Dynamik, Innovation und Wagemut

Gerda Ridler, neue Landesgalerie-Chefin, über die Zukunft ihres Hauses, dessen besondere Architektur und Partizipation im Museum.
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 „Meine Vision für die Landesgalerie möchte ich nicht erst in zehn, sondern gerne schon in fünf Jahren erreichen: Sie soll sich in die erste Riege der Kunstmuseen Österreichs einreihen und sich lokal stark verankern. Sie soll ein selbstverständlicher und gern besuchter Ort werden für die Menschen aus Krems und Niederösterreich, die die Landesgalerie Niederösterreich als ihr Museum wahrnehmen.

Leuchtturmprojekt

Die Landesgalerie soll ein Ort der Begegnung und des Austauschs werden – und ein Leuchtturmprojekt. Die Chancen, das zu erreichen, stehen gut: Das Museum ist eine junge Institution, die großen Freiraum zur Entwicklung und Entfaltung bietet.  Daher können wir vieles neu denken. Es ist ein modernes Haus am Eingang der Kunstmeile Krems und ein Markstein in der zeitgenössischen Architektur mit hoher Signalwirkung. Wenn man das Gebäude von außen umrundet, erweckt es eine Erwartungshaltung, die es gilt, im Inneren zu erfüllen. Mit der spektakulären Architektur verbinde ich Begriffe wie Dynamik, Innovation und Wagemut, und das sind auch meine Leitmotive, die sich im Programm des Hauses widerspiegeln sollen.

Let’s party!

Manch andere Museumskolleginnen oder -kollegen kommen mit fertigen Konzepten in neue Arbeitsstätten und setzen diese um, egal wo sich die Museen befinden. Für mich darf die Landesgalerie kein Satellit sein, sondern das Museum und sein Programm müssen einen Bezug zur Stadt Krems und zur Region Niederösterreich haben. Die Sammlungen des Landes, für die das Museum gebaut wurde, haben eine große Tiefe und Qualität. Aus diesem Fundus können wir schöpfen. Wir brauchen keine wandernden Blockbusterschauen in Krems, sondern ich werde Themen und Ausstellungen präsentieren, die mit der Region etwas zu tun haben und Menschen emotional ansprechen. Wir starten 2022 mit einer Personale der Künstlerin Isolde Maria Joham (*1932), einer großartigen Künstlerin, die es wieder zu entdecken gilt. Daran schließt eine Sammlungspräsentation an – eine Einladung und ein positives Signal an die heimische Künstlerschaft, denn wir öffnen das gesamte Haus für die Gegenwartskunst. Ich hoffe, dass viele von ihnen ins Haus kommen werden und man einander kennenlernt! Die Landesgalerie Niederösterreich soll ein Treffpunkt für Künstlerinnen und Künstler werden, daher wird es auch jedes Jahr ein Künstlerfest geben, das zu einem Fixpunkt im Sommer in der Wachau werden soll. Grundsätzlich ist mir der Fokus auf die Gegenwartskunst wichtig, dennoch können wir aus dem Blick der Vergangenheit viel lernen. Zukünftig werden wir daher auch Themenausstellungen im Spannungsverhältnis zwischen aktuellen Phänomenen und deren historischen Wurzeln entwickeln. Die Landessammlungen bieten dafür ein großes Potenzial, denn ihr Schwerpunkt reicht vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Das regionale Publikum teilhaben lassen – Gerda Ridler konnte die japanische Künstlerin Chiharu Shiota für eine Installation gewinnen.

Emotionaler Bezug zur Kunst

Die Zeiten, in denen Kunstmuseen exklusive Orte und wenig offen für ein heterogenes Publikum waren, sind zum Glück vorbei. Für mich ist die Institution Museum auch eine Bildungseinrichtung, denn kulturelle Bildung ist unverzichtbarer Teil unseres Bildungssystems. Diese Aufgabe müssen wir noch viel stärker wahrnehmen, denn in den Schulen werden kreative und künstlerische Fächer immer stärker gestrichen. Unser Fokus richtet sich daher auf das junge Publikum, denn wir müssen schon heute dafür Sorge tragen, dass wir auch morgen noch über ein ausreichendes und interessiertes Publikum verfügen. Überhaupt möchte ich das Haus noch stärker für unsere Besucherinnen und Besucher öffnen, daher wird es künftig auch partizipative Ausstellungsprojekte geben. Wenn aktive Teilhabe an künstlerischen Projekten möglich ist, wirkt das identitätsstiftend und gemeinschaftsfördernd. Ich konnte die japanische Künstlerin Chiharu Shiota für eine Installation gewinnen, die wir ab Sommer 2022 im Erdgeschoss zeigen werden. Die Künstlerin wird dafür mit der Bevölkerung zusammenarbeiten und das regionale Publikum teilhaben lassen. Wenn man als Besucherin oder Besucher persönlich eingebunden wird, ist es möglich, einen viel stärkeren emotionalen Bezug zu einem Kunstwerk und zum Museum aufzubauen.“

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Zur Person

Gerda Ridler, Kunsthistorikerin und gerichtlich beeidete Sachverständige für Kunst nach 1945, leitet seit 1. Jänner 2022 die Landesgalerie Niederösterreich. Sie ist seit rund 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im internationalen Museums- und Ausstellungsbereich tätig und war u.a. als wissenschaftliche Leiterin des Oberösterreichischen Landesmuseums, als Gründungsdirektorin des Kunstmuseums Ritter in Waldenbuch bei Stuttgart sowie als Beraterin für zahlreiche Privatsammlungen tätig.

Fotos: Alexandra Bruckböck, Sunhi Mang
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