung und Energieeffizienz lernen?
Hanus: Alte Gebäude haben ihre Beständigkeit durch ihre Existenz bereits bewiesen. Wir merken es hier an diesem Raum, der ohne Klimatisierung an Behaglichkeit nicht zu übertreffen ist. Die Stärke dieser Gebäude ist, dass man früher gezwungen war, ausgetüftelt zu bauen. Heizstoffe waren beschränkt, Kühlung kaum möglich. Sie waren stets auf Dauerhaftigkeit und Reparierbarkeit ausgelegt. Wir nennen diese auf Situation, Lage und den Umgang mit Materialien abgestimmte Bauweise vernakuläre Architektur. Ein Vorbild sind hiesige Weinkeller, die ohne Haustechnik optimale Bedingungen halten und im Betrieb sehr sparsam sind. In den vollverglasten Degustationstempeln von heute ist ein Drittel der Fläche der Haustechnik gewidmet. Diese muss alle paar Jahre ersetzt werden und läuft bei höheren Temperaturen im Vollbetrieb. Bei der Sanierung wird oft die Denkweise von modernen Gebäuden auf die alten Gebäude umgelegt, anstatt dass ihre Tugenden gestärkt werden. Wir können von alten Bauten viel lernen, wenn wir sie durch bau- und thermodynamische Simulation kennenlernen. Einige Empfehlungen von damals werden auch in die moderne nachhaltige Bauweise übernommen. Neue Gebäude gehen aber meist mehr in Richtung Austauschbarkeit. Fenster, Dichtungen und Gerätepark sind kaum zu reparieren. Da sind die Folgekosten hoch. Wir haben am Department Lebenszyklusanalysen simuliert und sehen, dass die alten Gebäude im Betrieb niedrigere Folgekosten haben als vergleichbare neue Gebäude. Die geringeren Kosten sichern die Existenz, denn sie sind langfristig wirtschaftlicher.
Können Sie ein Beispiel nennen für ein Gebäude, wo man die alten Empfehlungen erfolgreich übernommen hat?
Hanus: Das Architekturbüro Baumschlager Eberle arbeitet beispielsweise in diese Richtung mit der Bewirtschaftung von Speichermassen – einer Grundfunktionalität alter Gebäude. Wir haben in einem Projekt Gebäude ohne Kühlbedarf geplant, deren Proportionen und Formen den alten Bauten ganz ähnlich waren. Das kann man heute modellieren, berechnen und berücksichtigen.
Alte Objekte gelten als empfindlich. Trifft das tatsächlich zu?
Hanus: Empfindlich sind alte Gebäude bezogen auf kunsthistorische Strukturen wie Stucco, Fresken oder sonstige Malereien – etwa im Fall von Wasserschäden, Salz im Gebäude oder einem Hausschwamm. Die Baumasse, die Tragstruktur, ist aber sehr robust. Heute würde man sie als überdimensioniert bezeichnen, weil man auf eine gewisse Wirtschaftlichkeit optimiert. Sie sind aber auf Dauerhaftigkeit ausgelegt und tolerieren eine gewisse Vernachlässigung. Bei guter Pflege halten sie durch.
Lässt sich diese Dauerhaftigkeit alter Architektur auch an den Gebäuden der Kunstmeile Krems – von der Kunsthalle in einer ehemaligen Tabakfabrik aus dem 19. Jahrhundert über das 2001 eröffnete Karikaturmuseum bis zur ganz neuen Landesgalerie – ablesen?
Kern: Die Kunsthalle Krems ist keine Burg mit kunsthistorisch wertvollen Fresken. Sie wurde 2017 generalsaniert. Die Haustechnik wurde von der Heizung, über die Kühlung, Lüftung, Beleuchtung bis zum Bereich Sicherheit auf den letzten Stand gebracht. Bei der Landesgalerie berücksichtigten die Architekten, Marte.Marte, bereits viele Aspekte nachhaltigen Bauens, etwa die Aktivierung des Betonkerns, dessen Speicherfähigkeit beim Kühlen und Heizen zum Tragen kommt. Wir haben wenige Luftwechsel und wenige Fenster. Und was das Karikaturmuseum betrifft: Als es 2000 gebaut wurde, waren manche Fragen der Nachhaltigkeit noch gar kein Thema.
Bisher wurden sieben österreichische Museen und Ausstellungshäuser für ihre gesamtbetriebliche Nachhaltigkeit mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet. Auch die Landesgalerie durchläuft jetzt diesen Zertifizierungsprozess, um als Green Museum gelten zu können. Was genau ist da erforderlich?
Kern: Wir haben diesen Evaluierungsprozess jetzt gestartet und sind zuversichtlich, dass wir 2023 die Zertifizierung erhalten werden. Es gibt eine Reihe von Kriterien, ein großer Bereich ist die Energie. So wird z. B. das Heizen mit Gas schlecht bewertet. Wir nutzen Fernwärme. Wir haben wassersparende Armaturen. Strom, Lacke und Farben sind ökologisch nachhaltig, ebenso Reinigungsmittel. Es ist ein umfangreicher Katalog abzuarbeiten.
Die Anforderungen ziehen sich quer durch alle Abteilungen?
