Die Sohlen der Stiefel sind eindeutig zu glatt. So wird das nichts mit der Besteigung der Wachauer Nase. Es braucht schon ein gröberes Profil, um das vier Meter hohe Kunstwerk zu erklimmen, das die Künstlergruppe Gelatin – zwischenzeitlich nannte sie sich Gelitin – am Donauufer in St. Lorenz bei Rossatz errichtete. Für jene, die sich als wenig kletterbegabt erweisen, bleibt immer noch das Innere der Nase. Betritt man es, trifft man auf eine fast expressionistische Architektur – und zahlreiche Inschriften: Namen, vielleicht von Angebeteten, wurden eingekratzt oder mit Erde gemalt. „Teen Wien Flo“ steht da, und die Worte „Kasio Julia“ schweben in einem Herz.
Wachauer Nase als Ofenrohr
Als das Kunstwerk 2014 eröffnet wurde – ein Kooperationsprojekt von wachau2010plus, Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich (Abteilung Kunst und Kultur des Landes) und der Gemeinde Rossatz –, waren alle dabei: Bürgermeister, Blaskapelle, Kunstszene. Der Zeichner und Schriftsteller Tex Rubinowitz sinnierte in der Eröffnungsrede über Nasen: „Die Nase ist also so eine Art Ofenrohr und der Mund ist der Ofen, wenn das Ofenrohr gedrosselt und also die Drosselklappe zu ist, zieht der Ofen auch nicht richtig, und das Feuer stirbt.“
Gelatin, die international renommierte Gruppe von Wolfang Gantner, Ali Janka, Florian Reither und Tobias Urban, schrieb: „Sie ruht flach und atmet flach am Uferrand, denn die Person darunter ist bis auf die Nase eingegraben.“
Das Nasencasting von Gelatin
So weckt die Skulptur die Vorstellungskraft und setzt sich als Imagination im Inneren der Erde fort: Liegt dort ein Riese begraben? Die Nase selbst wurde übrigens mit Hilfe eines „Nasencastings“ modelliert: Rund 70 Personen reagierten 2012 auf den Aufruf von Gelatin, sich als Modell für die Wachauer Nase zu bewerben. Fotos zeigen, wie damals im Schloss Rossatz Gipsabgüsse von ihren Nasen abgenommen wurden. Der Sohn des Bürgermeisters und eine Frau aus Hamburg mit Wohnsitz in der Wachau machten das Rennen: Die Wachauer Nase ist eine Kreuzung ihrer beiden Riechorgane.
Zu Fuß oder per Fähre?
Der Weg mit dem Auto über die B33, die Aggsteiner Straße – sie „begleitet“ die Donau „durch die Wachau“, wie es auf Wikipedia so schön heißt – ist nur eine der Möglichkeiten, hierher zu kommen. Die andere führt direkt über den Fluss: Denn hier ist auch die Anlegestelle der Rollfähre, die von Weißenkirchen zur Wachauer Nase führt. Zumindest in der warmen Jahreszeit.
Und dann kreuzen sich hier noch eine Menge Wanderwege. Pfeile weisen zum Seekopf, zum Schloss Hofarnsdorf und zum Kirchenplatz in Rossatz. Wem eher nach einem kurzen Spaziergang ist, der kann zum Heurigen des Weinguts Polz nach Rührsdorf flanieren, der allerdings erst ab dem Frühling wieder geöffnet ist – oder ein paar Schritte weiter zum Landgasthaus Winzerstüberl. „Auch verfärbt sich die Wetterseite der Nase grünlich, und aus den Poren sprießen Büschel von Gras“: Das wünschten sich Gelatin, als sie die Wachauer Nase errichteten. Diese Hoffnung hat sich bis dato zwar nicht erfüllt. Doch einen Ausflug – zu Fuß, per Fähre, Rad oder Auto – ist das Kunstwerk allemal wert.