Birgit Teufer untersucht den Einfluss alternativer Konsumnetzwerke auf nachhaltige (Regional-) Entwicklung.
Beinahe alles außer Bananen, Schokolade und Kaffee kauft Birgit Teufer bei der „Kremser Kooperative für dezentrale Lebensmittelversorgung“ ein. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der IMC FH Krems deckt den Wocheneinkauf für die dreiköpfige Familie fast zur Gänze bei Landwirtinnen und Produzenten aus der Region ab. In einen Tauschkreis für Nachbarschaftshilfe bietet sie Korrekturlesen und Marillen aus dem eigenen Garten an. Mit der Praxis alternativer Konsumnetzwerke ist die 33-jährige Betriebswirtin also sehr vertraut. Für ihre Doktorarbeit begleitet sie diese nun auch wissenschaftlich. Sie will festmachen, welchen Einfluss alternative Strukturen für Produktion und Konsum auf nachhaltige (Regional-)Entwicklung haben. Diese transdisziplinäre Arbeit liegt ihr „weil ich den Fokus aufmachen kann“, so sagt sie im Interview mit ask – art and science krems. „Ich habe mich wissenschaftlich von der Konsumpsychologie über die Evaluation, bis zu Gesundheit, Lieferketten und Produktionsmethoden beschäftigt.“
Von der UNO in die Region
Nachhaltiger Konsum und Produktion sind das „Sustainable Development Goal 12“ der UNO, vernetzt mit den anderen 16 Nachhaltigkeitszielen. Gelebt müssen diese bis auf die lokale Ebene werden. Die wissenschaftliche Literatur attestiert nachhaltigem Konsum ein großes Potenzial zur „Weltrettung“, aber die Auswirkungen von Konsumnetzwerken wurden noch nicht eingehend untersucht: „Ich beobachte seit Jahren, was Lebensmittelkooperativen und alternative Konsumnetzwerke bewirken, wieviel Arbeit ehrenamtlich geleistet wird. Aber bisher ist das nicht belegbar“, betont Birgit Teufer. Ihre Literaturrecherche hat sie abgeschlossen. Anfang 2022 beginnt sie mit der Befragung von Produzent*innen, Konsument*innen, Landwirt*innen und Expert*innen für Nachhaltigkeit. Es geht um die Auswahl von Indikatoren, die eine nachhaltige (Regional-) Entwicklung, Vorteile für Konsument*innen und die Förderung kleinbäuerlicher Strukturen und Produktionsprozesse abbilden. Sollen eingesparte Transportkilometer, die faire Entlohnung, der Erhalt der Nahversorgung, der regionale Zusammenhalt oder die Förderung biologischer Produktionsweisen gemessen werden? „Theoretisch gibt es tausende Indikatoren. In den vergangenen 20 Jahren stand der Einfluss auf regionale Lieferketten im Mittelpunkt. Ich will die Brücke zur Regionalentwicklung schlagen“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department of Business an der IMC FH Krems.
Starke Motivation und Augenhöhe
Birgit Teufer motiviert sich mit dem übergeordneten Ziel, die Effekte und Vorteile belegbar und damit kommunizierbar zu machen. Mit ihrer Methodenkompetenz wird sie die Rolle der Forschenden vom aktiven Mitglied gut trennen können. Teil des Systems zu sein, erleichtert ihr wiederum, den nicht-wissenschaftlichen Stakeholdern auf Augenhöhe zu begegnen. Wenn das Indikatorenset steht, wird sie Fallstudien aus Österreich aufbereiten und durchrechnen.
Nachhaltiger Konsum begleitet die gebürtige Kremserin seit ihrem HAK-Abschluss und nicht erst seit der Elternschaft, wo sich viele die Frage stellen, welche Welt sie ihren Kindern hinterlassen. Sie plant nun auch, Studierende, die sich für das Thema begeistern können, in Bachelor-Arbeiten einzubinden. Im November 2021 bekam sie für ihr Forschungskonzept den „Wissen schaf(f)t Zukunft“-Preis des Landes Niederösterreich zugesprochen. Eine tolle Anerkennung, so Birgit Teufer, aber das Schönste ist für sie, „dass das Thema von politischer Seite wahrgenommen wird“. Auch in den Konsumnetzwerken stößt ihre Forschung auf großes Interesse. Herauskommen werden hoffentlich ein paar gute Argumente, die noch mehr Leute zum Mitmachen bewegen. „Es ist keine Dissertation für die Schublade, ich will saubere Belege für die Kommunikation mit bestehenden und neuen Mitgliedern sowie politischen Entscheidungsträger*innen sammeln“.
Astrid Kuffner