Heute ist der Saal leer. Im ausgestorbenen Kino im Kesselhaus am Campus Krems rufen Plakate Filmerlebnisse in Erinnerung – und die Tatsache, dass sie wieder einmal für einige Zeit aussetzen müssen. In Österreich ist wieder einmal Lockdown, es ist mittlerweile der vierte. Katharina Kreutzer nimmt Platz in der ersten Reihe des Kinos, um über ihre Arbeit Auskunft zu geben. Wie so viele in der Kulturbranche kämpft die Filmkuratorin und -vermittlerin mit Absagen und Änderungen. Ein Programm zu drucken, von dem man noch nicht genau weiß, ob es überhaupt stattfinden kann: Das zählt zu den Herausforderungen dieser Tage.
Einschätzungen
Es ist ein wenig so wie im Museum, wo Außenstehende bisweilen meinen, die Arbeit der Kurator*innen erschöpfe sich im Aufhängen von Bildern. Auch in einem Kino steckt gehöriger Aufwand dahinter, um einen Film überhaupt auf die Leinwand zu bringen. „Wenn man ein Programm macht, muss man die Filme buchen, man braucht die Rechte – das ist ein längerer Bestellprozess. Dann kommt er als Festplatte ins Haus und muss auf den Projektor aufgespielt werden“, erzählt Kreutzer. Bevor es freilich überhaupt so weit kommt, zerbricht sie sich gemeinsam mit Paula Pöll, der künstlerischen Leiterin des Kinos, den Kopf über das Programm. Wenn nicht gerade alles geschlossen ist, laufen hier rund 20 Filme pro Monat. „Manche davon können wir vorher sichten, andere schätzen wir aufgrund von Kritiken, des Trailers oder des Regisseurs, der Regisseurin ein“, so Katharina Kreutzer.
Katharina Kreutzer bringt Film ins Gespräch
Die Balance zwischen eigener Expertise und Popularität beschreibt sie so: „Wir zeigen auch Werke, die nicht gerade unsere Lieblingsfilme sind, bei denen wir aber ein großes Interesse beim Publikum erwarten.“ Andere Filme schätzt sie persönlich für so wichtig und spannend ein, dass sie diese unbedingt zeigen möchte – etwa ein Porträt über den Holocaustüberlebenden Marko Feingold. Dafür lud sie einen der vier Regisseure zu einem öffentlichen Gespräch ein. Es war gut besucht. „Wir hätten es aber auch gemacht, wenn wir nur zehn Leute erwartet hätten.“
Film ins Gespräch bringen: Das ist eine Wendung, die Kreutzer häufig verwendet. Sie arbeitet bereits seit 1996 in der Kulturvermittlung, studierte Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Medienpädagogik und Filmvermittlung. Obwohl sie heute viel Organisations- und Konzeptionstätigkeiten erledigt, ist sie nach wie vor leidenschaftliche Vermittlerin. Das merkt man, wenn sie von den Workshops und Filmgesprächen berichtet, die sie mit ihren Kolleg*innen für Schulen veranstaltet. Die Zahl der Kinder – darunter auch Volksschüler*innen – und Jugendlichen, die Jahr für Jahr das Kino besuchen, ist beeindruckend: Insgesamt rund 8000 waren im Jahr 2019 hier, 1600 davon im Rahmen eines Vermittlungsprogramms.
Offenes Ende
Zuletzt etwa gab Katharina Kreutzer einen Workshop zu Greta Gerwigs Coming-of-Age-Drama Little Women. Darin geht es um vier Schwestern, die im konservativen und von starren Geschlechterrollen geprägten Amerika des 19. Jahrhunderts leben – Stoff genug für angeregte Diskussionen. „Der Film hat ein offenes Ende, das unterschiedlich interpretiert werden kann. Das zeigte sich auch in der Reaktion der Schüler und vor allem der Schülerinnen“, erinnert sich Katharina Kreutzer. „Im Kino sehen alle ihren Film, je nachdem, welche Seherfahrungen und Emotionen sie mitbringen.“
In ihrer Vermittlungsarbeit interessiert sie die analytische Seite. Kinder und Jugendliche sind unentwegt umgeben von bewegten Bildern. „Medienkompetenz ist vorhanden“, so Kreutzers Beobachtung. „Aber ich finde wichtig, dass man den Blick dafür schärft, wie etwas gemacht ist und was unbewusst mittransportiert wird.“ Ein stärkeres Bewusstsein für Bildsprache: im Zeitalter von Instagram, TikTok und YouTube eine dringende Notwendigkeit.
Nina Schedlmayer