Entspannung für bessere Entwicklung

Anna Carina Kriechbaum arbeitet als Kinderkrankenpflegerin und Musiktherapeutin am Kepleruniversitätsklinikum zum Wohl von Frühchen und ihren Eltern.
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Hand mit Frühchenfuß

In der neonatologischen Intensivstation des Keplerklinikums werden Frühgeborene und kranke Neugeborene behandelt. Zu früh das Licht der Welt zu erblicken, bedeutet Stress für alle Beteiligten. Babys mit einem halben Kilogramm, geboren zur Halbzeit einer üblichen Schwangerschaft, kämpfen hier ums Überleben. Neben Brutkästen, Beatmungsgeräten, Infusionen und piepsenden Monitoren versuchen Eltern ihren Kindern bestmöglich beizustehen, Wochen, manchmal Monate. Anna Carina Kriechbaum kennt die großen Dramen um sehr kleine Menschen aus ihrer täglichen Arbeit als diplomierte Kinder- und Jugendpflegerin auf der Neonatologie am Kepleruniversitätsklinikum Linz. Seit ihrem Bachelorabschluss in Musiktherapie am IMC FH Krems vor vier Jahren, fördert sie den Start ins Leben dort noch auf andere Weise. Sie ist wohl die einzige Musiktherapeutin in Österreich, die auch das Diplom für Kinder-und Jugendlichenpflege hat. Musiktherapie ist ein wissenschaftlich begründetes Angebot, in dem ein*e Therapeut*in durch den bewussten und professionellen Einsatz des Mediums Musik mit dem Gegenüber in Kontakt tritt und nonverbal kommunizieren kann. „Eltern und Frühchen spielen für mich in der Musiktherapie zusammen. Ich passe die Musik individuell auf die Atemfrequenz an und stimme den Musikstil und die Dauer auf jede*n Patient*in individuell ab“, erklärt Kriechbaum.

„Es ist schön zu sehen, wenn Eltern und Kind einfach gemeinsam entspannen oder sogar einschlafen und sich einfach einmal nur als Eltern fühlen können“, sagt die Musiktherapeutin Anna Carina Kriechbaum.

Stetige Vorarbeiten

Gedanklich befasst sich die 33-jährige schon viel länger mit dem Thema, schrieb sie doch bereits ihre Maturaarbeit zum Thema Musiktherapie. Direkt nach der Schule kam die Ausbildung aus verschiedenen Gründen noch nicht in Frage. Also machte sie das dreijährige Diplom und arbeitete sechs Jahre Vollzeit auf der neonatologischen Intensivstation. Sie hatte ihren Traumberuf gefunden, aber das Thema arbeitete weiter in ihr. Sie konnte täglich beobachten, wie die Winzlinge auf die Stimme der Mutter reagieren oder sich beim Summen von Liedern beruhigen. In Anna Carina Kriechbaum vereinen sich eben Beharrlichkeit, Tatkraft und Empathie auf unnachahmliche Weise.

Nach ihrem Musiktherapie-Studium an der IMC FH Krems hat Anna Carina Kriechbaum eine Musiktherapie-Stelle auf der Intensiv- und der Überwachungsstation am Kepleruniversitätsklinikum Linz übernommen.

Immer wieder besuchte sie Schnuppertage in anderen Kliniken mit Musiktherapie in verschiedenen Abteilungen (z.B. Psychiatrie, Kinderonkologie). Um die Aufnahmeprüfung für das berufsbegleitende Studium, das sie vor kurzem mit einer ausgezeichneten Masterarbeit beendet hat, zu bestehen, nahm sie nach dem Dienst Privatstunden für Klavier. Immer wieder besprach sie den Nutzen von Musiktherapie mit ihren Vorgesetzten. Oder ermöglichte durch einen von ihr mitgegründeten Verein Einheiten anderer Musiktherapeut*innen auf der Station. In den vergangenen Jahren erschienen immer wieder klinische Studien zur langfristigen Wirkung von Musiktherapie auf Frühgeborene. Bereits 2013 gründete sie mit vier Gleichgesinnten den Verein NewBe Oberösterreich, der Eltern von Frühgeborenen vernetzt und finanziell unterstützt. Dass bei der Geburt eines Kindes etwas schiefgehen kann, ist beinahe ein Tabu und diese Eltern am Limit können sich oft nicht selbst helfen. Nach ihrer intensiven Vorarbeit bekam die Überzeugungstäterin schließlich die Zusage für eine Musiktherapie-Stelle und arbeitet seither auf der Intensiv- und der Überwachungsstation zehn Stunden pro Woche.