Kern: Natürlich. Der größte Teil betrifft die Haustechnik von der Heizung über den Bildschirm bis zum Drucker. Gerade in diesem Bereich gibt es sehr viele effiziente neue Geräte. Aktuell optimieren wir entsprechend dem Kriterienkatalog: So stellen wir von Mineralwasser auf Frischwasserspender mit gefiltertem Trinkwasser für unsere Besprechungen und Mitarbeiter*innen um. So sparen wir Transport und Lagerung von Flaschen. Auch bei der Umsetzung von Veranstaltungen und Drucksorten wollen wir nachhaltig sein. Teilweise ist dieser Prozess mit erhöhten Kosten verbunden, doch sie bewegen sich in einem akzeptablen Bereich.
Geräte en bloc wegzuschmeißen, um effizientere anzuschaffen, ist wahrscheinlich nicht besonders nachhaltig und auch teuer. Wie gehen Sie da vor?
Kern: Das ist ein permanenter Prozess, der im Hintergrund läuft. Wenn etwas die Lebenszeit beendet hat, wird es ausgetaucht. Bei der Beleuchtung in der Kunsthalle beispielsweise stiegen wir schon 2017 auf LED um, im Zuge der Sanierung. Bei der Landesgalerie waren von vornherein viele Dinge so angelegt, wie es jetzt überall Standard wird.
Christian Hanus, gibt es auch im Umgang mit dem Bauerbe Umweltgütesiegel?
Hanus: Grundsätzlich fehlt es nicht an Zertifizierungen. Aber vieles berücksichtigt bestimmte Aspekte nicht. Ich kann der Kunstmeile Krems nur Komplimente aussprechen, was sie alles umgesetzt hat, das ist vorbildlich. Aber gerade bei Museen stellt sich auch die Frage: Wo ist die Bilanzgrenze? Wenn diese das Gebäude ist, werden bestimmte Aspekte ausgeblendet, etwa wenn zu Ausstellungen scharenweise Leute aus New York oder Südafrika eingeflogen werden. Wenn ich solche Emissionen generiere, wird das oft nicht abgebildet. Bei Bestandsbauten gilt als Faustregel: Wenn ein Massivbau neu errichtet wird, dann wird dabei so viel graue Energie verbraucht, dass man damit bis zu drei Generationen lang den Heizwärmebedarf decken kann. Solche Faktoren werden ebenso oft nicht berücksichtigt. Ich durfte in einer Expertenkommission mitarbeiten, wo es um die Ertüchtigung des historischen Erbes gegen die Folgen des Klimawandels geht. Im Juni wurde der Bericht veröffentlicht. Es ist erstaunlich, wie viele Mosaiksteinchen in der EU schon da sind: Skandinavien ist sehr weit in den ökologischen, Schottland in den ökonomischen Lebenszyklusanalysen. Da kommt viel Wissen zusammen.
Reinhard Kern, wird die Mobilität beim Österreichischen Umweltzeichen auch berücksichtigt?
Kern: Ein kleiner Teil davon betrifft die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln bei Veranstaltungen und beispielsweise, ob es Anschlüsse für Elektromobilität gibt. Wir gehen auch darauf ein, indem wir etwa dem Publikum aus Wien bei einer Eröffnung einen Shuttlebus anbieten, sodass nicht alle einzeln mit dem Auto anreisen.
Ein großes Thema in Museen und Ausstellungsinstitutionen ist die Ausstellungsarchitektur, die oft recht aufwändig ist und der Trend Richtung Re-Use geht. Gibt es da in den vergangenen Jahren ein Umdenken, auch innerhalb der Kollegenschaft?
Kern: Das gibt es, doch man muss eine Balance finden. Für die Landesgalerie fand etwa das Büro hg merz ein modulares System, wo der Kern der Wände aus Staffelkonstruktionen besteht. Auf Kisten kann man kleine Bauteile in den Raum stellen, ohne dass die Wand umkippt. Wenn wir Ausstellungen umbauen, werden die Wände zerlegt und dann neu angeordnet. Wir ändern nur die Beplattung. Das spart Kosten. Die Kuratorinnen und Kuratoren wissen mit dem System umzugehen.
Christian Hanus, wie können bestehende Gebäude umgenutzt werden?
Hanus: Eine Umnutzung ist planerisch immer sehr anspruchsvoll. Welche Nutzung passt zu welchem Gebäude? Da müssen entsprechende Konzepte entwickelt werden, um die Tugenden alter Bauwerke wirtschaftlich, ökologisch und bauphysikalisch am besten zu nutzen. Die Spannweite bewegt sich zwischen einem Künstleratelier, wo man mit wenig Investitionen eine Nutzung einbringen kann und einem Sanatorium: Dort müssen Barrierefreiheit, Hygiene und Flexibilität gewährleistet sein. Man muss austarieren, wo das Gebäude das Optimum hergibt. Mich beeindruckt, wie flexibel alte Gebäude sind. Ein gutes Beispiel ist die Universität für Weiterbildung Krems. Diese war eigentlich eine Tabakfabrik, also eine industrielle Produktion, und ist nun eine Bildungsinstitution. Natürlich waren da große Umbauten nötig. Aber das Gebäude lässt sich optimal nutzen, weil es so flexibel ist.
Astrid Kuffner, Nina Schedlmayer