In den vergangenen zwei Jahren konnten Jugendliche ab 14 (gerade in der Oberstufe) die Schule wochenlang nicht besuchen. Begriffe wie Distance-Learning, Lockdown und Corona-Matura fanden Eingang ins Vokabular. Junge verzichteten auf altersgemäße Aktivitäten, um ältere Menschen zu beschützen. Während Corona selbst meist harmlos verlief, trafen die Maßnahmen sie sehr wohl. Elke Humer beschäftigt sich am Department für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität für Weiterbildung Krems u.a. mit der Psychologie in Krisenzeiten. Alle vier Jahre wird in der Health Behaviour in School-aged Children-Studie (HBSC) die psychische Gesundheit von Schüler*innen europaweit erhoben. Die Daten aus 2018 bieten eine gute Basis, um sie mit den Befragungen zu vergleichen, die das Department unter Jugendlichen von 14 Jahren bis 20 Jahren durchführte: „Wir haben in vier Wellen Onlinebefragungen durchgeführt und uns dabei an standardisierte Fragensets und Definitionen für psychisches Wohlbefinden bzw. Erkrankungen der WHO gehalten, um vergleichen zu können“, erklärt Elke Humer, assoziierte Professorin für biopsychosoziale Gesundheit an der Universität für Weiterbildung Krems.

Hoher Bedarf trifft auf angespannte Versorgung
Die Ergebnisse der Studien zwischen Februar 2021 und Juni 2022 sind – kurz gesagt – erschreckend. In Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien, unterstützt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wurde die psychische Gesundheit von rund 3000 Schüler*innen untersucht. Die Hälfte der Befragten leidet unter einer depressiven Symptomatik, etwa 40 Prozent unter Ängsten, ein Viertel unter Schlafstörungen und 16 Prozent haben suizidale Gedanken. Die Häufigkeit depressiver Symptome, Angstsymptome, aber auch Schlafstörungen hat sich im Vergleich zu den Vor-Corona-Erhebungen, verfünf- bis verzehnfacht, Tendenz steigend. Die Online-Befragungen waren nicht personalisiert und erheben keine Daten aus dem Umfeld oder Vorbelastungen. Sehr wohl abgefragt wurde aber, was ihnen Sorgen macht, was sie konkret belastet und was sie sich wünschen würden. In Österreich stand der Schulerfolg an erster Stelle, was – neben den suizidalen Gedanken – zu denken geben sollte. „Es wurden auch international Studien zum Thema durchgeführt, aber nur hier wurden schulische Anforderungen, zu wenig zu lernen oder die Matura nicht zu schaffen, noch vor den Maßnahmen genannt“, erklärt Elke Humer. Die alarmierenden Zahlen treffen auf eine seit Jahren angespannte Betreuungssituation und wenig bezahlbare Angebote in der Kinder- und Jugendpsychologie, -psychiatrie und -psychotherapie, also jenen Branchen, die den gestiegenen Bedarf auffangen sollten.

Hilfe zur Selbsthilfe
Am Department wurde aber nicht nur das Ausmaß des Schreckens vermessen, sondern nach Wegen gesucht, viele Jugendliche auf einmal zu informieren, ihnen bei der Selbsteinschätzung zu helfen, psychische Probleme zu enttabuisieren und Ansätze zur Selbsttherapie zu verbreiten. „Was ist normal?“ ist eine Frage, die Jugendliche umtreibt, und das gilt auch für die psychische Gesundheit. Am Department wurde das niederschwellige Infoportal www.istokay.at entwickelt, um Schlafstörungen, Ängste, Depression und Stress mit Selbsttests abzuklären und Tipps zu geben, was man selbst tun kann. Zudem gibt es inzwischen eine Peer-to-Peer-Beratung und andere Medienangebote, wie den Podcast Gut & selbst?.

Nichts wie raus
„Schwerstgradige Depressionen gehen nicht mit Jogging weg“, erläutert Elke Humer, „aber bestimmte Ernährungs-, Verhaltens- und Bewegungsmuster haben sehr wohl einen Effekt auf unser psychisches Wohlbefinden“. Wenn Depressionen leicht oder mittelgradig ausgeprägt sind, hat regelmäßige Bewegung die gleiche Wirkung wie Medikamente. Im Herbst und Winter kann Tageslicht (z.B. viel Bewegung an der frischen Luft oder Tageslichtlampen) Stimmungstiefs abfangen. Auch eine Ernährung reich an Omega-3-Fettsäuren ist nicht nur für die körperliche, sondern auch für die psychische Gesundheit von Vorteil. Der Verlust der Tagesstruktur und stundenlange Handynutzung wirken sich erwiesenermaßen schlecht auf die Stimmung und den Schlafrhythmus aus. Wenn die Symptome nicht schwergradig sind, können verhaltenstherapeutische Ansätze und Gespräche mit anderen die Situation verbessern.
Astrid Kuffner
Eine Antwort
Solange bei der Gesundheitpolitik nur die Kosteneinsparung und nicht der Patient und der Bedarf auch an psychologischer Betreuung von jungen Menschen fokusiert wird, kann es keine Verbesserung der Situation geben. Aber im Moment sind die explodierenden Profite der Eergie-/Öl- und Gaskonzerne für unsere Politiker wichtiger wie das Wohlergehen der Bevolkerung.
GR. Mag. Wolfgang Mahrer