Beim Känguruhen zur Ruhe kommen

Mit Harfe zur Therapie: Oft dauert eine Einheit nur wenige Minuten, weil jeder Reiz auch Überforderung bedeuten kann.

Alles beginnt mit einem Erstgespräch, wo die Eltern sagen können, was sie brauchen und warum das Kind so früh gekommen ist. Anna Carina Kriechbaum kommt dann zur Therapie mit Harfe, Gitarre, Monochord, Kalimba, Stimme oder Ocean Drum. Sie spielt einfache ruhige Harmonien, die vielleicht schon bekannte Melodien aufgreifen oder Geräusche aus dem Mutterleib. Typischerweise findet die Therapie beim gemeinsamen Haut-auf-Haut- Kuscheln, dem Känguruhen, statt. Wenige Minuten, maximal eine Viertelstunde dauert eine Einheit, weil jeder Reiz auch eine Überforderung bedeuten kann.  Während sie spielt, beobachtet sie Erwachsene, Kind und – weil sie es kann – auch den Monitor (Messungen von Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung): „Es ist schön zu sehen, wenn Eltern und Kind einfach gemeinsam entspannen oder sogar einschlafen und sich einfach einmal nur als Eltern fühlen können.“ Nach dem Kickstart ins Leben können sie gemeinsam positive Erlebnisse sammeln. Oft können Eltern sich der Therapeutin gegenüber erstmals öffnen, über das Erlebte und ihre Sorgen sprechen. Die Wirkung der Musiktherapie auf Neugeborene ist vielfältig: Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung verbessern sich, die Gehirnentwicklung wird sanft angeregt – auch von einem reduzierten Sedierungsbedarf und verbessertem Trinkverhalten wird berichtet. Nach den ersten kritischen Wochen in der Klinik endet vielleicht ihre Unterstützung als Musiktherapeutin, aber nicht ihr Engagement. Mit dem Verein NewBe Oberösterreich schafft Anna Carina Kriechbaum Bewusstsein. Mit ihren Kolleginnen informiert und vernetzt sie, sammelt Spenden und unterstützt so Betroffene auch finanziell: vom Gratisparken für Frühcheneltern auf dem Klinikparkplatz (tägliche Besuche gehen ins Geld) bis zur Anfertigung spezieller Frühchen-Bodys, passende Stationsausstattung und Lagerungsbehelf oder bei Therapien und Reha-Aufenthalten. Weil Eltern und Kinder in dieser Lebenslage einfach eine angepasste Extraportion Unterstützung brauchen.

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NewBe Frühchenverein OÖ

Der NewBe Frühchenverein OÖ wurde von vier diplomierten Kinderkrankenschwestern – darunter Anna Carina Kriechbaum – mit dem Ziel gegründet, Eltern von Frühgeborenen auf ihren Weg zu begleiten und finanziell zu unterstützen.

Musiktherapie am IMC FH Krems

Ihren Bachelorabschluss in Musiktherapie machte Kriechbaum vor vier Jahren am IMC FH Krems.

Kepler Universitätsklinikum

Anna Carina Kriechbaum arbeitet gleichzeitig als Musiktherapeutin und als diplomierte Kinder- und Jugendpflegerin am Kepleruniversitätsklinikum Linz.

Fotos: NewBe Frühchenverein OÖ, Heinz Madlmair
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