Reise ins Mittelalter

Ein Kurzurlaub in Oberitalien, voller Überraschungen: Die Gozzoburg in der Kremser Innenstadt birgt eine Reihe von Geheimnissen.
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Ein wenig ins Schnaufen kann man schon geraten, wenn man den Weg zur Kremser Gozzoburg absolviert. Vom Pfarrplatz geht es über das rumpelige Pflaster der Margarethenstraße hinauf, vorbei an Häusern mit Sgraffito Mustern. Stapft man über das Kopfsteinpflaster, so fühlt man sich fast in eine andere Zeit versetzt – hörte man nicht da ein Mobiltelefon läuten oder sähe dort ein geparktes Auto. Und plötzlich steht man da, am Hohen Markt. Vor einer Loggia, die an Urlaube in Oberitalien erinnert und über der sich eine glatte Fassade mit drei schmalen Fenstern erhebt.

Die Loggia steht für die Menschen des Mittelalters als Symbol für Rechtsprechung und Autorität. Zwei Funktionen, die Gozzo in seiner Personen vereinte.
Dieser Schlussstein mit den zwei einander in die Schwänze beißenden Drachen, die als Bannung des Bösen zu interpretieren sind, war in der Loggia über dem Eingang angebracht.

Verwinkelte Gänge, schräge Stiegen

Die Gozzoburg, errichtet ab dem frühen 13. Jahrhundert, birgt eine Reihe von Geheimnissen und eine spannungsvolle Geschichte. Die spektakulärsten Räume sind während einer Führung zugänglich; eine einstündige Tour, die sich wahrlich lohnt. Denn die Komplexität dieses Baus lässt sich zwar auch von außen erahnen. Doch erst im Inneren kann man erfühlen und erfahren, was hier im Laufe der Jahrhunderte alles an- und umgebaut wurde.

Über verwinkelte Gänge und schräge Stiegen, vorbei an Höfen und Arkadengängen spazieren die Besucher*innen an einem Samstagnachmittag im April während einer Führung, bei der die junge Historikerin Brigitte Urabl kompetent und witzig Auskunft gibt – über das Leben Gozzos (Vorname unbekannt), dessen Bedeutung in der europäischen Geschichte (nicht ganz unwichtig) und die Geschichte des Gebäudes (wie gesagt: es ist kompliziert). Da dürfen sich Besucher*innen in eine Rauchkuchl hineinquetschen; der Platz ist beschränkt, und es riecht noch immer so, als wäre hier erst kürzlich ein Festmahl gekocht worden. Vielleicht für einen der Gäste des Hausherrn?

In der ehemaligen Küche riecht es noch immer so, als wäre eben erst gekocht worden.

Blickfang

Über ihn ist gar nicht so wenig bekannt: Gebürtig im nördlichen Weinviertel, nämlich in Mailberg, heiratete er eine Bürgerstochter aus Stein ­und wurde 1249 Stadtrichter in Krems. Auf einem Vorgängerbau begann er dann, einen imposanten Komplex zu errichten, der später weiter aus- und teils auch wild verbaut wurde. Das zeigt ein Fragment der einstigen Außenbemalung der Johannes- und Katharinenkapelle. Es wird von einer Arkade umrahmt, teils überdeckt und ist heute Teil des Ganges. Einst prangte die Malerei am markanten, zur Gänze bemalten Außenturm, der die Blicke von Donauschiffpassagier*innen anzog. 

Gozzo auf einem von ihm gestifteten Fresko in der Kremser Dominikanerkirche.

Die Kapelle selbst, ein luftiger Raum, teilte sich bis Anfang unseres Jahrtausends in zwei Stockwerke. Ein Erker gibt Ausblicke in die umliegende Landschaft. Bis zur Generalsanierung 2005 genoss diese eine Bewohnerin, die hier aufgewachsen war: umgegeben von Kunst am Übergang zwischen Romanik und Gotik.

Scharfrichter mit stechendem Blick

Vieles bröckelte im Laufe der Jahrhunderte, doch einige auf die Zeit um 1270 datierten Fresken – mit Szenen aus dem Leben der Heiligen Johannes und Katharina – haben sich erhalten. Die beiden Meister, heute nur unter den „Notnamen“ Johannes- und Katharinenmeister bekannt, beherrschten die dramatische Schilderung von Ereignissen wahrlich. Da wischt ein Scharfrichter mit stechendem Blick sein Schwert ab, während der Kopf der enthaupteten Katharina noch durch die Luft fliegt, da warten zwei tote Jünglinge mit ausladenden Armen auf ihre Wiedererweckung durch Johannes, nachdem sie Gift getrunken haben.

Dramatische Szenen in der Katharinenkapelle: Da wischt ein Scharfrichter mit stechendem Blick sein Schwert ab, während der Kopf der enthaupteten Katharina noch durch die Luft fliegt.

Mit einer Fülle von Eindrücken verlässt man die Gozzoburg. Wer an diesem Ort noch ein wenig verweilen möchte: Ein Besuch im Gasthaus Jell gleich nebenan ist schwer zu empfehlen.

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Info

Gozzoburg
Hoher Markt 11
3500 Krems

Führungen
Die Besichtigung der Gozzoburg ist ausschließlich im Rahmen von Führungen möglich (bis inkl. 1. November jeden Samstag, Sonn- und Feiertag um 14.00 Uhr)

Eintrittspreise
inkl. ca. 50-minütige Führung:
Erwachsene: € 6,00/Person
Ermäßigt: € 5,00/Person
Kinder und Jugendliche bis 19: € 3,00/Person
Einmalig freier Eintritt mit der Niederösterreich-Card

Kontakt
Informationen, Anfragen, Reservierungen:
Tel.: +43 (0)2732 801-571
mail: museum@krems.gv.at

Fotos: Stadt Krems, Bundesdenkmalamt – Irene Hofer, Bundesdenkmalamt – Bettina Neubauer
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